865/J XXV. GP

Eingelangt am 26.02.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Werner Kogler, Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend Parlamentarische Materialien

BEGRÜNDUNG

 

Seit Juli 2013 verhandelt die Europäische Kommission mit der USA ein „Transatlantisches Handels- und Investitionspartnerschaftsabkommen“ (TTIP). Dieses geplante Abkommen geht weit darüber hinaus, Zölle und Tarife von Gütern zwischen Handelspartnern abzubauen. Sein zentrales Ziel ist die Angleichung von sämtlichen Regeln, die Handelsaktivitäten betreffen, sowie die Entwicklung neuer globaler Standards für den Handel und für Investitionen.

Die Befürworter des Handelsabkommens argumentieren, dass durch die Beseitigung von Zöllen und dem Abbau so genannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse Wachstum sowohl in der EU als auch in den USA angekurbelt wird. Da es zwischen der EU und den USA nur mehr ca. 3 Prozent Zölle gibt, wird deren Beseitigung wohl nicht die erhofften Wachstumsgewinne generieren. Es ist eher zu befürchten, dass das Wachstumsversprechen des TTIP durch den Abbau bestehender Umwelt-, Verbraucher- und Sozialstandards eingelöst wird. Vor allem in Bereichen, in denen die EU-Mitgliedstaaten untereinander, aber auch die USA und die EU insgesamt noch immer große Differenzen haben, wie beispielsweise bei der Gentechnik, der Liberalisierung der Wassermärkte oder dem Abbau von alternativen Gasvorräten mit Hilfe hochgiftiger Chemikalien (Fracking) könnten bestehende Regelungen zunehmend unter Druck geraten. Nicht zu Letzt fällt darunter auch der Bereich der Arbeits- und Sozialstandards. Die USA haben bisher nur zwei der insgesamt acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. So stehen die Ratifikationen in folgenden Bereichen noch aus: die Freiheit, Gewerkschaften zu gründen, Kollektivvertrags-freiheit, Übereinkommen zur Zwangsarbeit, Übereinkommen über die gleiche Entlohnung, Übereinkommen über die Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz, Übereinkommen über das Mindestalter der Zulassung zur Beschäftigung. Es besteht damit die Gefahr, dass der Weiterentwicklung sozialer Standards in Europa mit Hinweis auf das TTIP eine Absage erteilt wird.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Welche Position vertritt Ihr Ministerium in Bezug auf ein Handelsabkommen der EU mit den USA?

2.    Welche Chancen und Gefahren sehen Sie in einem Freihandelsabkommen der EU mit den USA?

3.    Werden Sie sich dafür einsetzen, dass ein Freihandelsabkommen mit den USA nur unter der Bedingung abgeschlossen wird, dass beide Vertragsparteien alle acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifizieren, in nationales Recht umsetzen und einhalten? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, wieso nicht?

4.    Können Sie ausschließen, dass die notwendige (Re)Regulierung des krisenanfälligen Finanzsektors durch entsprechende Liberalisierungsverpflichtungen eingeschränkt wird? Wenn ja, wieso? Wenn nein, welche Einschränkungen befürchten Sie?

5.    Wird beim EU-USA-Handelsabkommen über weitere Liberalisierungen im Bereich der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen durch Arbeitskräfte verhandelt? Wenn ja, wie ist Ihre Position dazu?

6.    Können Sie gewährleisten, dass die Verhandlungen über Dienstleistungen auf Grundlage eines Positivlistenansatzes geführt werden? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wieso nicht?

7.    Werden Sie sich dafür einsetzen, dass öffentliche Dienstleistungen aus dem Anwendungsbereich des Abkommens ausgenommen werden? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, wieso nicht?

8.    Können Sie gewährleisten, dass es bei öffentlichen Dienstleistungen zu keinen Marktöffnungen kommen wird? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, wieso nicht?

9.    Werden Sie sich dafür einsetzen, dass es zu keiner Aushöhlung nationaler und lokaler Regulierungsautonomie kommt? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, wieso nicht?

10. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass hinsichtlich der anzuwendenden arbeits- und sozialrechtlichen Bestimmungen sowie der Einkommensbestimmungen und der Anwendung von Kollektivverträgen das Ziellandprinzip einzuhalten ist? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn nein, wieso nicht?

11. Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus den Beispielen von anderen Freihandelszonen wie z.B. NAFTA, bei denen entgegen den prognostizierten Beschäftigungszuwächsen Arbeitsplätze verloren gingen? Sehen Sie solche Gefahren auch durch das EU-USA-Handelsabkommen?

12. Durch die prognostizierte Ausweitung des Handels zwischen EU und USA werden die Langstrecken-Frachttransporte samt CO2-Ausstoß zunehmen. Wie werden Sie gewährleisten, dass die Umwelt durch TTIP nicht auf der Strecke bleibt?

13. Können Sie ausschließen, dass Bestimmungen zur Berücksichtigung sozialer und ökologischer Anliegen im öffentlichen Beschaffungswesen zur Ankurbelung der regionalen Wirtschaft dem Freihandel geopfert werden? Wenn ja, wieso? Wenn nein, was folgern Sie daraus?

14. Wie werden Sie sicherstellen, dass arbeits- und sozialrechtliche Regulierungen nicht als handelshemmend interpretiert werden und unter Druck geraten?

15. Wie werden Sie sicherstellen, dass das hohe Niveau an Gesundheits-, Umwelt-, KonsumentInnen- und Datenschutz- sowie hohe Sicherheitsstandards erhalten bleiben?

16. Welche Gefahren sehen Sie, wenn Vorschriften zum geistigen Eigentum in das Abkommen aufgenommen werden? Falls Sie keine Gefahren sehen, wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

17. Beim TTIP besteht die Gefahr, dass künftig weitergehende Regulierungen nur noch unter Zustimmung des jeweiligen Vertragspartners möglich wären. Können Sie gewährleisten, dass es durch das Abkommen zu keiner Einzementierung des bestehenden Rechtsbestands kommt und auch in Zukunft Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, Verbraucherschutz-, Gesundheits-, Produktsicherheits- und Datenschutzstandards in Europa weiter entwickelt werden können, ohne dass hierfür ein Einvernehmen mit den USA hergestellt werden muss?

18. Werden Sie sich am Konsultationsprozess der Europäischen Kommission zum Investor-Staat-Streitbeilegungsverfahren (ISDS) beteiligen? Wenn ja, mit welcher Position? Wenn nein, warum nicht?

19. Können Sie ausschließen, dass ISDS InvestorInnen die Möglichkeit gibt, vorbei an nationalen oder europäischen Gerichten, gegen politische Rahmensetzungen und Verwaltungspraktiken zu klagen, wie z.B. Umwelt- und Gesundheitsauflagen oder gegen andere Formen von Sozial- und Wirtschaftspolitik? Wenn ja, wieso? Wenn nein, was folgern Sie daraus?

20. Die EU und die USA haben entwickelte Rechtssysteme, sind Sie auch der Meinung, dass diese für Streitbeilegungen genügen? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wieso nicht?

21. Auf welche Weise ist Ihr Ministerium in den TTIP-Diskussions- und Verhandlungsprozess involviert?

22. In welchen Abständen wird Ihr Ministerium auf Basis welcher Dokumente über den Stand der Verhandlungen informiert bzw. kann sich Ihr Ministerium in die Verhandlungen einbringen?

23. Hat Ihr Ministerium ein eigenes Positionspapier verfasst? Wenn ja, mit welchem Inhalt und wann wurde dieses dem Nationalrat übermittelt? Wenn nein, warum nicht?

24. Wie erfolgt die Koordinierung zwischen jenen Ministerien, die von den TTIP-Verhandlungen betroffen sind?

25. Wie werden Sie gewährleisten, dass das österreichische Parlament umfangreich und unverzüglich über die Verhandlungen informiert wird und die Verhandlungstexte erhält, um von seinem verfassungsmäßig verankertem Recht auf Stellungnahme Gebrauch machen zu können?

26. Handelt es sich Ihrer Ansicht nach bei TTIP um ein gemischtes Abkommen, das auch von den Nationalstaaten und somit vom österreichischen Parlament ratifiziert werden muss? Wenn ja, wieso? Wenn nein, wieso nicht?