171/J XXV. GP

Eingelangt am 03.12.2013
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Anfrage

der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Alev Korun, Freundinnen und Freunde an den/die Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten

betreffend Kritischer Dialog mit „Dialogpartner“ Saudi Arabien

BEGRÜNDUNG

 

Saudi-Arabien ist das einzige Land weltweit in dem Frauen verboten wird ein Auto selbst zu steuern. Am 26. Oktober 2011 starteten Aktivistinnen in Saudi-Arabien die „Women2Drive“ Kampagne, um gegen das den Grund- und Menschenrechten widersprechende Autofahrverbot für Frauen zu protestieren. Mit großem Mut widersetzten sich Frauen dem Verbot, unterstützt von einigen Männern, filmten ihre Autofahrt und verbreiteten die Videos über das Internet. Mit dem Aufruf und mit der Autofahrt demonstrierten sie gegen das „religiös“ begründete, Frauen diskriminierende Verbot.
Im Oktober 2013 wurde zu einer weiteren Demonstration gegen das Autofahrverbot aufgerufen.
Der Aktionstag wurde für den Samstag, 26.10.2013 festgesetzt. Schon im Vorfeld kam es zur Androhung von empfindlichen Strafen von Seiten der Behörden. „Der Sprecher des Innenministeriums, Mansur al-Turki, sagte in der Freitagausgabe der Zeitung "Al-Hayat", dass auch jeder Bürger, der Frauen über soziale Netzwerke wie "Twitter" dazu auffordere, gegen das Verbot zu demonstrieren oder sich ans Steuer zu setzen, mit einer Bestrafung rechnen müsse“, berichtet die APA am 25.10.2013.

Laut Zeitungsberichten wurden 14 Frauen für die Tatsache, dass sie sich hinter das Steuer eines Autos gesetzt hatten, vorübergehend festgenommen. So berichtet die APA am Sonntag, 27.10.2013: „Die saudi-arabischen Behörden haben 14 Frauen festgenommen, die im islamischen Königreich verbotenerweise ein Fahrzeug gesteuert haben. Die Frauen waren am Samstag einem Aufruf der Kampagne "Women2Drive" gefolgt, um gegen das in Saudi-Arabien geltende Fahrverbot für Frauen mobil zu machen. Demnach sollten sich möglichst viele Frauen demonstrativ ans Steuer setzen, um dem Verbot zu trotzen. Die Festnahmen erfolgten in Riad, Jeddah, Mekka und in der Ost-Provinz, berichtete die Zeitung "Al-Madina" am Sonntag.“

Gemäß den Angaben der Menschenrechts-NGO „Human Rights Watch“ wurde am Nachmittag des 27.Oktober 2013 auch der Lehrer und nebenberufliche Journalist Tariq al-Mubarak von den saudischen Behörden vorgeladen und inhaftiert, weil er sich in seinen Kolumnen für die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen einsetzte. Tariq al-Mubarak soll nun ohne rechtlichen Beistand und ohne Kontakt zu seinen Verwandten hinter Gitter sitzen, weil er seine freie Meinung äußerte.

Nahezu jegliche Kritik an der Regierung wird unter dem Vorwand der Verletzung islamischer Werte verfolgt. So wurde der Blogger und Gründer eines liberalen Internetforums, Raif Badawi, im Juni 2012 verhaftet und Ende Juli 2013 zu sieben Jahren Haft und 600 Peitschenhieben verurteilt, weil er „religiöse Werte angegriffen“ hätte. Er hatte Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet .[1] Laut Amnesty International Report 2013 haben die Behörden 2012 die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit empfindlich eingeschränkt. Frauen leiden unter starker Diskriminierung und Gewalt sowohl aufgrund von Gesetzen als auch im täglichen Leben. Ebenso ist die massive Diskriminierung der zahlreichen ArbeitsmigrantInnen im Land ein bekannter Brennpunkt.

Obwohl sich in den letzten Jahren Zeichen einer marginalen Veränderung andeuteten, zum Beispiel dadurch, dass der absolutistische König und Premierminister von Saudi-Arabien, König Abdullah ibn Abd al-Aziz Al Saʿud, eine 20-prozentige Frauenquote im 150-köpfigen beratenden Shura-Rat festlegte, reichen die Verletzungen von Menschen-, Frauen- und Kinderrechten von der völligen Beschränkung bzw. Aussetzung der Meinungs- und Religionsfreiheit, über  Zwangsverheiratungen minderjähriger Mädchen, grausame und erniedrigende Behandlung von Gefangenen (Auspeitschen, Amputationen) bis hin zur Todesstrafe durch Enthauptung mit dem Schwert für Delikte wie Ehebruch, Gotteslästerung oder Hexerei. Die halbstaatliche Nationale Gesellschaft für Menschenrechte fordert in ihrem 3. Bericht die Regierung nachdrücklich auf, diese Praxis zu beenden und die Kontrollfunktion des beratenden Shura-Rats zu stärken. Außerdem solle sie dafür sorgen, dass die Strafverfolgungsbehörden die Strafprozessordnung korrekt anwenden und diejenigen zu Rechenschaft ziehen, die sich nicht daran halten.[2]

Vor einem Jahr eröffnete in Wien das „König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“. Dass Saudi-Arabien den interreligiösen Dialog hier in Wien führen möchte, während im Land selbst von Religionsfreiheit nicht zu sprechen ist, legt den Verdacht nahe, dass es hier in Wien als Feigenblatt platziert wurde. Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit existiert in Saudi-Arabien weiterhin nicht. Jede/r Staatsbürger/in Saudi-Arabiens muss muslimischen Glaubens sein, Christinnen und Christen ist die Ausübung ihres Glaubens verboten, Jüdinnen und Juden wird die Einreise verweigert. Der schiitische Glaube ist in Saudi-Arabien in Minderheit, deren Angehörige laut Amnesty International Bericht 2013 stark diskriminiert werden[3].

Auch wenn die gesellschaftlichen und religiösen Verhältnisse in Saudi-Arabien komplex sein mögen, dürfen die anhaltenden massiven Verletzungen der Menschen-, Frauen- und Kinderrechte in Saudi-Arabien nicht durch wirtschaftspolitische Motive in den Hintergrund gedrängt werden. Österreich hat im internationalen Kontext als neutrales Land eine besonders geeignete und daher verantwortungsvolle Rolle und kann als Brückenbauer auftreten. Österreich könnte damit die Umsetzung der Menschen-, Frauen- und Kinderrechte maßgeblich mit unterstützen.

Ein Jahr nach der Gründung des „Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ ist es nun an der Zeit die Arbeit, die Ergebnisse und Fortschritte im Namen der Menschenrechte und im Namen des interreligiösen Dialogs zu evaluieren und den Ergebnissen der religiösen und wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs mit dem „Dialogpartner“ Saudi-Arabien nachzugehen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    In der Anfrage-Beantwortung (XXIV.GP.-NR 12882/AB) führen Sie aus, dass Saudi-Arabien der wichtigste Handelspartner Österreichs im Nahen Osten ist. Welche konkreten Zahlen liegen über die Handelsbeziehungen aus den letzten fünf Jahren vor?

2)    Welche österreichischen Firmen sind in Saudi-Arabien seit wann und in welchem Ausmaß aktiv?

3)    Welche österreichischen Firmen sind derzeit die größten Exporteure nach Saudi-Arabien? Gibt es Vereinigungen in Österreich, die sich mit dem Aufbau von Handelsbeziehungen zwischen Österreich und Saudi-Arabien eingehender befassen? Falls ja, welche?

4)    Gibt es von Seiten der Bundesregierung Wirtschaftsförderungen bzw. Exportkreditförderungen für in Saudi-Arabien aktive österreichische Firmen? 

5)    Inwiefern wird bei Vergabe dieser Förderungen die Einhaltung menschenrechtlicher Kriterien überprüft?

6)    Wie beurteilen Sie die gegenwärtige menschen-, frauen- und kinderrechtliche Situation in Saudi-Arabien?

7)    In welchen innerstaatlichen Gremien bzw. internationalen Organisationen werden menschenrechtliche Verstöße in Saudi-Arabien besprochen und diskutiert?

8)    In welcher Form, wie häufig und in welchem Umfang wird der Dialog zwischen dem „König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ und der Regierung abgehalten?

9)    Wie viele diplomatische Kontakte zwischen VertreterInnen des Bmeia und Saudi Arabiens gab es seit Eröffnung des Zentrums und was war der Inhalt des Dialoges?

In der Anfrage-Beantwortung (XXIV.GP.-NR 12882/AB) führen Sie aus, dass „das „König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ Programme zur Erhöhung der religiösen Toleranz und des besseren Verständnisses durch[führt]. Diese befassen sich vor allem mit Fortbildung und Begegnung für junge Menschen sowie mit Publikationen in den Bereichen religiöser Dialog und interkulturelles Verständnis“. Gegenwärtig ist die Religionsausübung sowohl für Schiiten als auch für Christen in Saudi-Arabien massiv eingeschränkt. Juden und Jüdinnen ist die Einreise ins Land insgesamt untersagt. Welche Informationen liegen Ihnen über die vom KAICID durchgeführten Programme vor?

a.    Spielt die Frage der Religionsfreiheit in diesen Programmen explizit eine Rolle? Wenn ja, welche?

10) Welche Form der Evaluierung der Programme sieht das KAICID vor bzw. welche Form der Evaluierung erscheint der österreichischen Bundesregierung als adäquat?

11) Wie viele Posten sind derzeit im König Abdullah Zentrum besetzt?

a.    Wie viele dieser Posten entfallen auf ÖsterreicherInnen?

b.    Wie viele dieser Posten entfallen auf Frauen?

c.    Und wie viele dieser Posten fallen MitarbeiterInnen (ehemalige und aktuelle) eines österreichischen Ministeriums zu und wie viele der Posten fallen (Ex-)Funktionären der ÖVP, SPÖ oder einer anderen österreichischen Partei zu?

 

12) Wer bezahlt die Gehälter der Bediensteten und gibt es eine transparente Aufschlüsselung der Spenden an das Zentrum? Wenn ja, mit Bitte um Beilegung. Wenn nein, wieso nicht?

13) Ist die stellvertretende Generalsekretärin Mag. Bandion-Ortner weiterhin vom österreichischen Justizministerium dem Zentrum dienstzugeteilt und somit bezahlt? Wenn ja, wie lange und mit welcher Begründung?

14) Wie setzt sich der Beirat („the advisory forum“) zusammen? Bitte um eine Auflistung nach Nationalität, Glaubensrichtung und Geschlecht. Gibt es einen finanziellen Beitrag Österreichs, der direkt oder über eine Stiftung dem Zentrum zugeht? Wenn ja, in welcher Höhe? Wenn nein, wird es einen finanziellen Beitrag von Seiten Österreichs im Jahr 2014 geben?

15) Welche Initiativen setzt Österreich in Bezug auf den menschenrechtlichen Dialog mit Saudi-Arabien auf europäischer Ebene?

16) Gibt es Empfehlungen der Vertragspartner des KAICID an Saudi-Arabien betreffend Religionsfreiheit, bzw. betreffend jedwede Wahrung aller Menschen-, Frauen- und Kinderrechte?

a.    Wenn ja, wie sehen diese aus, unter besonderer Berücksichtigung der Empfehlungen von Seiten Österreichs.

b.    Wenn nein, wieso gibt es keine und welche Schwerpunkte im Dialog werden von Seiten Österreichs gesetzt, mit welchem Ziel und welchem Erfolg?

17) Wie beurteilen Sie die ständig vorhandene Diskriminierung von Frauen in Saudi-Arabien?

18) Welche Dialogpartner/innen hat Österreich im Zusammenhang mit diesen gravierenden Verletzungen? Welche Empfehlungen Österreichs an Saudi Arabien gibt es, Gewalt an Frauen und Kinder zu bekämpfen? Unterstützt Österreich Fraueninitiativen, Beratungsstellen und Frauenhäuser in Saudi-Arabien? Wenn ja, in welchem Ausmaß und wo in Saudi Arabien befinden sich diese? Wenn nein, wieso nicht?

19) Medienberichten nach wurden 14 Frauen, die sich an der Kampagne „Women2Drive“ beteiligten, verhaftet und bestraft. Liegen Ihnen konkrete Informationen über das Strafausmaß vor? Wenn ja, welche? Wenn nein, wieso nicht? Wurde diese Materie in entsprechenden Gremien auf europäischer Ebene behandelt? Wenn ja, mit welchem Inhalt und welchen Empfehlungen?[4]

20) Gab es in diesem Zusammenhang 2011 von Seiten des österreichischen Außenministeriums Kritik am geschilderten Vorgehen der saudi-arabischen Behörden? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?

21) In zwei konkreten Fällen gibt es die Kenntnis, dass Menschen als politische Gefangene inhaftiert sind, da Sie sich auf der Grundlage des Rechtes auf freie Meinungsäußerung für eine Gleichstellung der Frauen oder für eine Gleichheit der Religionen bzw. die Religionsfreiheit einsetzten. Die Namen sind Tariq al-Mubarak und Raif Badawi und. Was ist die Position hinsichtlich der von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch beschriebenen Menschenrechtsverletzungen in den Fällen Al-Mubara, und Badawi?

a.    Wurden von Ihnen im Rahmen des Dialogs die genannten Personen gegenüber Saudi-Arabien erwähnt oder gegen die Hintergründe der Verhaftungen und die Umstände der Haft protestiert? Wenn ja, wie, in welcher Form und mit welchem Erfolg?

b.    Wurden die Organisationen Amnesty International und/oder Human Rights Watch eingeladen am Dialog im „König Abdullah Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog“ teilzuhaben?

c.    Inwiefern hat Österreich hier die Möglichkeit als Brückenbauer zwischen NGOs und dem KAICID aufzutreten wahrgenommen? Wenn ja, mit welchem Erfolg? Wenn nein, wieso wurden die maßgeblichen Menschenrechtsorganisationen bis dato nicht eingeladen?

 



[1] Vgl. Spiegelonline vom 31.7.2013, http://www.spiegel.de/politik/ausland/raif-badawi-wurde-in-saudi-arabien-zu-600-peitschenhieben-verurteilt-a-914041.html, zuletzt abgerufen am 4.11.2013

[2] Amnesty International Report 2013 – Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, Seite 352ff

[3] Amnesty International Report 2013 – Zur weltweiten Lage der Menschenrechte, Seite 354f

[4] Verweis auf Geschehnisse aus dem Jahr 2011: „Ein saudi-arabisches Gericht hat eine Frau wegen Autofahrens zu zehn Peitschenhieben verurteilt. Das berichtete "Spiegel Online" unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AP und den britischen Sender BBC. Demnach teilten die Aktivistin Samar Badaw und die Aktivistinnen-Gruppe „Women2Drive“ mit, Shaima Ghassaniya sei am Dienstag für schuldig befunden worden, ohne Erlaubnis der Regierung am Steuer gesessen zu haben“, berichtete die APA am 28.11.2011