657/J XXV. GP

Eingelangt am 18.02.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Ergotherapie, logopädischer Therapie und Physiotherapie als Sachleistung

BEGRÜNDUNG

 

Die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit so genannten funktionellen Therapien (Ergotherapie, logopädische Therapie und Physiotherapie) ist in Österreich äußerst mangelhaft: so belegten schon die lückenhaften Zahlen in der Antwort 4949/AB XXIV. GP des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage 5078/J XXIV. GP und ebenso jene aus der Antwort 9068/AB XXIV. GP auf die Anfrage 9187/J XXIV. GP, dass in Österreich zu wenig Kinder und Jugendliche diese für ihre Entwicklung oft entscheidenden Behandlungen erhalten. Das Ausmaß der Unterversorgung wurde durch eine vom Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger in Auftrag gegebenen Studie „Ausgewählte Fragen zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen durch die österreichische Krankenversicherung“ von MMag. Agnes Streissler-Führer präzisiert. Die Studie wurde nach zweimaliger Korrektur in der Letztfassung im März 2013 veröffentlicht.

 

Es wurde in dieser Studie errechnet, dass im Untersuchungsjahr 2010 im Vergleich zum Versorgungsniveau in Deutschland 44.485 Kinder und Jugendliche keine Ergotherapie und 53.771 Kinder und Jugendliche keine logopädische Therapie erhielten. Die Versorgungsrate betrug für Ergotherapie 11,9% und für logopädische Therapie 27,9% des Standards in Deutschland. Die von Streissler-Führer angegebene Überversorgung bei Physiotherapien hält laut Experten einer kritischen Überprüfung nicht stand, weil nur die Zahl der behandelten Kinder und Jugendlichen, nicht aber die Zahl der Therapieeinheiten betrachtet wurden, sodass im Bereich der Physiotherapie v.a. nicht entwicklungsrelevante physikalische Therapien erfasst wurden. Insgesamt bestehen bei allen Formen der funktionellen Therapien zum Teil große Unterschiede im Versorgungsgrad in Abhängigkeit von sehr uneinheitlichen Leistungen der einzelnen Krankenkassen und von länderspezifischen, nicht durch die Sozialversicherungen finanzierten Angeboten.

 

Die eklatanten Versorgungsdefizite sind dem Ministerium schon seit Jahren bekannt. Sie wurden u.a. im „Kinder- und Jugendgesundheitsdialog“ erfasst und führten zu entsprechenden Empfehlungen in der 2011 vom Bundesministerium veröffentlichten und vom Bundesminister persönlich stark beworbenen „Kinder- und Jugendgesund-heitsstrategie“ (z.B. Ziele 15 und 16). Die dort geforderte und 2013 vom Hauptverband veröffentlichte, oben zitierte Studie führte zu Empfehlungen der Trägerkonferenz der Sozialversicherungen, die in der „Strategie der österreichischen Sozialversicherung zu bestimmten Aspekten der Kinder- und Jugendgesundheit“ festgehalten sind, die aber kaum konkrete Maßnahmen vorsieht.

 

Die genannten Therapieformen sind laut § 135 ASVG der ärztlichen Hilfe gleichgestellt und es ist laut §§ 116, 135 und 338 ASVG Aufgabe der Krankenversicherungen, diese Behandlungen für die Versicherten sicherzustellen:

„Die Versicherungsträger trifft nach herrschender Meinung[1] eine Organisationspflicht, ein entsprechendes Sachleistungssystem zu errichten.“ (Zitat aus „Nichtärztliche Leistungserbringer: Zusatzkriterien für nichtärztliche Leistungserbringer und ihre Auswirkung auf die Kostenerstattung“ von A.o. Univ.-Prof. Dr. Michaela Windisch-Graetz, Institut für Arbeits- und Sozialrecht an der Universität Wien in „Soziale Sicherheit Online“, Ausgabe 10-2013 des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger)

 

Bei Kenntnis der eklatanten Unterversorgung von Kindern und Jugendlichen mit Therapien, die für ihre Entwicklung von wesentlicher Bedeutung sind, laut ASVG der ärztlichen Hilfe gleichgestellt sind und für die den Krankenversicherungen eine Verpflichtung zur Organisation eines entsprechenden Sachleistungssystems zukommt, stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgende Anfrage:

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Gibt es österreichweite Versorgungspläne für Ergotherapie, logopädische Therapie und Physiotherapie für Kinder und Jugendliche?

a.    Wenn ja, wie viele Stellen sehen diese Versorgungspläne aufgelistet für die verschiedenen Therapieformen vor?

b.    Wenn nein, was ist der Grund für das Fehlen von Versorgungsplänen?

 

2)    Gibt es bei den einzelnen Krankenversicherungen Versorgungspläne für   Ergotherapie, logopädische Therapie und Physiotherapie als Sachleistung für Kinder und Jugendliche? 

a.    Wenn ja, wie viele Stellen sehen diese Pläne aufgelistet für die verschiedenen Therapieformen vor?

b.    Gibt es Versorgungspläne, die aufschlüsseln, wie viele Therapieplätze in Vertragseinrichtungen und wie viele in der niedergelassenen Einzelpraxis angeboten werden sollen?

c.    Wenn nein, was ist der Grund für das Fehlen von Versorgungsplänen?

 

3)    Gibt es Verträge mit freiberuflich tätigen TherapeutInnen bei den einzelnen Krankenversicherungen? Wenn ja, wie hoch ist die Anzahl der VertragspartnerInnen pro Therapieform bei den einzelnen Krankenversicherungen?

 

4)    Gibt es Verträge der einzelnen Krankenversicherungen mit anderen Einrichtungen (Ambulatorien, Vereine, Institute oder andere), die die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Ergotherapie, logopädischer Therapie und Physiotherapie als Sachleistung gewährleisten?

a.    Wenn ja, mit welchen Einrichtungen und für welche Therapien bestehen diese Verträge (namentliche Nennung)?

b.    Wie viele TherapeutInnen sind in den einzelnen Fachbereichen (Ergo/Logo/Physio) in den oben genannten Einrichtungen in welchem Stundenausmaß beschäftigt?

c.    Wie viele Therapieeinheiten werden von den oben genannten Einrichtungen bzw. deren Trägern pro Jahr abgerechnet?

d.    Gibt es Wartezeiten in diesen Vertragseinrichtungen und wenn ja, wie lange sind die Wartezeiten, aufgeschlüsselt nach Bundesländern.

 

5)    Ist die kostenfreie Sachleistungs-Versorgung im ambulanten Bereich (bei niedergelassenen TherapeutInnen und in den oben genannten Einrichtungen) bei den einzelnen Krankenversicherungen mit Ergotherapie, logopädischer Therapie und Physiotherapie im Kindes- und Jugendalter flächendeckend und ausreichend? 

 

6)    Wenn nein, welche konkreten Maßnahmen sind von den einzelnen Krankenversicherungen in welchem Zeitraum vorgesehen, um eine ausreichende und flächendeckende Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit funktionellen Therapien als Sachleistung sicherzustellen?

 

 



[1] Resch, Sozialrecht5 (2011), 73.