245/J XXV. GP

Eingelangt am 17.12.2013
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Anfrage

der Abgeordneten Ing. Lugar, Dr. Lintl

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend „PISA 2012“

Im Frühjahr 2012 fand die zweite Kompetenzerhebung innerhalb des zweiten neunjährigen PISA-Testzyklus statt. Die Erhebung erfolgte unter österreichischen Schüler/innen des Jahrgangs 1996 mit dem Schwerpunkt Mathematikkompetenz. Laut nationalem Organisator BIFIE wurde eine Zufallsstichprobe von rund 5.000 Schüler/innen aus 191 Schulen aller Schulsparten gezogen. Pro Schule wurden maximal 35 Schüler/innen ausgewählt. An PISA 2012 beteiligten sich insgesamt 65 Staaten, darunter alle 34 OECD-Länder. Das BIFIE konstatierte in seiner Presseaussendung vom 03.12.2013 den Testergebnissen „in Mathematik eine Trendumkehr auf das Leistungsniveau von PISA 2003“ und „gegenüber PISA 2009 in allen Domänen ein deutlicher Aufwärtstrend“ Bei der Präsentation der Ergebnisse durch die Unterrichtsministerin streute der per Video-Konferenz zugeschaltete, stellvertretende OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher Unterrichtsministerin Schmied Rosen, beglückwünschte Österreich zum guten Abschneiden und bezeichnete Sprachförderung, Bildungsstandards, kleinere Klassen und die Neuen Mittelschule als Regelschule in Österreich als beeindruckendes Reformwerk.

"Diese Schulreformen stehen im Einklang mit jenen, die es auch in den leistungsfähigsten Bildungssystemen gibt." Er sei daher zuversichtlich, dass sich Österreichs Trendwende auch in Zukunft fortsetzen wird. Schleicher unterstrich außerdem, dass die von Ministerin Schmied etablierte Neue Mittelschule auch in jenen Bildungssystemen Regelschule ist, die zu den besten gehören.“ (OTS01 Di, 03.Dez 2013)

Der Rückschluss, dass die verbesserten PISA-Testergebnisse von 2012 auf einer erfolgreichen Schulreform fußen, ist jedoch nicht zulässig. Vielmehr entpuppt sich die von Andreas Schleicher so hochgelobte Neue Mittelschule als veritabler Rohrkrepierer. Ein zur Neuen Mittelschule verfasster Rechnungshofbericht, der dem Magazin Profil als Rohbericht vorliegt, stellt der Schmiedschen Neudefinition der Gesamtschule ein denkbar schlechtes Zeugnis aus bzw. konstatiert glatten Gesetzesbruch:

„Entgegen der gesetzlichen Vorgabe zur verpflichtenden wissenschaftlichen Begleitung und Evaluierung der NMS-Modellversuche kam es zur flächendeckenden Einführung der NMS an Hauptschulen vor Vorliegen der Evaluationsergebnisse. Eine zentrale Entscheidungsgrundlage für diese wichtige bildungspolitische Maßnahme mit weitreichenden finanziellen Auswirkungen lag nicht vor.“[1]

Darüber hinaus hält der Rechnungshofbericht laut Profil fest, dass einiges an Steuergeld wieder einmal für PR-Agenturen ausgegeben wurde, die sich im Dunstkreis der SPÖ befinden.

„(…) für nicht in der Ausschreibung und im Vertrag vorgesehene laufenden Beratungsleistungen eine Pauschale von 6000 Euro monatlich. Detaillierte Stunden- und Leistungsnachweise lagen nicht vor. Insgesamt verrechnete die PR-Agentur im Vertragszeitraum rund 1,27 Millionen Euro.“[2]

Dass der Chef der o.a. Agentur, Dietmar Ecker, als ehemaliges „Zentralorgan“ der Sozialistischen Jugend, ehemaliger Pressesprecher von EX-SPÖ-Finanzminister Lacina und ehemaliger Kommunikationschef von EX-SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Brigitte Ederer ein besonderes Händchen für die Anliegen der SPÖ in puncto Gesamtschule hat, liegt klar auf der Hand. Die Art der Leistungsverrechnung entspricht der anscheinend üblichen Vorgehensweise jeweiliger regierungsnaher begünstigter Werbeagenturen.

Um diesmal einen Erfolg bei PISA einzufahren wurde Einiges aufgeboten. U.A. wurde der bekannte Mathematiker, Univ. Professor, Buchautor und Mitbetreiber des math.space, Dr. Rudolf Taschner, als Partner des BMUKK und des BMF mit der Vorbereitung der Lehrer/innen auf PISA 2012 beauftragt. So ist ein Leitfaden für Lehrer/innen, verfasst von einer Arbeitsgruppe des BMUKK auf der Website von math.space abrufbar: http://math.space.or.at/pisa/APpisaInfo.pdf, jedoch nicht auf der Website des BMUKK.

Aus der Unterlage geht hervor, dass für PISA 2012 systematisch geübt werden sollte und das nicht zu knapp. Mit dem Leitfaden Kompetenz in Mathematik-Bildungsstandards, Reifeprüfung, Unterrichtsprojekte und PISA-2012[3] gaben die österreichischen PISA-Adepten die Linie vor:

„Bei europäischen und internationalen Berufswettbewerben gibt es offizielle Trainings- und Vorbereitungsphasen – ein Modell, das für die PISA Testungen nicht geläufig ist, in vielen Ländern aber angewandt wird. Dabei geht es natürlich nicht darum, die Testkohorten vorzubereiten (abgesehen davon, dass die Auswahl der Probanden per Zufall erfolgt), sondern einen positiv besetzten Mathematikunterricht zu pflegen und internationale Testformate den Schüler/innen in Österreichnäher zu bringen.“[4]

Mit vier Punkten wurde das Ziel für PISA-2012 klar umrissen:

1) Internationalen Testformate in Mathematik müssen im laufenden Regelunterricht, besonders in der 8. und 9. Schulstufe, bekanntgemacht werden;

2) Es geht darum, die Prüfungskultur und Art der Aufgabenstellungen kennen zu lernen, die bei „internationalen Assessments“ wie PISA verwendet werden.

3) Es geht um ein Klima der Ernsthaftigkeit und Leistungsfreude, das bei der Bewältigung von internationalen Testungen unterstützend wirkt!

4) Es geht aber offensichtlich auch darum, „blinde Flecken“ bei Lehrstoffbereichen in den 8. und 9. Schulstufen aufzuspüren[5]

Damit ist der klare Übungsauftrag an die Lehrerschaft ergangen, nach dem PISA-Testmuster entsprechende Beispiele selbst zu generieren und entsprechend den Schüler/innen einzupauken. Der relative Erfolg der österreichischen Schüler/innen bei PISA 2012 und seine Aussagekraft für die Leistungsfähigkeit des österreichischen Schulsystems muss daher bezweifelt werden. Selbst Rudolf Taschner hält PISA für keinen Maßstab, an dem der Erfolg oder Nichterfolg eines Schulsystems zu ermessen wäre:

„Denn über die Qualität unserer Schulen und über unser Bildungssystem sagt PISA - egal, ob wir uns über gute Ergebnisse freuen können oder wegen schlechter Resultate verärgert oder gar beschämt sind - herzlich wenig aus. Das ganze Geld, das man bisher in den PISA-Zirkus gesteckt hat, ist die Einsichten nicht wert, die PISA zu liefern vorgibt.“ [6]

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Frau Bundesminister für Unterricht, Kunst und Kultur nachstehende

Anfrage

1)    Wie hoch sind bzw. waren die Aufwendungen, die von Seiten des BMUKK bzw. von Seiten des BIFIE für die Vorbereitung von PISA 2012 getätigt wurden?

2)    Wurden bzw. werden die Kosten für die PISA-Testungen aus dem Regelbudget des BMUKK bestritten?

a.    Wenn ja, unter welcher Budgetvoranschlagspost?

b.    Wenn nein, welche Vorkehrungen zu Finanzierung werden bzw. wurden von Ihrem Ressort getroffen?

3)    Das BMUKK lud im Vorfeld zu PISA 2012 zur einer Veranstaltungsserie quer durch Österreich namens „Ausgerechnet PISA Österreich zeigt, was es kann“ ein. Vortragender bei allen Veranstaltungen war Dr. Rudolf Taschner. Wurde diese Veranstaltungsserie vom BMUKK finanziert bzw. mitfinanziert?

a.    Wenn ja,

wer nahm die Konzeption der Veranstaltungsreihe vor?

auf welche Höhe beliefen sich die Kosten für die gesamte Veranstaltungsreihe?

auf welche Höhe belief sich das Honorar von Dr. Rudolf Taschner?

wer waren die Adressaten der Veranstaltungen?

was waren die Zielsetzungen bzw. die Aufgabenstellungen?

wie viele Veranstaltungen wurden insgesamt in welchen Bundesländern durchgeführt und wer waren die jeweiligen Ausrichter vor Ort?

wie viele Personen wurden insgesamt mit der dieser Veranstaltungsreihe erreicht?

b.    Wenn nein, wer finanzierte die Veranstaltungsreihe?

4)    Gibt es von Seiten Ihres Ressorts bzw. von Seiten des BIFIE eine Nachbereitung der o.a. Veranstaltungsreihe unter besonderer Berücksichtigung der Ergebnisse von PISA 2012?

a.    Wenn ja, welche Erkenntnisse wurden von Ihnen bzw. von Seiten Ihres Ressorts aus der Nachbereitung gezogen und welche Maßnahmen bzw. Vorkehrungen haben Sie daraufhin veranlasst?

b.    Wenn nein, warum nicht?

5)    Halten Sie den von Andreas Schleicher implizierten Schluss für zulässig, dass die bisherige Umsetzung der Neuen Mittelschule ein Grund für das gute Abschneiden Österreichs bei der PISA Testung 2012 sei?

a.    Wenn ja, welche konkreten Daten und Fakten liegen Ihnen vor, um diese Annahme zu untermauern?

b.    Wenn nein, warum nicht?

6)    Gibt es von Seiten Ihres Ressorts eine ausführliche Analyse der Ergebnisse von PISA 2012, die Rückschlüsse auf die Effizienz des österreichischen Schulsystems in concreto zulässt?

a.    Wenn ja, welche Ergebnisse brachte die Analyse?

b.    Wenn nein, warum nicht?

7)    In der Zeitung „Die Presse“ wurde behauptet „In Österreich spielt Schleicher aber eine besondere Rolle. Er gilt als Vertrauter von Nochministerin Schmied. Er soll es gewesen sein, der sie überzeugte, PISA 2009 "unter Vorbehalt" zu veröffentlichen. Das Bildungsinstitut BIFIE, das PISA in Österreich durchführt, war damals anderer Meinung: Die Stichprobe sei groß genug, und die Zahlen seien trotz Boykotts valide, habe man Schmied versichert. Diese folgte aber Schleichers Rat. Kolportierter Grund: Dass Österreich so drastisch abrutschte, sei für die OECD ein Problem, habe Schleicher im Vertrauen erklärt. Ein solch plötzlicher Absturz innerhalb von nur drei Jahren würde die Methodik von PISA an sich in Zweifel ziehen. Die "Vorbehaltsklausel" lieferte eine willkommene Ausrede.[7]

Entspricht diese Darstellung den Tatsachen?



[1] Profil Nr. 50 9.12.2013; S. 24

[2] Ebda.

[3] BMUKK, Arbeitsgemeinschaft moderner Mathematikunterricht

[4] Ebda. S.27

[5] BMUKK, Arbeitsgemeinschaft moderner Mathematikunterricht; S.28

[6] Rudolf Taschner „PISA-Brimborium verstellt nur den Blick auf das Wesentliche“ in „Die Presse" 28.11.2013; S. 31

[7] "Mr. PISA" auf zweifelhafter Mission-„Die Presse“ "Die Presse" vom 11.12.2013; S.13