352/J XXV. GP

Eingelangt am 18.12.2013
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Anfrage

 

der Abgeordneten Daniela Musiol, Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde an den Bundeskanzler

betreffend Veröffentlichung von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, der Unabhängigen Verwaltungssenate und anderer Sonderbehörden

 

 

BEGRÜNDUNG

 

Das Rechtsinformationssystem:Bundeskanzleramt (ris.bka.gv.at) kündigt an, dass die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und der neun Landesverwaltungsgerichte veröffentlicht werden. Schon bisher waren auf dieser Homepage ausgewählte Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate der Länder zu finden, wobei offenbar eine völlig unterschiedliche Übermittlungspraxis gegeben war. Neben dem RIS sind derzeit in einigen Ländern die Entscheidungen der Unabhängigen Verwaltungssenate noch auf jeweils eigenen Homepages anzutreffen (siehe etwa http://www.uvs-ooe.gv.at/ oder http://www.uvs.at/ betreffend NÖ UVS). Aber selbst in diesen Fällen handelte es sich nur um ausgewählte Veröffentlichungen.

Will etwa ein Bürger/eine Bürgerin wissen, welche Entscheidungen der UVS nach dem Umweltinformationsgesetz getroffen wurden, so sind ihm/ihr derzeit keineswegs alle Entscheidungen (Aufhebungen und Bestätigungen von auskunftsverweigernden Bescheiden) zugänglich. Die vollständige Veröffentlichung von Tribunalentscheidungen (in Zukunft Verwaltungsgerichtsentscheidungen) ist jedoch sowohl im Sinne der interessierten und betroffenen Öffentlichkeit als auch im Sinne eines gesetzeskonformen Vollzugs wichtig - gerade eingedenk der großen Kompetenzzersplitterung zwischen Bund und Ländern. So wird etwa die Umweltinformationsrichtlinie, die den freien Zugang zu Umweltinformationen eröffnet, - darunter fallen auch Bescheide (zB Ausnahmegenehmigungen von Naturschutzbehörden für das Bauen in geschützten Zonen) – in Österreich durch zehn Gesetze (9+1) umgesetzt. Der Vollzug dieser Gesetze wird in Zukunft durch zehn Verwaltungsgerichte geprüft werden. Wenn man schon keine einheitliche Bundeskompetenz zur Umweltinformation und damit ein einheitliches Gesetz zustande bringt,  so sollte zumindest die lückenlose Veröffentlichung aller Entscheidungen in einem Medium erfolgen.

Wie der EGMR in seinem unlängst ergangenen Urteil Österreichische Vereinigung zur Erhaltung, Stärkung und Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes gegen Österreich (Appl. no. 39534/07) aussprach, „(können) auch NGOs die Rolle eines "watchdog" ausüben und (müsse) ihnen damit ein ähnlicher Schutz zuteil werden wie der Presse - für die wiederum anerkannt ist, dass das Sammeln von Informationen ein wesentlicher Vorbereitungsschritt in der journalistischen Arbeit und daher Teil der Pressefreiheit ist“ (http://blog.lehofer.at/2013/11/Grundbesitz2.html). In dieser Causa verweigerte die  Tiroler Landes-Grundverkehrskommission gänzlich die Herausgabe von (anonymisierten) Entscheidungen zum Grundverkehr. Der EGMR sah darin – anders als der Verfassungsgerichtshof – eine Verletzung von Art 10 MRK Recht der freien Meinungsäußerung (Recht auf Information).

Es stellt sich somit insbesondere die Frage, wie die Entscheidungen der  Sonderbehörden, die im Zuge der Einführung der Verwaltungsgerichte per 31. 12. 2013 aufgelöst werden, weiterhin zugänglich sind bzw zugänglich gemacht werden. Im Sinne des Rechtsstaats- und des Demokratieprinzips wäre eine weitgehend lückenlose Wiedergabe der Entscheidungen zu fordern. Dasselbe gilt für die neuen Verwaltungsgerichte. Insofern wäre auch der Gesetzgeber gefordert, sollte die Veröffentlichungspraxis dieser Aufforderung nicht genügen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.         Nach welchen Kriterien übermittelten bisher die Unabhängigen Verwaltungssenate der Länder ihre Entscheidungen an das Rechtsinformationssystem des Bundes?

2.         Wurde anlässlich der Auflösung bisheriger Tribunale mit dem Bundeskanzleramt vereinbart, dass Entscheidungen vor dem 31. 12. 2013 dem Rechtsinformationssystem übermittelt werden, insbesondere dass die Entscheidungssammlung betreffend der UVS komplettiert wird?

3.         a)      Werden alle Landesverwaltungsgerichte ab Jänner 2014 alle Entscheidungen (mit Ausnahme von rein formalen Zurückweisungen etwa wegen Fristablaufs oder dergleichen) dem RIS übermitteln?


b)      Welche Landesverwaltungsgerichte wollen nach wie vor nur ausgewählte Entscheidungen übermitteln?

c)      Wie wird diese Haltung begründet?

4.         a)      Wird das Bundesverwaltungsgericht alle seine Entscheidungen übermitteln?

b)      Wenn nein, welche Kategorien von Entscheidungen werden ausgeschlossen sein und warum?

5.         Warum sind die Entscheidungen des Unabhängigen Finanzsenats derzeit nicht im RIS integriert und warum wird diese Trennung zwischen Finanzdokumentation des BMF und RIS auch betreffend Bundesfinanzgericht aufrechterhalten?

6.         a)      Ist Ihnen bekannt, welche Länder neben der Übermittlung von Entscheidungen an das Bundeskanzleramt/Rechtsinformationssystem des Bundes noch eigene Homepages mit Entscheidungssammlungen pflegen werden?

b)      Wird dadurch die Situation fortgesetzt, dass die BürgerInnen entweder nicht zu allen Entscheidungen Zugang haben oder alle zehn Homepages (RIS plus neun Landesverwaltungsgerichts-Homepages) durchsehen müssen, um alle Entscheidungen zu einem Rechtsgebiet (zB Umweltinformation, Umwelthaftung, IPPC-Anlagen) zu erhalten?

7.         Wird im Zuge des Projekts Informationsfreiheitsgesetz sichergestellt werden, dass von Gesetzes wegen alle Entscheidungen der Verwaltungsgerichte online zugänglich sind?