176/J XXV. GP

Eingelangt am 03.12.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Pilz, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Geheimnisverrat bei der Wiener Polizei

BEGRÜNDUNG

 

In den vergangenen Wochen hat der Fall eines Wiener Polizisten Aufsehen erregt, der eine Anweisung, wonach monatlich zumindest sieben Verkehrsstrafanzeigen von jedem Polizisten erbracht werden müssten, an eine Tageszeitung weitergegeben haben soll.

Zuletzt wurde bekannt, dass der Beamte ausgeforscht wurde, indem die Videoüberwachungsaufzeichnungen jenes Postamtes, von dem aus das Dokument an die Zeitung gefaxt wurde, ausgewertet wurden. Gegen ihn wurde ein Verfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses eingeleitet und er wurde vom Dienst suspendiert. Seitens des Wiener Polizeipräsidenten erging ein Schreiben an alle Exekutivbediensteten in Wien, wonach er „ganz entschieden gegen solche ‚schwarze Schafe‘ vorgehen werde, die durch Geheimnisverrat Dritten und der Wiener Polizei Schaden“ brächten. 

Bemerkenswert an diesem Fall ist zunächst die Schärfe, mit der hier gegen einen Polizeibeamten seitens der Führung vorgegangen wurde. Während in einigen Fällen von mutmaßlicher exzessiver Polizeigewalt und damit schweren Grundrechtsverletzungen von BürgerInnen das Polizeipräsidium sich demonstrativ hinter die beschuldigten Exekutivkräfte gestellt hat, wurde hier rasch und gezielt ermittelt, ein Strafverfahren eingeleitet und die Suspendierung ausgesprochen. Ohne das Delikt der Verletzung des Amtsgeheimnisses bagatellisieren zu wollen, ist doch festzuhalten, dass hier lediglich vergleichsweise „harmlose Interna“ hinsichtlich einer – sehr geringen – „Quote“ anzustrebender Verkehrsstrafen an die Öffentlichkeit gelangten, und nicht etwa persönliche Daten von BürgerInnen. In anderen bekannten Fällen der Vergangenheit gab es weit schwerwiegendere Verletzungen des Datenschutzes, indem etwa auf Anweisung des Ministerkabinetts illegale Abfragen im EKIS erfolgten und die Informationen daraus im Fernsehen veröffentlicht wurden, ohne  dass eine vergleichbare, scharfe Reaktion erfolgte.  Es ist der Eindruck nicht zu verleugnen, dass hier mit zweierlei Maß gewesen wird, wobei die Eigeninteressen des Polizeiapparates über jene der BürgerInnen gestellt werden.

Bedenklich ist aber auch der Vorgang der Beschaffung der Videoaufnahmen aus der Postfiliale. Gem. § 50b Abs 2 DSG sind Aufnahmen aus einer Videoüberwachung, sofern sie nicht aufgrund eines konkreten Vorfalls länger zu speichern sind, spätestens nach 72 Stunden zu löschen. Für die Post kann vor der Anfrage durch die Ermittlungsbeamten hier kein besonderer Vorfall erkennbar gewesen sein. Bedenkt man, dass der erste Bericht zur „Strafmandatsquote“ am 3. Oktober 2013 erschien, aber erst Mitte bis Ende November die Suspendierung verfügt und bekannt wurde, stellt sich die Frage, weshalb so lange nach dem Vorfall die Aufnahmen noch vorhanden waren.

Die strengen Löschungsverpflichtungen im Datenschutzgesetz sind aus grundrechtlicher Sicht dringend geboten. Es liegt ein bekanntes Problem im SPG und der StPO darin, dass die Polizei Videoaufzeichnungen Privater unter deutlich geringeren gesetzlichen Auflagen beschaffen darf, als es ihr etwa gestattet wäre, selbst Überwachungen durchzuführen. Die immer mehr um sich greifenden privaten Kameras drohen daher die strengen gesetzlichen Beschränkungen zu unterlaufen. Umso gravierender ist es, wenn durch gesetzwidrige, überlange Aufbewahrung der Aufzeichnungen diese Umgehungsmöglichkeit zusätzlich erleichtert wird und damit eine Art gesetzloser  „Vorratsdatenspeicherung für Videokameras“ entsteht.

Schließlich ist zu bemerken, dass zur Bekämpfung von Missständen in einer großen Organisation wie der Sicherheitsexekutive die Einrichtung von Meldestellen zweckmäßig ist. Um persönliche Nachteile zu vermeiden müssen derartige Meldungen anonym möglich sein. Die seitens des Justizministeriums eingerichtete „Whistleblower-Hotline“ betrifft lediglich Fälle, in denen strafbares Verhalten gesetzt wurde, und wäre für organisatorische Missstände wie im vorliegenden Fall nicht geeignet. Im Bereich des Innenressorts besteht hier offenbar ein Bedarf an einer vergleichbaren Gelegenheit für BeamtInnen aber auch für BürgerInnen, anonym derartige Meldungen erstatten zu können.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Welche Arten von Informationen wurden in diesem Fall konkret an die Medien übermittelt?

2)    Sind durch diese Übermittlung die Rechte Dritter verletzt worden, oder handelte es sich ausschließlich um polizeiinterne Informationen?

3)    Handelte es sich bei diesen Informationen um ein „Geheimnis“ iSd § 310 StGB?

4)    Welches öffentliche oder private Interesse wurde durch Veröffentlichung verletzt?

5)    Weshalb wurde in diesem Fall eine derart harte Vorgehensweise seitens der Landespolizeidirektion Wien gewählt, während in Fällen, bei denen BürgerInnen durch Polizeiaktionen zu Schaden kommen, zunächst regelmäßig eine abwehrende und beschwichtigende Haltung an den Tag gelegt wird?

6)    Können Sie ausschließen, dass die Eigeninteressen des Polizeiapparates bei der Verfolgung von Fehlverhalten von ExekutivbeamtInnen höher gewichtet werden, als Verletzungen von Menschenrechten der BürgerInnen?

7)    An welchem Tag wurde die Übermittlung des Dokuments den Ermittlungsbehörden bekannt?

8)    An welchem Tag wurde die Postfiliale, aus welcher die Übermittlung des fraglichen Dokuments erfolgt sein soll, den Ermittlungsbehörden bekannt?

9)    An welchem Tag und zu welcher Uhrzeit wurde die Post erstmals bezüglich einer Auswertung der Videoaufnahmen zum Zeitpunkt der Absendung kontaktiert?

10) An welchem Tag und zu welcher Uhrzeit wurde seitens der ermittelnden ExekutivbeamtInnen erstmals bei der Staatsanwaltschaft die Erlassung einer Anordnung bezüglich der Sicherstellung dieser Videoaufnahmen angeregt?

11) An welchem Tag und zu welcher Uhrzeit wurden die ermittelnden ExekutivbeamtInnen über die Erlassung dieser Anordnung durch die Staatsanwaltschaft informiert?

12) Erfolgte die Sicherstellung dieser Videoaufnahmen somit später als 72 Stunden nach dem überwachten Vorgang?

13) Falls ja: in welcher Weise wurde dieser Umstand und damit der Verstoß gegen § 50b Abs 2 DSG im Akt berücksichtigt?

14) Durch welche Maßnahmen stellen Sie sicher, dass der sehr weitreichend zulässige Zugriff auf private Videoaufzeichnungen durch die Polizei nicht unverhältnismäßig oft und leicht angewandt wird?

15) Besteht im Bereich des Innenministeriums eine Gelegenheit, anonym Missstände und Fehlverhalten im Bereich der Sicherheitsbehörden und der Sicherheitsexekutive zu melden?

16) Falls nein: wieso nicht?