16/J XXV. GP

Eingelangt am 31.10.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Privatmiliz im Schubhaftgefängnis Vordernberg

BEGRÜNDUNG

 

Nach der Errichtung des neuen Schubhaftzentrums in Vordernberg / Steiermark hat das Innenministerium einen Teil der Aufgaben die zum Betrieb des Schubhaftzentrums gehören, via Vertrag an die Gemeinde Vordernberg übergeben. In der Folge reichte die Gemeinde diese Aufgaben mittels einer Ausschreibung im April 2013 an ein privates Sicherheitsunternehmen, die G4S, weiter. Hinsichtlich der Ausschreibungskriterien und auch der Formulierung der Aufgaben in den Ausschreibungsunterlagen (wie zB „Bewachungsunterlagen“) ergibt sich der starke Verdacht, dass die Ausschreibung von vorneherein auf betreffende Sicherheitsfirma zugeschnitten war. Ebenso besteht der Verdacht dass hier hoheitliche Aufgaben der Polizei (zB die Bewachung der Schubhäftlinge) stillheimlich an ein privates Sicherheitsunternehmen ausgelagert werden sollen.

Dafür sprechen nicht nur die Leistungsbeschreibung in den Angebotsbestimmungen sowie der Generalunternehmervertrag, die explizit „Sicherheitsvollzug“ bzw. „Bewachungsleistungen“ der G4S in Vordernberg vorsehen, sondern auch Jobausschreibungen der G4S für Vordernberg, in der Personen für „allgemeine Kontrollen und Rundgänge“ sowie „unterstützende Hilfstätigkeit für die Exekutivbehörde“ gesucht werden. Die Beteuerungen des Bürgermeisters von Vordernberg und des Innenministeriums, es handle sich dabei nicht um Auslagerung hoheitlicher Tätigkeiten, ist im Hinblick auf die anderslautende Ausschreibung und als Vorlage dienenden Generalunternehmervertrag unglaubwürdig. Der Eindruck, dass es sich bei Vergabe sehr wohl um eine stillheimlich geplante Auslagerung handelt, erhärtet sich dadurch, dass bereits etwaige Bieterinteressenten zur Vertraulichkeit über die Ausschreibungsunterlagen verpflichtet wurden und die tatsächlichen Endverträge von der Öffentlichkeit geheim gehalten werden – dies trotz des großen öffentlichen Interesses an Klarheit darüber, ob hier Staatsgewalt (noch dazu auf Steuerkosten) an Privatmilizen übertragen wird.  Die Ausschreibungsunterlagen, samt Generalunternehmervertrag, finden sich auf http://vordernbergwiki.wordpress.com/.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie lautete der Vertrag zwischen der Gemeinde Vordernberg und der Republik Österreich, vertreten durch die Bundesministerin für Inneres, über die Erbringung von Dienstleistungen im Schubhaftzentrum Vordernberg vom 12.4.2013 bzw. zusätzlicher Verträge zwischen diesen beiden? Bitte um Beifügung des gesamten Vertrages bzw. der Verträge.

 

2)    Wie lautete der aktuelle Vertrag zwischen der Gemeinde Vordernberg und der G4S bezüglich Erbringung von Dienstleistungen im Schubhaftzentrum Vordernberg? Bitte um Beifügung des gesamten Vertrages (die konkrete Preisgestaltung der Firma G4S kann ausgenommen werden, falls die Veröffentlichung die wirtschaftlichen Interessen von G4s beeinträchtigen würde).

 

 

3)    Aus welchen rechtlichen Gründen wurde in den Verträgen zwischen BMI und Vordernberg, bzw. zwischen Vordernberg und G4S Geheimhaltung über den Vertragsinhalt vereinbart?

 

4)    Aus welchen rechtlichen Gründen wurde sogar in den Angebotsbestimmungen zur Vergabe der Unterbringungs- und Bewachungsleistungen im Schubhaftzentrum die Geheimhaltung über den Inhalt der Angebotsbestimmungen vorgeschrieben?

 

 

5)    Auf wessen Entschluss bzw. Weisung geht die Entscheidung zurück, Aufgaben im Schubhaftzentrum weitgehend auszugliedern?

 

6)    Bürgermeister Hubner sagt im Falter, die Vorgaben zur Vergabe seien aus dem Bundesministerium für Inneres gekommen (Falter 44/13 S. 53) – bitte um Beifügung aller schriftlichen Vorgaben, die es dazu seitens des BMI gab.

 

 

7)    Auf welche Weise und mit welchen Kompetenzen war das Bundesministerium für Inneres in das Ausschreibungsverfahren der Gemeinde Vordernberg eingebunden?

 

8)    Falls es tatsächlich nur einen Bewerber (G4S) im Ausschreibungsverfahren gab, wie wurde sichergestellt dass dieser Bewerber der Qualifizierteste mit dem besten Konzept ist?

 

9)    Wie wurde die Ausschreibung beworben? Ist das BMI bzw. die Gemeinde Vordernberg an bestimmte Firmen oder Organisationen damit herangetreten? Wurden karitative Organisationen kontaktiert?

 

10)  Aus welchem Grund hat das Zuschlagskriterium „Betreuungsmanagement/Sicherheitsdienst“ von allen qualitativen Kriterien die höchste Punkteanzahl?

 

11) Aus welchem Grund wird der Nachweis über das Befugnis zum Sicherheitsgewerbe prioritär erwähnt, wenn es – wie durch BMI und Vordernberg behauptet – vorrangig um Dienstleistungen, die keine Sicherheitsdienste sind (wie Reinigung, Kiosk etc.), geht?

 

 

12) Aus welchem  konkreten Grund wurde zwingend als Jahresumsatz ein Durchschnitt von € 20 Millionen vorgeschrieben, wenn nicht um das größte Sicherheitsunternehmen Europas zu bevorzugen?

 

13) Wieso gerade 20 Millionen Euro und nicht zB 10 Millionen, die auch heimischen Nichtregierungsorganisationen eine Chance zu bieten gegeben hätten?

 

 

14) Aus welchem Grund wurden zwingend zwei Referenzprojekte verlangt, die aus dem Bewachungssektor kommen und noch dazu den Betrieb eines Gefängnisses oder Schubhaftgefängnisses beinhalten? Wie viele konkrete Firmen bzw. Organisationen waren Ihnen bekannt, die diese Voraussetzungen erfüllen außer G4S?

 

15)  Inwiefern wurden bei der Vergabe des Auftrags an G4S die Vorwürfe rund um Misshandlungen von Häftlingen in Gefängnissen durch G4S MitarbeiterInnen in Südafrika mitbedacht bzw. der Tod eines Abzuschiebenden in Großbritannien, der von G4S MitarbeiterInnen verursacht worden war, bzw. die Klagen in einem von G4S betreuten Gefängnis in Großbritannien wegen Verunmöglichung der Teilnahme an Gerichts- oder Arztterminen wegen Personalmangels?

 

 

16) Waren Ihnen bzw. der Gemeinde diese Vorwürfe zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe an G4S bekannt?

 

17) Da die „Betreuung“ der Schubhäftlinge eine zentrale Aufgabe des Angebots ausmacht: Welche konkreten Qualifikationen konnte G4S für die soziale Betreuung von Schubhäftlingen vorweisen (Referenzprojekte, qualifizierte MitarbeiterInnen?)

 

18)  „Hoheitliche Aufgaben werden selbstverständlich ausschließlich von der Polizei wahrgenommen“, betonte das Innenministerium gegenüber Ö1. Wie steht das in Einklang mit den Ausschreibungsunterlagen, die die „Vergabe von Bewachungsleistungen“ sogar im Titel der Angebotsbestimmungen führen?

 

 

19) Welche „hoheitlichen Aufgaben, die ausschließlich von der Polizei wahrgenommen werden dürfen“ übernimmt demnach im Schubhaftzentrum Vordernberg ausschließlich die Polizei, bitte um explizite Aufzählung?

 

20) Gehören zu den hoheitlichen Tätigkeiten, die nicht ausgelagert werden dürfen auch Bewachungsleistungen, wenn ja in welchem Umfang genau?

 

 

21) Gehören zu den hoheitlichen Tätigkeiten, die nicht ausgelagert werden dürfen auch Sicherheitsdienste, wenn ja in welchem Umfang genau?

 

22) Wird G4S auch Kontrollgänge und Überwachungsdienste im Schubhaftzentrum übernehmen? Falls ja, wie werden diese konkret ausgestaltet sein und in welchen Zeitabständen werden diese stattfinden?

 

23) Weshalb wurde die „Bewachung“ explizit als Aufgabenumfang in den Angebotsbestimmungen (S.1,7,8,15,19)  festgeschrieben, wenn laut Erklärung des Innenministeriums und Bürgermeisters G4S keinerlei hoheitliche Tätigkeiten übernimmt (dazu zählt die innere Sicherheit und damit auch die Bewachung und Kontrolle von Schubhäftlingen).

 

 

24) Weshalb wurden „Sicherheitsdienste“ bzw. „Sicherheitsfachkräfte“ in den Aufgabenumfang der Angebotsbestimmungen (S.19,20,22,23,26,27) festgeschrieben, wenn laut Erklärung des Innenministeriums  "nur der nichthoheitliche Teil ausgeschrieben [wurde]. Der ganze Sicherheitsbereich bleibt beim BMI" (Wiener Zeitung, 18.10.2013)?

 

25) Hat das Innenministerium vor Auftragsvergabe an die Gemeinde Vordernberg eine rechtliche Expertise zu der Verfassungskonformität einer Auslagerung dieser Aufgaben in Schubhaftgefängnissen erstellen lassen? Falls ja, von wem und bitte um Beifügung.

 

 

26) Falls nein, aufgrund welcher rechtlichen Expertise wurde die Entscheidung zur Auslagerung – auch von Bewachungsleistungen- getroffen?

 

27) Welches Kontrollsystem hat das Innenministerium vorgesehen, um Übergriffe von privatem Sicherheitspersonal auf Schubhäftlinge bzw. Kompetenzüberschreitungen seitens des privaten Sicherheitspersonals zu verhindern, da ja Bewachungsleistungen und Sicherheitsdienst laut Angebotsbestimmungen zumindest tlw. ausgelagert werden?

 

 

28) Wie wird die oberste Verantwortlichkeit des Bundesministers für Inneres für die Schubhäftlinge sichergestellt? Immerhin gibt es dann weder ein Weisungsrecht noch Amtshaftung hinsichtlich der Tätigkeit der G4S.

 

29) Wenn ein Schubhäftling von MitarbeiterInnen der G4S verletzt wird bzw. Übergriffe stattfinden, könnte dieser via Amtshaftung gegen das BMI vorgehen? Falls nicht, kann dieser nur mehr aufgrund des –bekanntlich kaum angewandten- Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes gegen die G4S vorgehen?

 

30) Wenn ein Schubhäftling von MitarbeiterInnen der G4S verletzt wird bzw. Übergriffe stattfinden, ist dieser berechtigt deshalb eine Maßnahmenbeschwerde einzubringen?  

 

 

31) Wie werden Sie die Anwendung relevanter EMRK-Bestimmungen, wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder das Recht auf Freiheit, sicherstellen – da diese nur gegenüber dem Staat, nicht aber gegenüber privaten Sicherheitsfirmen wirksam werden?

 

 

32) Sollte die Gesamtverantwortung für das Schubhaftzentrum tatsächlich beim Innenministerium bleiben, wie das BMI im Falter behauptet, weshalb spricht der G4S Vorstand dann weiterhin davon, dass G4S den „Betrieb des Schubhaftzentrums“ übernehmen wird?

 

 

33) Haben Innenministerium bzw. die Gemeinde Vordernberg sich die Rechte zur Abberufung des Auftragnehmers bei bestimmten Verstößen gegen die Ausschreibungskriterien vorbehalten? Wenn ja, bei welchen und  welche Konsequenzen hätte so ein Verstoß konkret?

 

 

34) Ist es üblich, Aufträge  für Schubhaftbetreuung über einen Zeitraum von 15 Jahren zu vergeben? Wie lange sind die derzeitigen Aufträge des BMI für  Schubhaftbetreuung in den einzelnen Schubhaftzentren bzw. für Betreuung in den Erstaufnahmezentren jeweils befristet, bitte um Auflistung nach Zentrum und Befristung?

 

35) Wie hoch ist die Vergütung für den vergebenen Schubhaftauftrag an die G4S und von wem werden diese Kosten zu welchem Anteil getragen?

 

36) Welche jener Tätigkeiten, die via Vertrag G4S übertragen wurden sind zum Teil oder auch ganz durch Schubhäftlinge zu übernehmen (zB Reinigung, Wäsche)? Inwiefern wurde dies bei der Preisgestaltung gegenüber G4S berücksichtigt?

 

37) Die lange Vertragsdauer von 15 Jahren wurde mit „Investitionen“, die die beauftragte Sicherheitsfirma tätigen müsse um den Auftrag zu erfüllen, gerechtfertigt. Um welche Investitionen handelt es sich hierbei genau und in welcher Höhe?

 

38) Werden laut Verträgen stets gleichzeitig PolizistInnen mit dem privaten Sicherheitsdienst vor Ort sein? Wenn ja, wie viele jeweils untertags und nachts?

 

39) Welche Aufgaben genau wird G4S in Vordernberg bei der sogenannten „Schubhaftbetreuung“ übernehmen? Bitte um taxative Aufzählung.

 

40) Ist bereits bekannt, wer die Rechtsberatung im Schubhaftzentrum Vordernberg übernehmen wird? Falls ja bitte um Bekanntgabe, falls nein, wann wird diese ausgeschrieben?

 

41) Ist bereits bekannt, wer die Rückkehrberatung im Schubhaftzentrum Vordernberg übernehmen wird? Falls ja bitte um Bekanntgabe, falls nein, wann wird diese ausgeschrieben?

 

42) Sind regelmäßig Evaluationen und Stichprobenkontrollen seitens des BMI im Schubhaftgefängnis Vordernberg geplant, um das Entstehen „blinder Flecken“ durch die Auslagerung der Betreuung und der „Sicherheitsdienste“ an Private zu vermeiden?