63/J XXV. GP

Eingelangt am 20.11.2013
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Anfrage

der Abgeordneten Ing. Lugar,

Kolleginnen und Kollegen

an die Finanzministerin

betreffend „Europaweit harmonisierte Einlagensicherung“

 

Der Internationale Währungsfonds (IWF) erläutert in seinem Bericht Fiscal Monitor Oktober 2013 sehr klar, welche Vorstellungen bzw. Lösungsvorschläge er in Hinblick auf die Schuldenreduktion für einige EU-Staaten in petto hat. Der Akzeptanzproblematik seines Vorhabens ist er sich natürlich bewusst, die Fragestellungen sind betont vorsichtig und die Lösungsansätze werden als theoretisches „Gedankenspiel“ getarnt.

Als Beispiel nennt der IWF eine einmalige Abgabe in der Höhe von 10% für 15 EU-Staaten für alle Haushalte. Für den IWF läge der „Charme“ dieser Abgabe darin, dass, wenn sie vor einer möglichen Steuerflucht eingehoben würde und glaubhaft gemacht werden könne, dass diese Abgabe einmalig sei, die Bürger/innen nicht irritiert wären, sondern vielmehr einige diese Steuer sogar als fair empfänden. Damit liefert der IWF gleich die psychologisch begründete Gebrauchsanweisung zur Umsetzung mit. Der Zynismus des IWF gipfelt dann in der Aussage, dass in Deutschland und Japan nach dem Ersten und Zweiten Weltkrieg mit solchen Abgaben erstaunlich viel Erfahrung gemacht worden sei. [1] Die Schulden von 15 EU-Staaten, darunter auch Österreich, könne man damit auf das Vorkrisenniveau von 2007 bringen.

Nationalbankchef Ewald Nowotny meint zu den „Gedankenspielen“ des IWF, dass es sich dabei um wirtschaftspolitische Verfahren handle, die in Kriegs- oder Nachkriegszeiten von Bedeutung waren.[2]

Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer glaubt zwar nicht, dass eine solche Steuer in Österreich umsetzbar wäre, schließt aber ähnlich gelagerte „Budgetsanierungsmaßnahmen“ nicht völlig aus.

„Das Vertrauen der Menschen wäre erschüttert, das könne niemand wollen, erklärte er in einem ORF-Interview. Prinzipiell wäre es aber möglich, dass die heimischen Politiker zwecks Budgetsanierung Ersparnisse anzapfen. Die Steuer dürfte aber nicht in einer Höhe eingeführt werden, die einer Enteignung gleichkomme, so Mayer.“[3]

Und nun soll es – werden die Vorstellungen des IWF verwirklicht - endlich ans Eingemachte der Österreicher/innen gehen, nämlich an deren Sparbücher. RZB-Chef Walter Rothensteiner meint dazu richtigerweise „angespartes Kapital ist das Eigentum der Sparer und muss daher sicher sein."


Allerdings gab es auf Zypern bekanntlich einen „Versuchsballon“, der erst im letzten Moment wieder runter geholt wurde. Ursprünglich sah das Zypern-Modell zur Sanierung maroder Banken nämlich eine einmalige Stabilitätsabgabe auf inländische und ausländische Bankeinlagen, in Höhe von 6,75% für Einlagen unter € 100 000.- und 9,9% für Einlagen über € 100.000.- vor. Durchziehen wollte man das Ganze übers Wochenende, um so die Kontoinhaber/innen am folgenden Montag vor vollendete Tatsachen zu stellen. Erst nach massiven Protesten, die sich nicht nur auf Zypern beschränkten, blieb die Sicherung der Einlagen bis zu € 100.000.- unangetastet.

Es bleibt aber Verunsicherung zurück, denn trotz aller Politiker-Beteuerungen kann eine Garantie für alle Spareinlagen nur eine Willenskundgebung sein, denn verbindlich ist nur die gesetzliche Einlagensicherung. Und die würde im Falle einer politisch motivierten „Sonderabgabe“ nicht greifen.

Nach der europaweiten einheitlichen Bankenaufsicht soll nun die „europäische Bankenabwicklung“ umgesetzt werden. Ein Richtlinienentwurf[4] der EU sieht die europaweite Sicherung für Einlagen bis € 100.000.- vor. Darin wird unter Artikel 48 folgendes festgehalten:

„Einleger, die unter das Einlagensicherungssystem fallende Einlagen halten, sollten nicht vom „Bail-in“-Instrument betroffen sein. Das Einlagensicherungssystem trägt jedoch zur Finanzierung des Abwicklungsverfahrens in dem Maße bei, wie es die Einleger hätte entschädigen müssen. Die Ausübung der „Bail-in“-Befugnisse würde gewährleisten, dass Einleger weiterhin Zugang zu ihren Einlagen hätten, denn aus eben diesem Grunde wurde das Einlagensicherungssystem geschaffen. Würden diese Systeme in solchen Fällen nicht einbezogen, würde dies einen unfairen Vorteil im Hinblick auf die übrigen Gläubiger darstellen, die der Ausübung der Befugnisse der Abwicklungsbehörde unterlägen.[5]

Demnach muss im Falle einer „Banken-Abwicklung“ das Einlagensicherungssystem für Guthaben unter € 100.000.- mit einer adäquaten Summe einspringen, damit kein unfairer Vorteil gegenüber den Gläubigern mit Einlagen über € 100.000.- entstünde. Das Einlagensystem soll im Voraus finanziert, öffentlich verwaltet und einheitlich sein.

Der IWF hat Österreich übrigens in seinem letzten Österreich-Länderbricht zur Errichtung eines solchen Einlagensicherungssystems aufgefordert.[6] Dieses Einlagensicherungssystem soll demnach von der öffentlichen Hand finanziert werden, d.h. zu Lasten der österreichischen Steuerzahler/innen.

Das in Österreich derzeit bestehende Einlagensicherungssystem erfolgt gemäß § 93 Bankwesengesetz (BWG). In Österreich konzessionierte Banken haben unter anderem ihre Mitgliedschaft bei einer der fünf österreichischen Einlagensicherungseinrichtungen nachzuweisen. D.h. die Einlagensicherung gemäß Bankwesengesetz wird derzeit von den Banken selbst getragen.

Mit Umsetzung des o.a. EU-Richtlinienvorschlages in Verbindung mit der Aufforderung des IWF wird die Last der Einlagensicherung von den Banken auf die Steuerzahler/innen überwälzt. Unter Berücksichtigung der Realisierung einer „Banken-Union“ und eines „harmonisierten, europaweiten Einlagensicherungssystems“ bedeutet dies, dass die österreichischen Steuerzahler/innen über dieses staatliche, europaweit harmonisierte System zur Sicherung der Bankeinlagen bis € 100.000.- in allen EU-Staaten herangezogen werden können.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Frau Finanzminister nachstehende Anfrage:

1)    Wie ist aus Ihrer Sicht bzw. aus der Sicht Ihres Ressorts die vom IWF angesprochene 10%ige Abgabe auf Bareinlagen zu beurteilen?


2)    Teilen Sie die Auffassung des IWF, dass mit einer solchen Abgabe die Schulden der angesprochenen 15 EU-Staaten auf Vorkrisenniveau gebracht werden könnten?

a.    Wenn ja, welche konkreten Überlegungen und Fakten veranlassen Sie dazu?

b.    Wenn nein, warum nicht?

3)    Gibt bzw. gab es von Seiten Ihres Ressorts Überlegungen, den Vorschlag des IWF in das österreichische Rechtssystem zu implementieren?

a.    Wenn ja, wie sehen die konkreten Überlegungen dazu aus, gibt es dazu Entwürfe von Seiten Ihres Ressorts und wo können diese eingesehen werden?

b.    Wenn nein, warum nicht?

4)    Der IWF spricht in seinem Bericht von Abgaben auf Sparguthaben, die von den Österreicher/innen schon mehrmals geleistet wurden, so auch nach 1945.

a.    Wann genau wurde(n) diese eingeführt und wie lange wurde(n) sie beibehalten?

b.    Wie war(en) die Abgabe(n) konkret strukturiert?

c.    Welchen fiskalischen Erfolg brachte(n) sie?

d.    Wie hoch war ihr prozentueller Anteil an der damaligen Budgetsanierung?

5)    Wie ist aus Ihrer Sicht bzw. aus Sicht Ihres Ressorts der Umstand zu beurteilen, dass die derzeitige Einlagensicherung nach dem Bankwesengesetz im Falle der Einführung einer „Sonderabgabe“ auf Bankguthaben nicht greift?

6)    Sehen Sie in Bezug auf den Einlagenschutz für den Fall der Einführung einer „Sonderabgabe“ auf Bankguthaben (legistischen) Handlungsbedarf?

a.    Wenn ja, welche Überlegungen wurden diesbezüglich von Seiten Ihres Ressorts angestellt und wie lauten die Ergebnisse?

b.    Wenn nein, warum nicht?

7)    Wurden Mitarbeiter/innen Ihres Ressorts im Rahmen der Erarbeitung des o.a. EU-Richtlinienentwurfs zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen von den zuständigen EU-Stellen kontaktiert bzw. zur Mitarbeit eingeladen?

a.    Wenn ja, welcher Art war der Kontakt bzw. die Mitarbeit und welche konkreten Beiträge wurden geleistet und an welche Vorgaben waren Ihre Mitarbeiter gebunden?

b.    Wenn nein, warum nicht?

8)    Wie beurteilen Sie bzw. Ihr Ressort die Auswirkungen des EU-Richtlinienentwurfs im Falle der Umsetzung auf das bestehende System der Einlagensicherung in Österreich?

9)    Halten Sie die Forderung des IWF aus seinem Österreich-Länderbericht, dass Österreich sein derzeitiges Einlagensicherungssystem in ein einheitliches, staatlich finanziertes Sicherungssystem umwandeln solle, für umsetzbar?

a.    Wenn ja, wie lauten dazu Ihre konkreten Überlegungen bzw. jene Ihres Ressorts und welche Umsetzungskonzepte haben Sie dazu?

b.    Wenn nein, welche konkreten Überlegungen und Fakten veranlassen Sie zu dieser Ansicht?


10)  Gibt es von Seiten Ihres Ressorts Berechnungen oder Schätzungen, in welcher Höhe ein solches einheitliches Einlagensystem dotiert werden müsste?

a.    Wenn ja, wie sehen diese Berechnungen bzw. Schätzungen aus, auf welchen Grundlagen basieren sie und welche Auswirkungen sind davon auf die Entwicklung des Bundesbudgets zu erwarten?

b.    Wenn nein, warum nicht?

11)  Wie ist aus Ihrer Sicht der Umstand zu beurteilen, dass mit dem Plan der EU ein einheitliches Einlagensicherungssystem auf Basis der öffentlichen Verwaltung umzusetzen, die Last der Einlagensicherung von den Banken auf die Gesamtheit der Steuerzahler/innen überwälzt wird?

12)  Werden Sie der Überwälzung der Sicherungslast auf die Steuerzahlerinnen zustimmen?

Wenn nein, mit welchen Vorgehensweisen bzw. Mitteln wollen Sie dies verhindern?

13)  Gibt es von Seiten Ihres Ressorts Berechnungen oder Schätzungen, in welchem Ausmaß im Falle der Umsetzung der Richtlinie die österreichischen Steuerzahler/innen zur Sicherung von Einlagen bei Banken in anderen EU-Ländern herangezogen werden können?

a.    Wenn ja, welche Ergebnisse erbrachten die Berechnungen bzw. Schätzungen und auf welchen Grundlagen beruhen sie?

b.    Wenn nein, warum nicht?

14)  Gibt bzw. gab von Seiten Ihres Ressorts Überlegungen, die geeignet sind, dem Sinn der Aussagen von Heinz Mayer, dass die heimischen Politiker zwecks Budgetsanierung Ersparnisse anzapfen, die Steuer aber nicht in einer Höhe eingeführt werden dürfe, die einer Enteignung gleichkomme, zu entsprechen?

a.    Wenn ja, wie lauten diese konkreten Überlegungen und welche Ergebnisse brachten sie?

b.    Wenn nein, warum nicht?



[1] Fiscal Monitor Oct. 2013 (International Monetary Fund) S.49

[2] Die Presse" vom 06.11.2013

[3] Vorarlberger Nachrichten" vom 06.11.2013

[4] Vorschlag für RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen

[5] Artikel 48 Vorschlag für RICHTLINIE DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen

[6]As to financial stability, as recommended by the FSAP a comprehensive framework for early bank intervention and resolution would help reduce the need for state support in the future, as would a reform of the existing system of five private deposit insurance schemes and the creation of a separate bank resolution fund.“ (IMF-AUSTRIA 2013-ARTICLE IV CONSULTATION; S 4)