634/J XXV. GP

Eingelangt am 13.02.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Nikolaus Scherak, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, betraut mit der Leitung des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung

betreffend den Klinischen Mehraufwand an den Medizinischen Universitäten Österreichs am Beispiel der Medizinischen Universität Wien

 

Laut aktueller Leistungsvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und den Österreichischen Medizinischen Universitäten beträgt der klinische Mehraufwand im Zeitraum 2013-2015 611,4 Mio. €. Gemäß Erfahrungswerten betreffen aber 70% der Leistungen des ärztlichen Personals der Medizinischen Universität Wien Routineleistungen eines Zentralkrankenhauses, die nichts mit Lehre und Forschung zu tun haben, jedoch vom Wissenschaftsressort über den klinischen Mehraufwand finanziert werden.

Es ist gegenüber anderen öffentlichen Universitäten, auch aufgrund der         aktuellen budgetären Möglichkeiten, nicht argumentierbar, dass ein dreistelliger Millionenbetrag aus dem Wissenschaftsbudget in die medizinische Basisversorgung Wiens, in Teilen sogar des Burgenlands und Niederösterreichs fließt, wenn diese Versorgung in Wiener Gemeindespitälern mit ident hoher Qualität zu weniger Kosten gewährleistet werden kann.

Nach verschiedenen Berechnungen ergibt sich für den Bereich der stationären    und teilstationären Leistungen ein Kostenanteil für Forschung und Lehre um         die 22% des Gesamtbudgets. Im Bereich der ambulanten Leistungen lässt          sich ein Kostenanteil für Forschung und Lehre von ca. 50% ermitteln. Im     Vergleich zu anderen Krankenhäusern haben Universitätskrankenhäuser höhere Infrastrukturkosten, die sich zu einem durch das breite und ausdifferenzierte medizinische Leistungsspektrum, zum anderen durch die zusätzlichen Fixkosten für Forschung und Lehre ergeben. Eine Trennungsrechnung sollte grundsätzlich die Gewähr eine ausreichende Erfassung der Kostenanteile für Lehre und Forschung bieten.


In vielen Universitätskliniken ist jedoch der klinische Mehraufwand für Lehre und Forschung nicht exakt erhoben, die Abgeltung erfolgt vielmehr aufgrund von Verhandlungen. Der Anteil der Abgeltung muss aber nach betriebswirtschaftlichen Kriterien ermittelt werden.

Die Aufgabe der Medizinischen Universitäten ist die Sicherstellung des Lehr-    und Forschungsbetriebs durch die Ärzt_innen, derzeit erfolgt aber auch eine Querfinanzierung der Krankenhäuser und deren Versorgungsbetriebe, dies kann nicht im Sinne des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung sein. Die Sicherstellung des Lehr- und Forschungsbetriebes ist jedoch in der Praxis oft nicht gewährleistet. Das Beispiel der Medizinischen Universität Wien zeigt, dass die Universität aus Bundesmitteln rein für den klinischen Bereich inklusive klinischem Mehraufwand jährlich mit ca. 260 Mio € finanziert wird (2011: 262,5 Mio. €, Quelle: Rechnungshofbericht AKH 2013/7).

Der Rechnungshof kritisierte in seinem Bericht 2013 die Doppelstruktur Bund/Stadt Wien betreffend das AKH Wien und die daraus erwachsene Ineffizienz sowie die enormen Mehrkosten, im Rahmen derer ein Spitalsbett im AKH das 2,7-fache an Kosten im Vergleich zu einem Wiener Gemeindespital verursacht. Laut Bericht      des Rechnungshofes waren im Jahr 2011 1.569 Ärzt_innen an der Medizinischen Universität Wien und daher im AKH tätig, die somit aus dem Wissenschaftsbudget finanziert wurden. Die Primarärzt_innen beklagen eine fehlende Aufgaben-Definition in der ärztlichen Versorgung. Von Seiten der Stadt Wien wird das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung jedoch weiterhin ersucht, die budgetären Mittel für die Medizinische Universität zu erhöhen.

Die aufgezeigten Problemstellungen beweisen, dass das Problem des Klinischen Mehraufwandes noch lange nicht gelöst ist und daher dringender Handlungsbedarf besteht.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

1.    Welche Rolle in der medizinischen Versorgungskette sollte das AKH aus Sicht des Bundesministerium einnehmen (Versorgungsspital  der Wiener Bevölkerung vs. überregional agierendes Referenz-Zentrum für Spitzenmedizin)?

2.    Ist es aus Sicht des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung zulässig, mit einem signifikanten Anteil des Wissenschaftsbudgets die primäre Gesundheitsversorgung Wiens querzufinanzieren?

3.    Sind Gespräche zwischen dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung und dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie bezüglich einer Regelung für den klinischen Mehraufwand geplant?

4.    Sind Gespräche mit der Stadt Wien bezüglich einer Regelung des klinischen Mehraufwands am AKH Wien geplant?


5.    Welche Mehrkosten entstünden dem Land Tirol, wenn sie ein Zentralkrankenhaus ohne Beteiligung des Bundes über die Medizinische Universität Innsbruck führen müsste?

6.    Wie gewährleisten die medizinischen Universitäten die Sicherstellung des Lehr- und Forschungsbetriebs durch die Ärzte?

7.    Mit welcher fiskalen Argumentation kann seitens des Bundes einer direkten Finanzierung von Leistungen eines lokalen Krankenhauses zugestimmt werden?

8.    Mit welcher Begründung können Leistungen finanziert werden, die über universitätsmedizinische Agenden der Patient_innenversorgung im Rahmen von Klinische Studien oder zu Ausbildungszwecken des Medizin-Studiums, sowie im Rahmen der Spitzenmedizin wie Transplantationsmedizin, Orphan Diseases, etc. hinausgehen und erwiesenermaßen in umliegenden Gemeindespitälern um einen Bruchteil günstiger angeboten werden können?

9.    Sieht das Bundesministerium eine Trennung des ärztlichen Personals in Bundes- und Landes-Ärzt_innen auch für das AKH Wien als gangbare Option, vergleichbar mit der Organisationsform an den beiden Medizinischen Universitäten in Graz   und Innsbruck, wobei Landes-Ärzt_innen für die ärztliche Primärversorgung verantwortlich und von der Stadt Wien zu stellen wären?

10. Wie wird seitens des Bundesministeriums sichergestellt, dass die rezenten Empfehlungen des Österreichischen Wissenschaftsrates (z.B. in der      Publikation Governance und Partizipation) in den Leistungsvereinbarungen mit den Medizinischen Universitäten, insbesondere im Rahmen des  Reformprozesses „Universitätsmedizin 2020“ der Medizinischen Universität Wien,        weitestgehend umgesetzt werden?

11. Inwieweit plant das Bundesministerium eine unumgängliche Leistungsreduktion der medizinischen Verantwortlichkeiten des ärztlichen Bundes-Personals gegenüber der Stadt Wien zu erwirken, um die gem. UG 2002 definierte Mindestquote von 30% der Regel-Arbeitszeit an Wissenschaft und Lehre zu ermöglichen?