643/J XXV. GP

Eingelangt am 17.02.2014
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Anfrage

der Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend

betreffend: Transatlantisches Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA

                                                       BEGRÜNDUNG

Das geplante transatlantische Handelsabkommen zwischen der Europäischen Union  (EU), ihren Mitgliedstaaten und den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) steht nach wie vor in der Diskussion, insbesondere die Bereiche audiovisuelle und kulturelle Dienstleistungen, Schutz geistiger Eigentumsrechte, Landwirtschaft, Investitionsschutz, Finanzregulierung, KonsumentInnen-, Umwelt- und Datenschutz, aber auch ArbeitnehmerInnen-Rechte, Sozialstandards und die Daseinsvorsorge.

Anfang Juli wurde die erste Verhandlungsrunde zur größten Freihandelszone der Welt eingeläutet, zwei weitere Runden folgten noch bis Ende 2013. Ziel ist es, das Abkommen 2015 in Kraft treten zu lassen.

Die Entscheidung zur Aufnahme von Verhandlungen für einen transatlantischen Binnenmarkt zwischen den USA und der EU fiel vor allem vor dem Hintergrund

•          der seit 2008 andauernden Wirtschaftskrise; Wachstum und Beschäftigung diesseits und jenseits des Atlantik sollen angekurbelt werden.

•          der veränderten Kräfteverhältnisse im Welthandel; EU und USA wollen ihre Position gegenüber aufstrebenden Schwellenländern, insbesondere China, Indien und Brasilien, stärken.

•          der auf Eis liegenden multilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO; als Teil einer Mehrebenenstrategie der EU soll der bilaterale Vertrag als sog. "WTO-plus-Abkommen" die dortige Erstarrung auflösen.

Die EU-Kommission verspricht "hunderttausende" Arbeitsplätze und ein riesiges Wachstum. 120 Milliarden Euro Wirtschaftswachstum für die EU verkündet Handelskommissar de Gucht. In Wahrheit bedeutet die Riesenzahl laut seiner eigenen Studie ein zusätzliches Wachstum von gerade mal winzigen 0,5 Prozent - und das in 10 Jahren. Das macht pro Jahr im Durchschnitt 0,05 Prozent. Als Monitor Karel de Gucht mit dieser Zahl konfrontiert, kommt dieser ins Schwimmen: „Lassen Sie uns unterbrechen!“ - „Ist das die Studie, die wir bestellt haben?“ (http://www.wdr.de/tv/monitor//sendungen/2014/0130/freihandelsabkommen.php5)

Als Reaktion auf Protestmails von besorgten Bürgerinnen und Bürgern an das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, Wissenschaft und Forschung wurde wie folgt geantwortet:

„Bei den TTIP-Verhandlungen handelt es sich um ein wichtiges Vorhaben im Rahmen der gemeinsamen EU-Handelspolitik, das bedeutende Impulse für die europäische Wirtschaft und Vorteile für die europäischen Konsumenten und Arbeitnehmer bringt.

Die von Ihnen geäußerten Bedenken werden von uns sehr ernst genommen. In diesem Zusammenhang dürfen wir darauf verwiesen, dass der mit den Verhandlung des Abkommens betraute EU-Kommissar Karel De Gucht die Verhandlungen in sensiblen Bereichen ausgesetzt hat, um einer öffentlichen Debatte mehr Platz einzuräumen.

Seien Sie versichert, dass wir gemeinsam mit unseren Partnern in der EU alles daran setzen werden, dass die in den kritischen Beiträgen und Kommentaren skizzierten Negativszenarien nicht eintreten werden.“

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

                                                   ANFRAGE

 

1)  Welche nationalen Fragen sehen Sie, bzw. Ihr Ministerium, durch das TTIP berührt?

2)  Wie und mit welchen Positionen hat sich die österreichische Bundesregierung bisher in die Verhandlungen eingebracht?

3)  In der Wiener Zeitung vom 21.1.2014 vertritt Ihr Ministerium die Position, „Studien würden zeigen, dass das Abkommen auch für Österreich einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes gewährleisten könne und auch zusätzliche Arbeitsplätze entstehen würden - mit noch dazu leicht gesteigerten Löhnen.“ (http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wirtschaft/oesterreich/601688_Mitterlehner-glaubt-an-Wachstumschancen.html).

a)  Auf welche Studien bezieht sich das Ministerium?

b)  Prognostizieren diese ein höheres Wachstum pro Jahr als im Durchschnitt 0,05 Prozent?

4)  In der Wiener Zeitung vom 21.1.2014 ist über Ihr Ministerium zu lesen, „Konkret sei man für eine solche Klausel (Anmerkung Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren), weil es so "zu einer Verbesserung des Investitionsklimas" komme - etwa "zu einer verbesserten Situation von österreichischen Investoren in den USA".“

a.  Inwiefern soll Investor-to-State Dispute Settlement (ISDS) zu einer verbesserten Situation von österreichischen InvestorInnen in den USA beitragen?

b.  Die EU und die USA haben entwickelte Rechtssysteme, wieso genügen diese nicht für Streitbeilegungen?

c.  Kann das ISDS die Souveränität der Gerichtsbarkeit und der einzelnen Staaten einschränken?

d.  Können Sie ausschließen, dass ISDS InvestorInnen die Möglichkeit gibt, vorbei an nationalen oder europäischen Gerichten, gegen politische Rahmensetzungen und Verwaltungspraktiken zu klagen, wie z.B. Umwelt- und Gesundheitsauflagen oder gegen andere Formen von Sozial- und Wirtschaftspolitik? Wenn ja, wieso? Wenn nein, was folgern Sie daraus?

e.  Werden Sie sich am Konsultationsprozess der Europäischen Kommission zum Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren beteiligen? Wenn ja, mit welcher Position? Wenn nein, warum nicht?

5)  Der US-amerikanische Pharmakonzern Eli Lilly verklagt auf Grundlage des NAFTA-Abkommens die kanadische Regierung auf 500 Millionen Dollar, weil kanadische Gerichte zwei Patente auf Medikamente des Unternehmens für ungültig erklärt haben. Es gab eine Gerichtsentscheidung auf der Grundlage der kanadischen Gesetze. Eli Lilly argumentiert, sie wären davon ausgegangen, mit diesen Patenten Geld verdienen zu können. Indem nun das Gericht diese Patente für ungültig erklärt haben, habe man ihnen die erwarteten Gewinne aus diesen Patenten weggenommen und sie somit indirekt enteignet, was dem NAFTA-Abkommen entgegenstehen.

Können Sie ausschließen, dass TTIP künftig derartige Klagen aufgrund des österreichischen Rechtsrahmens gegen Österreich vor einem Schiedsgericht möglich macht.

6)  Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus den Beispielen von anderen Freihandelszonen wie z.B. NAFTA, bei denen entgegen den prognostizierten Beschäftigungszuwächsen Arbeitsplätze verloren gingen?

7)  Durch die prognostizierte Ausweitung des Handels zwischen EU und USA werden die Langstrecken-Frachttransporte samt CO2-Ausstoß zunehmen. Wie werden Sie gewährleisten, dass die Umwelt durch TTIP nicht auf der Strecke bleibt?

8)  Können Sie ausschließen, dass Bestimmungen zur Berücksichtigung sozialer und ökologischer Anliegen im öffentlichen Beschaffungswesen zur Ankurbelung der regionalen Wirtschaft dem Freihandel geopfert werden? Wenn ja, wieso? Wenn nein, was folgern Sie daraus?

9)  Wie werden Sie sicherstellen, dass arbeits- und sozialrechtliche Regulierungen nicht als handelshemmend interpretiert werden und unter Druck geraten?

10)  Wie werden Sie sicherstellen, dass das hohe Niveau an Gesundheits-, Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz sowie hohe Sicherheitsstandards erhalten bleiben?

11)  Auf welche Weise ist Ihr Ministerium in den TTIP-Diskussions- und Verhandlungsprozess involviert?

12)  In welchem Gremium auf europäischer Ebene wird dieses Abkommen verhandelt?

13)  Durch wen wird Ihr Ministerium auf europäischer Ebene vertreten?

14)  In welchen Abständen wird Ihr Ministerium über den Stand der Verhandlungen informiert bzw. kann sich Ihr Ministerium in die Verhandlungen einbringen?

15)  Auf Basis welcher Dokumente, die von wem verfasst werden, finden die Diskussionen auf europäischer Ebene statt?

16)  Hat Ihr Ministerium ein eigenes Positionspapier verfasst? Wenn ja, mit welchem Inhalt und wann wurde dieses dem Nationalrat übermittelt? Wenn nein, warum nicht?

17)  Wie erfolgt die Koordinierung zwischen jenen Ministerien, die von den TTIP-Verhandlungen betroffen sind?

18)  Wie werden Sie gewährleisten, dass das österreichische Parlament umfangreich und unverzüglich über die Verhandlungen informiert wird und die Verhandlungstexte erhält, um von seinem verfassungsmäßig verankertem Recht auf Stellungnahme Gebrauch machen zu können?

19)  Handelt es sich Ihrer Ansicht bei TTIP um ein gemischtes Abkommen, das auch von den Nationalstaaten und somit vom österreichischen Parlament ratifiziert werden muss? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wieso?