271/J XXV. GP

Eingelangt am 17.12.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Petra Bayr und Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Gesundheit betreffend der Verknüpfung der Prävention von HIV/Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten mit Sexualpädagogik und Familienplanung in Österreich.

In Österreich leben heute geschätzte 9.000 Menschen mit HIV. Jedes Jahr kommen etwa 500 weitere Personen dazu. Noch mehr Betroffene gibt es, wenn es um andere sexuell übertragbare Krankheiten geht. Denn im Gegensatz zu den Neuinfektionen mit HIV, steigt die Übertragung von anderen STDs wie Syphilis oder Gonorrhö in Österreich wieder an.

Obwohl auf den ersten Blick nicht viele Jugendliche betroffen sind, ist die Prävention von HIV/AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten in dieser Zielgruppe besonders wichtig. Denn um sich und seine PartnerInnen ein Leben lang zu schützen, bedarf es einer fundierten Grundlage, die am besten in diesem Lebensabschnitt gelernt werden kann.

Neben der Notwendigkeit sich vor HIV/AIDS und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen sprechen in Österreich aber noch andere Zahlen für einen gesteigerten Informationsbedarf bei Jugendlichen: Teenagerschwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche.

Jährlich werden in Österreich schätzungsweise 20.000 bis 30.000 Abbrüche durchgeführt (vgl. Artikel im Standard vom Juni 2013). Es gibt keine offizielle Statistik, aber ExpertInnen rechnen mit bis zu 82 Schwangerschaftsabbrüchen täglich. Die Rate der Schwangerschaftsabbrüche ist ein Hinweis, dass das Präventionsangebot zur Vermeidung von ungewollten Schwangerschaften und zu der Übertragung von STDs erweitert werden muss.

Außerdem hat Österreich im Vergleich mit anderen mittel- und westeuropäischen Ländern eine relativ hohe Rate an Teenagerschwangerschaften1[I]. Jede Teenagerschwangerschaft ist aus medizinischer Sicht eine Risikoschwangerschaft.

Teenager-Schwangerschaften entstehen häufig durch Kondom-Anwendungsfehler und Verhütungspannen. Dies kann verhindert werden, wenn Jugendliche früh genug im geschützten Rahmen von z.B. Sexualpädagogischen - Workshops geschlechtsgetrennt den Gebrauch von Kondomen üben können und möglichst unbefangen an das Thema Verhütung von HIV, anderen STDs und ungewollten Schwangerschaften herangeführt werden. Ein korrekt angewendetes Kondom bedeutet Sicherheit ohne Belastung für den weiblichen Körper und bietet Schutzmöglichkeit vor mehr als „nur“ ungewollten Schwangerschaften.


 

Sexualität soll Jugendlichen als etwas Natürliches vermittelt werden. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens und ein Grundbedürfnis. Sexualität bedeutet aber auch, Verantwortung zu übernehmen, insbesondere im Hinblick auf sexuelle Gesundheit und damit auch auf sexuell übertragbare Krankheiten. Um verantwortlich handeln zu können, sind Informationen und Wissen Grundvoraussetzungen, um die eigene und die Gesundheit anderer schützen zu können.

Die Verknüpfung der Prävention von HIV/Aids und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten mit Sexualpädagogik und Familienplanung ist heute State of the Art. Längst hat sich gezeigt, dass die Information über Übertragungswege nicht ausreicht, Warnungen und Drohungen gerade bei Jugendlichen kontraproduktiv sind. Der heute von den meisten Institutionen propagierte Ansatz basiert auf der Förderung der Selbsteffektivität und Ressourcenstärkung. Informationen zu HIV/Aids, anderen sexuell übertragbaren Krankheiten und Schwangerschaft werden mit einer umfassenden Sexualpädagogik verknüpft. Laut „WHO Standards for Sexuality Education in Europe‟ (2010) ist es wesentlich, Jugendliche auf partizipativem und interaktivem Wege Informationen bereitzustellen, wie sie am besten die Fertigkeit und Einstellung zu verantwortungsvoller zwischenmenschlicher Kommunikation in Bezug auf sexuelle Rechte erlangen. Gerade in diesem Alter ist es von Bedeutung, Fähigkeiten zu entwickeln, die es ermöglichen, Verhandlungen über bestimmte Schutz- bzw. Verhütungsthemen zu führen. Menschen, die ihre sexuellen Rechte kennen und die anderer Personen anerkennen, sind in der Lage, selbstbestimmt und eigenverantwortlich zu entscheiden - dies führt zu gut informierten Einschätzungen, die auf lange Sicht gesehen bedeutsamen präventiven Charakter haben.

Ein rechtsbasierter Ansatz in der Sexualpädagogik entspricht mehr den Bedürfnissen junger Menschen und ist effektiver und nachhaltiger. Er berücksichtigt die tatsächlichen Bedürfnisse Jungendlicher und nicht jene, wie sie Erwachsene annehmen. Er berücksichtigt die schützenden Faktoren und Stärken von Jugendlichen und ist nicht moralisierend oder warnend. Junge Menschen werden so bestärkt und ihre Fähigkeiten werden ausgebaut. Dieser Ansatz fördert selbstbestimmtes Handeln, die Kontrolle über die eigene Sexualität und Entscheidungen in diesem Zusammenhang.

Information kann nur greifen, wenn sie einerseits flächendeckend durchgeführt werden kann (finanzielle Mittel) sowie qualitätsgesicherte Methoden verfolgt (Gruppengröße, Geschlechtertrennung, etc.) und andererseits über öffentlichkeitswirksame Maßnahmen der breiten Bevölkerung als Mittel zum Schutz und zur Selbstbestimmung der Menschen in Erinnerung gerufen wird. Daher kann eine großangelegte Kampagne (Plakate, Spots, etc.), die den Nerv der Zeit trifft, für viele Menschen ein Gedankenanstoß sein - gleichzeitig dazu müssen sowohl die Jugend am allgemeinen als auch die besonderen Zielgruppen mit speziell ausgerichteten Maßnahmen versorgt werden.

Um diese Angebot bereitzustellen, bedarf es der Zusammenarbeit von vielen verschiedenen staatlichen und privaten Institutionen.

Die Unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Gesundheit folgende

Anfrage:

1.      Welchen Ansatz verfolgt Ihr Ressort in der Verschränkung von präventiven Maßnahmen zur Verbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten, wie HIV, Syphilis oder Gonorrhoe und ungewollten Schwangerschaften?

2.       Welche Strategie sieht Ihr Ressort vor, um vor allem junge Menschen vor der Übertragung von STDs und vor ungewollten Schwangerschaften zu schützen?

a.      Welche Maßnahmen sind in der Schule vorgesehen? Welche Maßnahmen sind außerhalb der Schule vorgesehen?

3.       Welche Organisationen werden von Ihrem Ressort mit der Umsetzung dieser Präventionsarbeit beauftragt?

4.       Wie oft kommen diese wo zum Einsatz (bitte um Aufschlüsselung nach Bundesländern und ob im schulischen oder außerschulischen Bereich über die letzten fünf Jahre)?

5.       Wie hoch war das Budget für Präventionsarbeit in den letzten fünf Jahren (bitte um Aufschlüsselung der Zahlen nach Jahr)?

6.       Sieht Ihr Ressort einen Aufstockungsbedarf an Sexualaufklärung? Wenn ja, in welcher Form und in welchem Ausmaß?

7.       Welche zusätzlichen finanziellen Mittel wären dafür nötig?

8.       Erwägt Ihr Ressort die Vergabe von kostenlosen modernen Verhütungsmitteln, einschließlich Kondome und Notfallverhütung, für Jugendliche vor?

a. Welche Kosten würde das verursachen und wie werden diese gegeben falls zu

    bedecken?



1 ln Österreich fallen auf 1.000 Geburten etwa 10 von Müttern im Alter zwischen 15 und 19 Jahren. In den Niederlanden sind es lediglich 5, in der Schweiz 4 und in Italien 7. (Angaben aus dem Weltbevölkerungsbericht 2013 der Vereinten Nationen - UNFPA.)