161/J XXV. GP

Eingelangt am 26.11.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Justiz

betreffend neuerlicher Berichte über schwere Missstände in der Justizanstalt Josefstadt

BEGRÜNDUNG

 

In der Wochenzeitung "Falter" Nr. 42/2013 vom 16.10.2013 wurde berichtet:

 

„Operation Schweinefleisch

Ein Justizwachebeamter prahlt damit, Muslime gedemütigt zu haben. Polizeischüler decken den Fall auf. Ein Lehrstück in Sachen Zivilcourage

Demnächst wird eine Klasse von Polizeischülern hohen Besuch empfangen. Der Leiter der Wiener Sicherheitsakademie wird vor die jungen Exekutiveleven treten und ihnen "Dank für die Courage“ aussprechen, wie es in einem internen Polizeibericht heißt. Man werde den Kollegen "auch signalisieren, dass jemand in der Klassengemeinschaft saß, der bei der Organisation Polizei nichts verloren hat“.

Die Polizeischüler verdienen tatsächlich einen Orden. Denn sie haben vermutlich einen weiteren hässlichen Skandal in Wiens größtem Gefängnis, der Justizanstalt Josefstadt, aufgedeckt. Er wird die muslimische Gemeinde Wiens sehr verstören. Muslimischen Häftlingen wurde von einem Justizwachebeamten heimlich Schweinefleisch ins Essen gerührt, um die Gefangenen anschließend zu verhöhnen. Muslimas im Knast soll von einem Beamten das Kopftuch heruntergerissen worden sein.

Wer das behauptet? Der Beamte selbst. Gruppeninspektor Christian F., 41, ein Justizwachebeamter in der Justizanstalt Josefstadt. Er war ein "eher lästiger Kollege“, wie sich ein Vorgesetzter erinnert. Er hatte Kontakte zur freiheitlichen Polizeigewerkschaft AUF und nützte diese intensiv, um endlich seinen wahren Traumberuf zu erreichen: Polizist.


Die AUF intervenierte hinter den Kulissen und so wurde der Gruppeninspektor vom Justiz- ins Innenministerium versetzt. Dort sollte er nach Absolvierung der Polizeischule Karriere machen. Doch dazu kommt es nicht. Inspektor F. dürfte es zu weit getrieben haben, wie ein interner Bericht des Innenministeriums festhält, der dem Falter aus Justizkreisen zugespielt wurde.

Zunächst war F. ein rassistischer Maulheld. So soll er laut Ministerialbericht "in Gegenwart eines Schülers türkischer Herkunft“ Türkenwitze erzählt haben. Er erklärte seinen Polizeikollegen, dass er nicht "in der Kantine isst, weil dort ein Neger abwäscht und die alle dreckig sind“, und während des Unterrichts stänkert er, "dass jeder Ausländer ein Verbrecher ist und beamtshandelt werden muss“. Ein "typischer Drogendealer“ sei "ein Neger“ und die "Scheißmenschenrechte wollen nur die Linken“.

Er brauche daher auch bei der Polizei keine "Negerkollegen“, und wenn, "werde ich mit denen nie zusammen Dienst machen, mit denen setz ich mich nicht ins Auto“. Und wenn "die Gaycops vortragen, melde ich mich krank. Ich werde mir auf keinen Fall Schwule ansehen.“ Auch "beim Ausflug nach Mauthausen werde ich krank. So was schaue ich mir nicht an.“

Gruppeninspektor F. spuckte vor seinen Polizeikollegen nicht nur solche Töne, er erzählte auch von seiner Dienstzeit in der Justizanstalt Josefstadt. Dort habe er "einer türkischen Frau das Kopftuch heruntergerissen und islamischen Inhaftierten Schweinefleisch vorgesetzt und nach deren Verzehr diese amüsierend verhöhnend informiert.“ Weiters, so hält das Protokoll fest, "wurden auch sexistische Vorwürfe erhoben und Auffälligkeiten wegen seines scheinbar hohen Aggressionspotenzials aufgezeigt“. Die Wiener Polizei schlägt nun die "unmittelbare Beendigung“ der polizeilichen Grundausbildung vor.

Bleiben ein paar ungemütliche Fragen für das Justizministerium: Wurden muslimische Insassen wirklich auf diese Weise gedemütigt? Wenn ja, wer wusste davon? Gab es auch in der Josefstadt sexistische und rassistische Übergriffe? Und wieso hat die AUF den Kollegen so protegiert. Hat der Fall System?

Verwunderlich wäre es nicht. Wie der Falter mehrfach berichtete, wurden Justizwachebeamtinnen auch von anderen Beamten immer wieder massiv sexuell belästigt. Zwei Beamtinnen gaben vor der Vollzugsdirektion zu Protokoll, dass sie vom Vorsitzenden der freiheitlichen Exekutivgewerkschaft, Christian Lausch, auch Nationalratsabgeordneter der FPÖ, schikaniert worden waren. Das damals orange regierte Justizministerium ließ eine Anzeige der Gefängnisverwaltung allerdings so lange liegen, bis die Sache verjährte. An der Schlüsselstelle saß eine Funktionärin der AUF.

Eine Beamtin beklagte auch sexuelle Ausbeutung von Insassinnen. Ein Inspektor hätte den weiblichen Gefangenen Kokain gereicht und dafür im Verwaltungstrakt sexuelle Dienste gefordert. Das sei ein "offenes Geheimnis“ gewesen, sagte eine andere Zeugin aus. Ein prominenter Strafverteidiger wiederum habe Beamte bestochen, um Handys ins Gefängnis zu schmuggeln. Die Anzeige der Beamtin wurde von der Staatsanwaltschaft monatelang liegengelassen. Erst neun Monate später erfolgte eine Hausdurchsuchung - ohne Ergebnis.


Schließlich wurde durch ein Falter-Interview mit einer Jugendrichterin im Juni bekannt, dass ein 14-Jähriger während eines Nachtdienstes mit dem Besenstiel vergewaltigt wurde. Der Strafvollzug sei kein Paradies, bemerkte kurz darauf Justizministerin Beatrix Karl.

Wenn sich Protest gegen Missstände regt, entwickeln Teile der Beamtenschaft und sogar die Direktorin des Gefängnisses offenbar einige Energie, um Kritiker mundtot zu machen. Als etwa der Wiener Rechtsanwalt Robert Pohle meldete, dass sein schwer kranker Mandant verletzt in seinen Exkrementen in der Zelle lag, wurde er von der Gefängnisdirektorin Helene Pigl wegen "Verleumdung“ angezeigt. Dabei hatte der Anwalt bloß eine Untersuchung gefordert.

Die Falter-Berichterstattung der letzten Monate hat aber auch zu mehr Ermittlungsdruck geführt. "Wir sehen die Spitze des Eisbergs. Warten Sie nur ab, was da noch kommt“, sagt einer der höchsten Beamten im Justizressort. Nun also werden die Zustände in der Josefstadt um einen weiteren Skandal angereichert. Neben Jugendlichen und Frauen wurden offenbar auch Muslime gedemütigt. Auch dieser Missstand wurde vom System selbst aufgedeckt. Von Polizeischülern, denen das Innenministerium nun danken will, weil sie Courage statt Korpsgeist demonstrierten.

Bleibt ein Problem: Gruppeninspektor F. Das Justizministerium will ihn nicht zurück haben. Die Polizei will ihn aber auch nicht. Für eine Entlassung ist die Polizeigewerkschaft zu stark. Was also soll mit ihm geschehen? Das Innenministerium deutet es an: Es sei die "Möglichkeit einer fachärztlichen Überprüfung der geistigen Verfassung von Gruppeninspektor F. zu prüfen“, heißt es im Bericht. Frühpension?

Der Inspektor wäre nicht der erste 42-jährige Kraftlackel, dem dieses Privileg zuteilwird. Auch zwei jener vier Beamten, die im Jahr 2006 Bakary J. folterten, sollten in die Frühpension geschickt werden, weil sie die Polizei nicht mehr in Uniform sehen wollte. Schließlich wurden sie doch noch entlassen.“

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1)    Seit wann wissen Sie von den geschilderten Vorfällen in der Justizanstalt Josefstadt?

2)    Wurden Untersuchungen zu dem Vorfall eingeleitet?

3)    Wenn nein, warum nicht?

4)    Wenn ja, zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?


5)    Wurde insbesondere überprüft, ob auch andere Beamte an den Vorfällen beteiligt waren, beziehungsweise wer in der Justizwache von den Vorfällen gewusst hat?

6)    Wurden in der Sache strafbehördliche Ermittlungen eingeleitet?

7)    Konnten von Ihrer Seite disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet werden?

8)    Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, um solche Vorfälle zukünftig bestmöglich hintanhalten zu können?

9)    Halten Sie es angesichts der Häufung von Meldungen über rassistische oder fremdenfeindliche Übergriffe und Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfe in Justizanstalten insbesondere für angebracht, Maßnahmen zur Stärkung der Zivilcourage unter der Justizwachebelegschaft zu forcieren?

10) Wenn nein, warum nicht?

11) Wenn ja, welche Maßnahmen sollen ergriffen werden?