195/J XXV. GP

Eingelangt am 04.12.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Steinbichler,

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend „Almenchaos und Verantwortung der Agrarförderverwaltung von BMLFUW, AMA und Landwirtschaftskammer

 

 

Seit mittlerweile vier Jahren hagelt es für Österreichs Almbauern massive Fördergeld-Rückforderungs- und -Strafbescheide – teils in existenzbedrohender Höhe – durch die Agrarmarkt Austria (AMA). Hintergrund dafür ist die Tatsache, dass die EU-Kommission durch mehrere Vor-Ort-Kontrollbesuche in Österreich feststellen musste, dass das von Österreich gewählte Flächenerfassungs- und Flächenkontrollsystem massive Lücken aufweist und die zur Förderung von den Landwirtschaftskammern auf Werksvertragsbasis für das BMLFUW festgestellten Flächenausmaß in vielen Fällen – vorgeblich – zu hoch (gewesen) waren/sind und das BMLFUW via AMA die Flächen amtlich nachmessen und Strafen verhängen ließ.

Trotz mehrmaligem Versprechen Österreichs gegenüber der EU-Kommission – in diesem Fall durch das dafür zuständige Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und Umwelt (BMLFUW) bzw. durch dessen politischen Amtswalter – endlich für entsprechende Adaption in der Verwaltung und somit für Rechtssicherheit zu sorgen, passierte offenbar  wenig. Mehr noch: letztlich stellte Brüssel dem Vernehmen nach 2012 Österreich vor die Wahl, entweder sofort für die nationale EU-rechtskonforme Umsetzung der einschlägigen Verordnungen und Vorgaben der EU zu sorgen oder die EU-Almgelder würden gesperrt werden.

Das Ergebnis ist bekannt: Ab dem 15.12.2012 machte die AMA für ganz Österreich den Flächenabgleich und die sogenannte Referenzflächenerfassung für das Jahr 2013. Doch dabei kam es erneut zu vielen Flächenabweichungen samt darauf folgenden Fördergeldrückforderungen und Strafbescheiden.

Es kam zu vielen Protesten der betroffenen Landwirte, auch gründete sich eine Betroffenen-Plattform Namens www.almfutterflaechen.at. Erstmals demonstrierten die Bauern, aufgefordert von regionalen Bauernbund-Funktionären, gegen den eigenen Bauernbund-Minister Berlakovich. Dieser gründete hierauf die SOKO Alm, welche Lösungsvorschläge machen sollte, aber in Wahrheit nur die Bauern weiter vertrösten sollte.

Die mehrfach erfolgten politischen „Almgipfel-Gespräche“ des Herrn Bundesminister mit der AMA, den Agrarlandesräten und den Landwirtschaftskammer-Vertretern samt der danach immer medial bekundeten „Lösung“ der Problematik sind damit konterkariert worden. Zudem wurden die Almbauern von Wien lange Zeit in die Nähe von Betrügern gestellt.

Erst seit dem Karl/Müller-Rechtsgutachten, wonach den Landwirten in dieser Causa wenig vorzuwerfen wäre, da diese vollständig abhängig von der exklusiven Digitalisierung und den hoheitlichen Feststellungen der Landwirtschaftskammer sind, scheint das BMLFUW die Tragweite ihres jahrelangen Versagens erkannt zu haben. Doch auch die knapp vor der Nationalratswahl 2013 verkündete Weisung, wonach jenen Landwirten, die mit besten Wissen und Gewissen ihre Anträge ausgefüllt haben, zu helfen wäre, entpuppt sich als primitives und leeres (Wahl)Versprechen des Landwirtschaftsministers.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende

 

 

Anfrage:

  1. Welche Maßnahmen und wann haben Sie diese bzw. das BMLFUW als Fördervertragspartner der EU-Kommission in den letzten fünf Jahren gesetzt, um das „Almenchaos“ in den Griff zu bekommen?
  2. Welche Zusagen haben Sie bzw. Ihr Amtsvorgänger im BMLFUW und wann mit welchem Inhalt in der „Almencausa“ gegenüber der EU gemacht?
  3. Wie sehen Sie bzw. das BMLFUW die Erkenntnisse und Schlussfolgerungen im KAHL/MÜLLER-Rechtsgutachten?
  4. Sehen Sie aufgrund des KAHL/MÜLLER-Rechtsgutachtens Handlungsbedarf für das BMLFUW zur weiteren Schadensminimierung für Bauern und Steuerzahler?
    1. Wenn ja, welche Schritte werden Sie unternehmen bzw. welche Maßnahmen setzen?
    2. Wenn nein, welche Überlegungen und Fakten veranlassen Sie dazu?
  5. Wann und mit welchem Ergebnis bzw. mit welchen Konsequenzen hat das BMLFUW die von ihr exklusiv beauftragten Landwirtschaftskammern auf Einhaltung der sogenannten INVEKOS- und Beratungsverträge überprüft? (Bitte um genaue Auflistung nach Bundesländern, Inhalt der Prüfung, Ergebnissen und entsprechenden Veranlassungen/Korrekturanweisungen/u.Ä.)
  6. Bestehen Haftungen für die gegen Entgelt exklusiv beauftragten Landwirtschaftskammern betreffend der fehlerhaften Digitalisierung bzw. fehlerhaften Feststellungen der Almfutterflächen gegenüber dem BMLFUW und gegenüber dem einzelnen Landwirt/formalen Förderwerber, der für die Beratung und Arbeit der Kammer noch extra bezahlen musste?
    1. Wenn ja, welcher Art sind diese Haftung, wann werden sie schlagend und welche Konsequenzen sind daraus zu erwarten?
    2. Wenn nein, wie begründen Sie bzw. Ihr Ressort die Nichtvereinbarung von Haftungen?
  7. Welche Haftungen trifft das BMLFUW aufgrund der falschen/fehlerhaften Almfutterflächen-Digitalisierungen, welche exklusiv und gegen Bezahlung an die Landwirtschaftskammern ausgegliedert worden sind?
  8. Aus welchen Gründen hat das BMLFUW angesichts der dauernden Fehler der digitalisierenden Kammern nicht entsprechende Konsequenzen gezogen, die Verträge allenfalls gekündigt?
  9. Wie hoch ist die Entlohnung der Kammern im INVEKOS-Vertrag bzw. beim Beratungsvertrag Seitens des BMLFUW? (Bitte um genaue Auflistung nach Vertrag und Bundesländer-Kammern bzw. allenfalls auch der LKÖ und jeweils nach Jahren)
  10. Gibt es außerhalb dieser beiden Verträge sonstige vertragliche Förderungen, Entlohnungen, etc. der Landes-Landwirtschaftskammern durch das BMLFUW? Wenn ja, unter welchem Titel und in welcher Höhe? (Bitte um Auflistung nach Bundesländern, jeweiligen Titeln und Höhen für die letzten fünf Jahre)
  11. Sind in diesen beiden Verträgen Vertragsstrafen für die Landwirtschaftskammern
    1. vorgesehen und wenn ja, in welcher Höhe und wurden diese je verhängt?
    2. Falls nicht, warum nicht?
  12. Wurden diese beiden Verträge jemals ausgeschrieben? Wenn ja wann, wenn nein warum nicht?
  13. Auf welcher Rechtsbasis und bis wann wurden diese beiden Verträge mit den Kammern für das GAP-Übergangsjahr 2014 mit diesen verlängert?
  14. Wird es für die Jahre 2015 bis 2020 eine öffentliche Ausschreibung bei diesen beiden Verträgen geben? Wenn ja wann, wenn nein warum nicht?
  15. Wie viele Fälle an rechtskräftigen bzw. in Berufung befindlichen Fördergeldrückforderungen gibt es bei den Almen mit Stichtag 01.12.2013? (Anm.: bitte um genaue Auflistung nach Bundesländern, Anzahl der Fälle mit/ohne Sanktion, Rückforderungsgesamthöhen nach Bundesländern, Sanktionsanzahl und Sanktionsgesamtbeträge nach Bundesländern?
  16. Warum sorgen Sie gemäß Ihres Versprechens, dass den unschuldig zum Handkuss gekommenen Almbauern amtlich zu helfen wäre, nicht dafür, dass es eine amtliche Neuaufrollung der (Alt)Fälle durch die AMA gibt?
  17. Ist aus Ihrer Sicht bzw. aus Sicht Ihres Ressorts die amtliche Neuaufrollung angesichts der hoheitlichen Schadensminimierungspflicht wegen drohender Amtshaftungen erforderlich?
    1. Wenn ja, welche Maßnahmen werden Sie einleiten?
    2. Wenn nein, welche Überlegungen bzw. Fakten veranlassen Sie zu dieser Sichtweise?
  18. Wird das BMLFUW angesichts des jahrelangen Organisations-, Informations- und Kontrollversagens des BMLFUW die durch die AMA-Rückforderungs- und AMA-Strafbescheide entstandenen Vermögensschäden abgelten und die normunterworfenen, unschuldig zum Handkuss gekommenen Almbauern gebührend entschädigen?
    1. Wenn ja, welcher Art wird die Entschädigung sein und wann wird Sie erfolgen?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  19. Hat das BMLFUW Budgetrücklagen für bereits angekündigte Haftungsprozesse gebildet?
    1. Wenn ja, in welcher Höhe und unter welchem Titel?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  20. Wie schauen die bisherigen (Nicht)Ergebnisse der von Ihnen eingesetzten SOKO Alm aktuell aus?
  21. Wie hoch waren/sind die bisherigen Kosten der SOKO Alm mit Stichtag 01.12.2013 und mit welchen Kosten sind hier noch bis 31.12.2014 zu rechnen?

22.  Wie lauten Ihre aktuellen Vorschläge an die EU für eine künftige einfachere, administrierbare, nachvollziehbare und kontrollierbare GAP-Förderverwaltungspraxis für die Zeit ab 01.01.2014 bzw. 01.01.2015?

  1. Mit wie vielen Rückforderungsfällen aufgrund von Flächenabweichungen bzw. Flächenabgleichen muss 2014 und in den Folgejahren aus heutiger Sicht gerechnet werden?