273/J XXV. GP

Eingelangt am 17.12.2013
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Anfrage

des Abgeordneten Werner Neubauer

und weiterer Abgeordneter

 

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend neuer Erkenntnisse bezüglich der Vorfälle auf der Porzescharte

Erhard Hartung und Peter Kienesberger sind 1971 in Florenz in einem menschenrechtswidrigen Abwesenheits-Prozess  zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Sie hatten keine Möglichkeit, sich zu verteidigen, Entlastungsbeweise oder Zeugen beizubringen. In Österreich wurden sie in einem Anwesenheitsverfahren rechtskräftig freigesprochen.

Nun hat der österreichische Militärhistoriker Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner von der Landesverteidigungsakademie in Wien in einer detaillierten Studie nachgewiesen, dass die beiden genannten BAS(Befreiungsausschuss Südtirol)-Mitglieder nicht die Täter des ihnen zur Last gelegten Verbrechens auf der Porzescharte gewesen sein konnten!

Speckner weist in diesem Zusammenhang in seiner Studie anhand bislang nicht öffentlich zugänglicher österreichischer Akten einschließlich der übergebenen italienischen Unterlagen nach, dass der sogenannte "Tatort" sowie Beweismittel gefälscht oder manipuliert waren.

Unmittelbar nach der angeblichen "Tat" hatte sich der Lienzer Bezirkshauptmann Doblander mit einem Hubschrauber zu dem unmittelbar an der Grenze liegenden "Tatort" fliegen lassen und dort nur ein unbetretenes Schneefeld ohne Spuren und Detonationstrichter gesehen. Ein paar Tage später zeigten die italienischen Behörden einen "Tatort" vor, der alle Merkmale eines solchen aufgewiesen habe und auf dem dann auch Beweisstücke gefunden wurden. Weiters hätten die italienischen Behörden den österreichischen Behörden ein "Tatortfoto" von einem "Bekennerschreiben" mit Schreibfehlern, den italienischen Medien aber kurz darauf eine textlich "verbesserte" Version zur Veröffentlichung übergeben. Hier ist eine offenkundige Fälschung dokumentiert.


Es lagen auch zwei der vier getöteten Soldaten etwa fünfzig Meter vom angeblichen Ort der Detonation entfernt, waren aber äußerlich unversehrt, was sprengtechnisch unmöglich sei. Ein Zündkasten wurde direkt neben dem Detonationskrater gefunden, welcher ebenfalls seltsamer Weise unversehrt geblieben sei. Zudem hätten die italienischen Behörden weder im Gerichtsverfahren noch bei den Besprechungen mit den österreichischen Behörden jemals Obduktionsbefunde oder Totenscheine der angeblich auf der Porzescharte  zu Tode Gekommenen übergeben, welche in kürzester Zeit ohne nähere Untersuchung in aller Hast in Belluno beerdigt wurden. Diese sowie eine ganze Reihe weiterer von Speckner aufgezeigten Ungereimtheiten wurden aber von dem italienischen Gericht zur Grundlage des menschenrechtswidrigen Abwesenheitsurteils gemacht. Oberst Mag. Dr. Hubert Speckner zitiert aus österreichischen Aktenunterlagen die dort festgehaltene Vermutung, dass die Toten der "Porzescharte"  des 25. Juni 1967 in Wirklichkeit bei einer italienischen Verminungsübung auf dem Kreuzbergsattel ums Leben gekommen seien. Die Toten seien dann auf die Porzescharte geschafft worden. Der Militärhistoriker Oberst Mag. Dr. Speckner kommt nach eingehender Analyse aller Vorliegenden Tatortberichte und Untersuchungsergebnisse zu dem Schluss, dass er zwar nicht sagen könne, wer für den Tod der damals ums Leben gekommenen italienischen Militärpersonen verantwortlich gewesen sei, dass er aber feststellen könne, dass es nicht die damals Beschuldigten gewesen sein können.

Der zu dieser Zeit amtierende Justizminister Dr. Klecatsky berichtet (Seite 139), dass Innenminister Dr. Hetzenauer lediglich einmal (kurz nach dem Vorfall und noch vor der gemeinsamen österreichisch-italienischen Begehung) bei einer Ministerratssitzung über den Vorfall berichtet hätte und eine Fotomappe herumgereicht hätte, nicht aber berichtet habe, dass  sowohl Dr. Doblander (Bezirkshauptmann von Lienz), Herr Scherer (Verbundgesellschaft) und er selbst unmittelbar nach dem Vorfall auf der Porzescharte gewesen seien und außer keinen gesprengten Mast keine Anzeichen eines Attentates, auch keinen Sprengkrater, keine italienische Soldaten zur Sicherung des Tatortes etc. wahrgenommen hätten. Klecatsky vertrat die Ansicht, dass dies kein ausreichendes Beweismaterial für juristische Maßnahmen gegen Südtiroler Freiheitskämpfer, wie diese von Italien gefordert wurden, in Österreich seien. Darauf seien ihm all die diesbezüglichen Niederschriften und Dokumente der Sicherheitsdirektion von Tirol und vom Innenministerium nicht  vorgelegt worden.

Angesichts dieser neuen Erkenntnisse, die Speckner aufgrund intensiven Studiums amtlicher bislang nicht öffentlicher österreichischer Akten einschließlich italienischer Beweissammlungen gewonnen hat, sollten die von dem italienischen Gericht zu Unrecht Verurteilten endlich begnadigt werden.

Herr Bundespräsident Dr. Heinz Fischer hat einem Schreiben an Klubobmann NAbg. Heinz-Christian Strache vom 28. August 2013 zugesagt, die Erkenntnisse Speckners eingehend prüfen zu lassen um festzustellen zu können, welche neuen Gesichtspunkte sich in dieser Angelegenheit ergeben.


In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Inneres folgende

 

 

Anfrage

1.    Sind Ihnen die Ereignisse, die sich am 25. Juni 1967 auf der Porzescharte zugetragen haben, bekannt?

 

2.    Ist Ihnen bekannt, dass der Militärhistoriker Oberst Mag. Dr. Speckner in seinem Buch „Zwischen Porze und Roßkarspitz“ den Sachverhalt unter Einbezug genauesten Aktenstudiums neu aufgearbeitet hat und den Beweis für die Unschuld von Peter Kienesberger und Erhard Hartung geliefert hat?

 

3.    Ist Herr Bundespräsident Dr. Fischer in dieser Angelegenheit an Sie herangetreten, um eine Klärung dieser Situation herbeizuführen?

 

4.    Warum sind dem damaligen Justizminister Dr. Klecatsky die betreffenden Niederschriften und Dokumente der Sicherheitsdirektion vom Land Tirol und vom Innenministerium nicht vorgelegt worden und wer hat dies zu verantworten?

 

5.    Warum ist sämtliches dem Innenministerium vorliegende Material, welches beweist, dass es auf der Porzescharte kein Attentat stattgefunden hat (Bericht Dr. Doblander vom 26.06.1967 an die Sicherheitsdirektion von Tirol vom 26.06.1967; Erhebungsbericht des Tiroler Sicherheitsdirektors Dr. Stocker vom 28.06.1967 an Min.Rat. Dr. Franz Häusler und andere) nicht dem Untersuchungsrichter oder dem Gericht und der Verteidigung vorgelegt worden?  

 

6.    Warum sind dem österreichischen Justizbehörden keine Obduktionsbefunde und Totenscheine der angeblich auf der Porzescharte getöteten italienischen Soldaten vorgelegt worden?

a.   Wurden solche den österreichischen Behörden überreicht?

b.   Wenn ja, wo befinden sich diese?

 

7.    Warum konkret hat  Bundeskanzler Klaus bezüglich der Prozessführung durch den Richter Dr. Kubernat im Dezember 1968 beim Landesgerichtspräsidenten interveniert (Seite 218 folgend)?

a.   Welche Unterlagen darüber sind noch vorhanden?

b.   Wo befinden sich diese Unterlagen?

 

8.    Warum wurde es dem österreichischen Sprengstoffsachverständigen Oberst Dr. Massak gestattet, sein ausschließlich dienstlich erworbenes Wissen als Zeuge/Sachverständiger beim Prozess in Florenz (1971) gegen die angeblichen österreichischen  Attentäter vorzutragen obwohl zumindest dem damaligen Innenminister Dr. Hetzenauer bekannt sein musste, dass es kein Attentat auf der Porzescharte gegeben hat?


9.    Welche Maßnahmen wird Österreich künftig setzen um die in Florenz unschuldig Verurteilten voll zu rehabilitieren?

 

10. Werden Sie sich aufgrund der neuen Erkenntnisse im Rahmen Ihres Ressorts dafür einsetzen, dass die bis vor kurzem getätigten Schuldzuweisungen entkräftet werden?

a.   Wenn ja, auf welcher Ebene wird dies geschehen?

b.   Wenn nein, warum nicht?