528/J XXV. GP

Eingelangt am 29.01.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Peter Pilz, Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Polizeianfragen an Rettungsdienste und das Verhalten des Wiener Polizeipräsidenten

BEGRÜNDUNG

 

Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl hat in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ vom 26. Jänner 2014 zur Vorgehensweise der Polizei rund um die Demonstrationen gegen den sogenannten „Akademikerball“ von FPÖ und schlagenden Burschenschaften mit einigen bedenklichen Aussagen aufhorchen lassen.

So meinte er einerseits als Antwort auf den Vorwurf, dass zahlreiche unschuldige DemonstrantInnen im Rahmen der Polizeieinsätze verletzt worden waren, etwa durch den großflächigen Einsatz von Pfefferspray:

Wenn man sich mit Hunden ins Bett legt, darf man sich nicht wundern, wenn man mit Flöhen aufwacht.“

Alleine diese Ausdrucksweise zeigt eine Geisteshaltung, die für eine Führungskraft der Polizei völlig inakzeptabel ist.

Darüber hinaus kündigte Pürstl aber auch die weitere Ausforschung von TeilnehmerInnen der Demonstrationen an:  

Pürstl Gerhard (Landespolizeidirektion Wien)

 ... und das Ganze hat mit Sicherheit auch noch ein Nachspiel. Wir werden das jetzt nicht sitzen lassen und die Straftäter, die auf vielen Videos drauf sind, auf polizeilichen Videos, auf Verkehrskameras, die alle fotografiert wurde, gefilmt wurde und dafür gibt es ja auch ein Vermummungsverbot im Übrigen. Die werden wir auch entsprechend verfolgen. Und jetzt kommen Sie mir nicht mit der Tränendrüse, dass irgendwelche jetzt Tränengas ins Auge bekommen haben, das ist nämlich gut, wenn Sie bei der Rettung waren, da gibt es die Daten, da können wir sie ausforschen und dann werden wir einmal schauen, welche Beteiligung sie gehabt haben.

 

Neben den Aussagen, dass auf Verkehrskameras zugegriffen werden solle, und dass das „Vermummungsverbot“ dazu diene, dass derartige Aufzeichnungen besser ausgewertet werden könnten, erscheint vor allem die angekündigte Vorgehensweise, im Zuge eines Polizeieinsatzes verletzte Personen über die Rettungsdienste pauschal ausforschen zu lassen, um dann „einmal zu schauen, welche Beteiligung sie gehabt haben“, datenschutzrechtlich aber auch von den gesetzlichen Grundlagen her als höchst problematisch.

So wurde auf http://fm4.orf.at/stories/1732436/ unter dem Titel „Rücktrittsreifer Polizeipräsident?“ ein Interview mit dem Verfassungsrechtsprofessor Dr. Bernd-Christian Funk dazu veröffentlicht:

„Wie ist die Aussage zu den Daten von der Rettung juristisch zu bewerten?

Als Jurist bin ich erstaunt über diese Aussage, ich frage mich, auf welche Rechtsgrundlage sich eine solche Datenermittlung stützen könnte, es gibt immerhin ein Grundrecht auf Datenschutz und das erlaubt ohne besondere gesetzliche Grundlage nicht, die Weitergabe oder Ermittlung solcher Daten. Ich kann mir also nicht vorstellen, auf welche rechtliche Grundlage sich diese Aussage stützt, ich halte sie für rechtswidrig.

Gibt es hier die Möglichkeit einer Ausnahme, etwa wegen Gefahr im Verzug?

Nein, ein Fall von „Gefahr im Verzug“ ist das ja nicht und eine allgemeine Klausel dieser Art gibt es auch nicht, sondern unser Datenschutzrecht beruht auf dem Grundsatz, dass sowohl das Ermitteln, Verwenden und Übermitteln von personenbezogenen Daten jeweils einer entsprechenden, konkret gefassten gesetzlichen Grundlage bedürfen. Und eine gesetzliche Grundlage gibt es für dieses Szenario nicht – im Gegenteil, hier kommen die allgemeinen Verbote und Schutzklauseln des Datenschutzrechts zur Anwendung.

Was wäre ein Fall wo die Rettung oder anderes medizinisches Personal die Daten herausgeben müsste?

Das könnte eventuell im Falle einer Strafverfolgung gegen eine bestimmte Person der Fall sein, das müsste aber mit einer Verfügung der Staatsanwaltschaft erlaubt werden. Und auch dann wäre das nur möglich, wenn ein konkreter Tatverdacht vorliegt. Also ein Nachforschen, um überhaupt rauszufinden, ob man gegen jemanden Ermittlungen einleiten könnte, ist ausgeschlossen.“

Ähnlich äußerte sich der Strafrechtsprofessor Dr. Helmut Fuchs gegenüber derstandard.at (http://derstandard.at/1389858311907/Polizeipraesident-weist-Kritik-an-Einsatz-zurueck):

Im Falle strafrechtlicher Ermittlungen hätten Rettungskräfte und Ärzte laut Strafprozessordnung jedenfalls kein Zeugnisverweigerungsrecht, sagt der Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs. Dieses Recht treffe nur bestimmte Fachärzte wie Psychiater, so Fuchs. Erwarte sich die Polizei von der Rettung Hinweise, die zur Aufklärung einer Straftat dienen, so können diese Hinweise eingeholt werden, wenn ein Vorverfahren im Gange ist. Dabei sei auf Verhältnismäßigkeit zu achten – so müssen die Auskünfte etwa zeitlich, örtlich und auf einen bestimmten Personenkreis eingrenzbar sein.

Zu diesem Vorfall kommen weitere Fehlleistungen und Entgleisungen des Wiener Polizeipräsidenten. Insgesamt ergibt sich das Bild einer Polizeiführung, die im Gegensatz zum Vorjahr auf Eskalation setzte und bereit war, dazu die Verfassung zu missachten, die Pressefreiheit einzuschränken, den Datenschutz zu verletzen und Verletzte und Sachschäden in Kauf zu nehmen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wer sind die Hunde und wer sind die Flöhe, von denen der Wiener Polizeipräsident Pürstl gesprochen hat?

2)    Ist eine derartige Diktion in Bezug auf die Vorkommnisse beim freiheitlichen Extremistenball in der Hofburg angemessen?

3)    Auf welche Rechtsgrundlage stützt sich die von Pürstl angekündigte Vorgehensweise, die Personendaten von im Rahmen der Demonstrationen gegen den Akademikerball durch Polizeieinsätze verletzten Geschädigten bei Rettungsdiensten zu erheben um „einmal zu schauen, welche Beteiligung sie gehabt haben“?

4)    Handelt es sich dabei um eine Maßnahme nach dem Sicherheitspolizeigesetz, und falls ja, um welche dort genannte polizeiliche Aufgabe?

5)    Handelt es sich dabei um eine Maßnahme nach der StPO, und wenn ja wegen welcher konkreten Straftaten?

6)    Handelt es sich dabei um eine Maßnahme zur Aufklärung von Verwaltungsstraftatbeständen nach dem VStG und wenn ja, um welche konkreten Straftaten?

7)    Handelt es sich dabei um eine Maßnahme, die bereits in der Vergangenheit zur Anwendung kam?

8)    Falls ja: wie oft und bei welchen Gelegenheiten wurden bisher die Daten von verletzten Demonstrationsteilnehmern bei den Rettungsdiensten durch die Polizei erhoben?

9)    Werden die Personendaten von solcherart ausgeforschten Demonstrationsteilnehmern bei der Polizei in Datenbanken gespeichert, und falls ja in welchen und auf welcher Rechtsgrundalge?

10) Werden die solcherart ausgeforschten Personen über die Erfassung ihrer Daten verständigt?

11) Gegen wie viele solcherart ausgeforschte Personen wurden Anklagen erhoben, wegen welcher Straftatbestände, und wie endeten diese Verfahren?

12) Gegen wie viele solcherart ausgeforschte Personen wurden Verwaltungsstrafen verhängt  und nach welchen Tatbeständen erfolgte dies?

13) Der Pressesprecher der Wiener Polizei versuchte gegenüber der derstandard.at am 27. Jänner 2014 zurück zu rudern, und korrigierte den Wiener Polizeipräsidenten dahingehend, die Wiener Polizei werde „nur nach einem konkreten Anfangsverdacht und auf Basis der Strafprozessordnung – also nach Einleiten eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens“ derartige Anfragen stellen. Entspricht dies der Realität, oder ist die tatsächliche Praxis nicht doch vielmehr so, wie sie von Präsident Pürstl in der Sendung lebensnah präsentiert wurde, dass nach dem Motto „Schauen wir was rauskommt“ Daten gesammelt werden?

14) An welchen Stellen der Wiener Innenstadt im Bereich der Demonstrationen und Ausschreitungen sind „Verkehrskameras“ installiert, deren Aufzeichnungen nun wie von Präsident Pürstl angekündigt ausgewertet werden sollen?

15) Ist es zutreffend, dass das „Vermummungsverbot“, das von der Landespolizeidirektion für neun Bezirke in Wien per Verordnung verhängt wurde, durch die leichtere Auswertbarkeit von Videoaufzeichnungen begründet ist?

16) Auf welche Rechtsgrundlage stützte sich diese Verordnung?

17) Der Verfassungsexperte Prof. Funk hat darauf hingewiesen, dass das überschießende Vermummungsverbot unverhältnismäßig war. Warum haben Sie zugelassen, dass unter Pürstl somit ein verfassungswidriges Verbot ausgesprochen wurde?

18)  Pürstl erklärte in der Diskussion „Im Zentrum“: „Also, grundsätzlich muss man mal sagen, das Vermummungsverbot dient ja dazu, einmal die Sache an und für sich zu verbieten. Aber es ist ja vollkommen klar, dass in Situation wo 100, 200 oder mehr so auftreten, die Polizei ihre Taktik danach richten muss, ob es gescheit ist, jetzt einzuschreiten und die Sache jetzt abzustellen. Und wenn man hier einer Übermacht gegenübersteht, dann kann man das nicht durchsetzen um nicht mehr Schaden anzurichten, um nicht Verletzte geradezu provozieren.“ Warum waren 2000 Beamte nicht in der Lage, das Vermummungsverbot gegen den „Schwarzen Block“ durchzusetzen?

19) Warum trifft das Vermummungsverbot de facto nicht organisierte Gewalttäter, sondern nur unorganisierte Einzelpersonen, die sich etwa mit einem Schal im Demonstrationsbereich aufhalten? Warum müssen sich also Verkühlte mehr vor dem Vermummungsverbot fürchten als Vermummte?

20) Pürstl erklärte weiter das Ziel des Polizeieinsatzes: „Dass sie wiedererkannt werden, dass sie polizeilich dann zur Strecke gebracht werden können...“ Wie bringt man als PolizistIn Menschen „zur Strecke“?

21)  Pürstl weiter: „Es war schon zu rechnen, dass diese Gruppen anrücken, aber es war nicht damit zu rechnen, dass sie primär Menschen attackieren, die mit dem Ball im Zusammenhang stehen, dass sie Burschenschaftereinrichtungen attackieren, irgendwelche Lokale, die man der rechten Szene zuordnet oder Hofburg und Umgebung. Dass man aber wahllos irgendwo in der Stadt auf vollkommen unbeteiligte Geschäfte losgeht, das ist eine neue Form der Gewalt, mit der man so nicht rechnen konnte und auf die wir aus der Lage heraus dann reagieren mussten.“ Warum waren die Polizeiführung und ihr Präsident nach vielen vergleichbaren Angriffen organisierter Randalierer nicht auf Derartiges vorbereitet?

22) Pürstl zur Pressefreiheit: „Aber das geht nicht, dass hunderte Journalisten in einem Platzverbot frei herumlaufen und es geht auch nicht, dass sie das dauernd tun.“ Warum hat die Polizei willkürlich JournalistInnen bei der Berichterstattung behindert und damit die Pressefreiheit eingeschränkt?

23) Ist es Aufgabe der Wiener Polizei, wie ihre Kollegen in Kiew darüber zu bestimmen, von wo JournalistInnen berichten dürfen?

24) Im Gegensatz zu JournalistInnen wurde den freiheitlichen Funktionären der AUF völlige Bewegungsfreiheit in der Verbotszone gewährt. Die AUF durfte dort sogar ein Zelt aufstellen. Warum erhielt eine Parteiorganisation Rechte, die den Medienvertretern vorenthalten wurden?

25) Pürstl behauptet, dass JournalistInnen der Zutritt zur Verbotszone verwehrt wurde, um sie vor Demonstranten schützen zu können. Warum wurde die  AUF nicht „geschützt“?

26) Warum war es primäres Einsatzziel, nicht die Stadt, ihre Bewohner und ihre Geschäfte, sondern ausschließlich die FPÖ und ihre „Ballgäste“ zu schützen?

27) Ist die Entscheidung, diesmal auf Eskalation zu setzen, von Präs. Pürstl oder vom BMI und damit von Ihnen getroffen worden?

28) Halten Sie Präsident Pürstl nach der völlig missglückten, nicht an Deeskalation orientierten sondern mittels überzogenen Grundrechtseingriffen ausgestalteten Polizeistrategie sowie nach seinen skandalösen Aussagen in der genannten Sendung nach wie vor in dieser Funktion für tragbar, oder werden Sie ihn von dieser Position abberufen?