407/J XXV. GP

Eingelangt am 20.01.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres

betreffend ungeklärter Rechtsschutz im Fall von Menschenrechtsverletzungen, offene Station, faktische Anwesenheit von PolizistInnen im Vergleich zu G4S MitarbeiterInnen uvm im Schubhaftgefängnis Vordernberg

BEGRÜNDUNG

 

Trotz der bereits erfolgten Eröffnung des Schubhaftzentrums Vordernberg gibt es noch immer ungeklärte Punkte hinsichtlich des tatsächlichen Betriebs der Schubhaftanstalt, da die Verträge bis heute nicht zur Gänze offengelegt wurden und die veröffentlichten Teile genaue Abgrenzungen und Regelungen vermissen lassen. Unter medialem Getöse wurde seitens des Innenministeriums verlautbart, dass der Betrieb und auch die Verantwortlichkeit für das Schubhaftzentrum Vordernberg bei der Polizei läge. Dennoch stellen sich bei genauerer Betrachtung mehrere Fragen zum tatsächlichen Betrieb des Zentrums (wie zB die Anwesenheit von Personal im Zentrum, den Ablauf), als auch zu Rechtsschutzmöglichkeiten der Schubhäftlinge gegen etwaige Übergriffe seitens G4S MitarbeiterInnen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Es wurde verlautbart, dass im Schubhaftzentrum Vordernberg ein offener Vollzug stattfinden wird. Welche Bereiche im Zentrum genau (außer den Verwaltungsräumen) werden als offene Station iSd §5a Anhalteordnung geführt (Zellen, Wohneinheiten, Aufenthaltsräume, Bibliothek, Garten)?

 


2)    Werden auch diese Bereiche der „offenen Station“ zu gewissen Zeiten abgesperrt? Falls ja, weshalb und zu welchen Zeiten?

 

3)    Sind die verschiedenen Wohnbereiche, Bibliothek und Aufenthaltsräume für Schubhäftlinge frei zugänglich, oder nur jeweils ihr eigener Wohnbereich?

 

4)    Welche Bereiche im Zentrum werden abgeschlossen und zu welchen Tageszeiten?

 

5)    Pro Wohneinheit ist ein Platz für beaufsichtigendes Personal eingerichtet – wird dieser rund um die Uhr von MitarbeiterInnen des Zentrums besetzt sein? Falls nein: Zu welchen Uhrzeiten werden diese Plätze besetzt sein?

 

6)    Werden diese Plätze von G4S MitarbeiterInnen oder von PolizistInnen besetzt sein? Wenn abwechselnd, wann von PolizistInnen, wann von G4S MitarbeiterInnen?

 

7)    Welchem konkreten Zweck dienen diese Beaufsichtigungsplätze, zumal es in jeder Wohneinheit auch große Fenster zum Gang hin gibt?

 

8)    Wie viele MitarbeiterInnen des Zentrums werden sich pro Schicht im Gebäude bzw. außerhalb, am Gebäudegelände, aufhalten? Bitte um Auflistung nach G4S MitarbeiterInnen und PolizistInnen.

 

9)    Bitte um Angabe der Anfangs- und Endzeit der jeweiligen Schichten und des jeweils seitens der Polizei und G4S eingeteilten Personals. Bitte auch um Angabe, welchen Aufgaben MitarbeiterInnen in den einzelnen Schichten zugeteilt sind.

 

10) In den Medien wurde von 55 PolizistInnen vor Ort berichtet. Sind diese bloß dienstzugeteilt, oder werden diese rund um die Uhr vor Ort sein?

 

11) Wie viele PolizistInnen werden tatsächlich in den Tagschichten im Schubhaftzentrum vor Ort sein?


12) Wie viele PolizistInnen werden tatsächlich in den Nachtschichten im Schubhaftzentrum vor Ort sein?

 

13) Wie viele der PolizistInnen werden jeweils pro Schicht für Verwaltungstätigkeiten eingeteilt sein, wie viele für Überwachung und Kontrollgänge?

 

14) Werden auch Kontrollgänge von G4S MitarbeiterInnen durchgeführt werden? Falls ja, in welchen Zeitabständen und werden diese von PolizistInnen dabei begleitet? Wenn ja, wie viele G4S MitarbeiterInnen sollen von wie vielen PolizistInnen begleitet werden?

 

15) Gibt es für die Schubhäftlinge einen Internetzugang? Falls ja, besteht dieser für alle Schubhäftlinge?

 

16) Falls nein, weshalb nicht (es besteht ja die Möglichkeit unerwünschte Internetseiten zu sperren)?

 

17) Dürfen die dort Angehaltenen ihre Mobiltelefone behalten bzw. verwenden?

 

18) Falls nein, wie ist das in Einklang zu bringen mit §19 der Anhalteordnung, die vorsieht, dass das „Führen von Telefongesprächen auf eigene Kosten grundsätzlich ohne Aufsicht zu ermöglichen“ wäre (betrifft auch Mobiltelefone), zumal es um Schubhäftlinge geht und die Gefahr der Absprache oder Verdunkelung nicht besteht?

 

19) Falls nein, was genau sind die Gründe für ein Handyverbot im Schubhaftzentrum?

 

20) Wie genau ist das „intensive Ausbildungsprogramm“ (Matthias Wechner, 13.1.2014) der G4S MitarbeiterInnen aufgebaut?

 

21) Gibt es ein allgemeines Ausbildungsprogramm für alle im Schubhaftgefängnis  beschäftigten G4S MitarbeiterInnen oder sind diese unterschiedlich? Falls


unterschiedlich, bitte um Angabe der unterschiedlichen Ausbildungsprogramme je nach Verwendungsgruppe inklusive Dauer der Ausbildung und Inhalt der Ausbildung.

 

22) Woraus besteht die psychologische Ausbildung, die G4S MitarbeiterInnen laut Herrn Wechner erhalten? Bitte um Angabe des Inhalts, Dauer und Anzahl und Verwendungsgruppe der G4S MitarbeiterInnen, die diese Schulung erhalten haben.

 

23) Wie genau wird das Beschwerdemanagement im Zentrum funktionieren (bitte um Angabe des detaillierten Ablaufs von dem Moment an, in dem ein Schubhäftling die Beschwerde schriftlich oder mündlich formuliert hat)?

 

24) Da die dienstbetriebliche Ablaufanordnung des BMI vom 17.12.2013 an die Gemeinde Vordernberg besagt, dass alle beim Auftragnehmer einlangenden Beschwerden zu dokumentieren und der Leitung des Anhaltzentrums vorzulegen sind: Wie stellen Sie strukturell sicher, dass Beschwerden, die zB bei G4S MitarbeiterInnen eingereicht werden und die G4S betreffen, tatsächlich an die Anstaltsleitung weitergeleitet werden?

 

25) Wird es eine anonymisierte Form der Einbringung einer Beschwerde geben, zB durch Einwurf in einen dafür vorgesehenen, den Schubhäftlingen zugänglichen Postkasten?

 

26) In der dienstbetrieblichen Anordnung vom 17.12.2013 heißt es, dass die Behörde sich allfälliges rechtswidriges Verhalten der VerwaltungshelferInnen zurechnen lassen muss. Übernimmt damit der Bund die Amtshaftung für allfällige Schäden, die durch rechtswidriges Verhalten von G4S MitarbeiterInnen im Schubhaftzentrum entstehen? Falls ja, aufgrund welcher rechtlichen/gesetzlichen Grundlage?

 

27) Die dienstbetriebliche Anordnung vom 17.12.2013 besagt: „Insofern ist der Rechtsschutz klar  gewahrt; es kann ab 01 .01 .2014 eine Maßnahmenbeschwerde (Art. 1 30 Abs. 1 Z 2 B-VG) an das Verwaltungsgericht des Landes Steiermark erhoben werden.“ Auf welcher rechtlichen Expertise beruht diese Auskunft?

 


28) Laut Verfassungsrichter Georg Lienbacher  kann es gegenüber dem Securitypersonal von G4S lediglich zu einer zivilrechtlichen Klage oder einer strafrechtlichen Anzeige kommen (OTS 13.1.2014), nicht aber zu einer Maßnahmenbeschwerde. Folgt das Innenministerium dieser Rechtsmeinung von Verfassungsrichter Lienbacher?

 

29) Inwiefern werden Sie trotz dieser Rechtsunsicherheit sicherstellen, dass Schubhäftlinge tatsächlich eine Maßnahmenbeschwerde einbringen können?

 

30) Haben Sie rechtliche Expertisen dazu eingeholt ob laut Rechtsmeinung der Landesverwaltungsgerichte oder von einschlägigen VerfassungsexpertInnen Maßnahmenbeschwerden gegen private „Verwaltungshelfer“ wie G4S überhaupt zulässig wären? Müsste dazu nicht hoheitliches Handeln dieser „Verwaltungshelfer“ vorliegen, was das Innenministerium ja kategorisch ausschließt? Falls ja bitte um Beifügung der allfälligen Expertise.

 

31) Die Schnittstellendefinition der dienstbetrieblichen Anordnung 17.12.2013 umfasst nur die „Überwachung und Betreuung von Schubhäftlingen in Einzelhaft“. Wer wird die Überwachung von Schubhäftlingen in der offenen Station durchführen, wer die Betreuung dieser Schubhäftlinge?

 

32) Weshalb wurde die Überwachung von Schubhäftlingen in der offenen Station nicht ebenfalls in der dienstbetrieblichen Anordnung geregelt?

 

33) In welchen sonstigen Verwaltungsbehörden oder Polizeibehörden kommen derzeit „Verwaltungshelfer“ zum Einsatz und in welchen Tätigkeitsbereichen?

 

34) Gab es bereits eine Maßnahmebeschwerde gegen einen der bisher in Verwaltungsbehörden oder Polizeibehörden beschäftigten „Verwaltungshelfer“? Falls ja, wie viele?

 

35) Gibt es eigene Rechtsvorschriften bzw. Erlässe, die die Haftung und Rechtsschutzmöglichkeiten gegen rechtswidriges Verhalten der Verwaltungshelfer im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Behörden regeln? Falls ja bitte um Beifügung dieser Regelung. Falls nein, wie wird der Rechtsschutz dann gehandhabt?