866/J XXV. GP

Eingelangt am 26.02.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde an Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur

betreffend rassistische und diskriminierende Inhalte in Schulbüchern und sonstigen Unterrichtsbehelfen

BEGRÜNDUNG

 

Vor Kurzem wurde ein Fall bekannt, in dem ein Legasthenietest mit völlig veralteten Materialien aus dem Jahr 1972 (!) und mit als rassistisch zu klassifizierenden Wortbeispielen an einer Wiener Schule durchgeführt wurde. Dies und die Ergebnisse einer rezenten Untersuchung zum Thema „Migration(en) im Schulbuch“ haben Anlass gegeben, das Thema von Diskriminierung und Rassismus in Lehrbüchern in einer breiteren Öffentlichkeit kritisch zu diskutieren.

Es ist in Lehrmaterialien und -Inhalten insbesondere dem Faktum Rechnung zu tragen, dass Österreich zu einer Einwanderungsgesellschaft geworden ist und dies auch in der Herstellung und Verwendung von Unterrichtsmaterialien Niederschlag finden muss. Rassistische und/oder diskriminierende Inhalte waren auch in der Vergangenheit nicht zu rechtfertigen. Jedoch bedarf es spätestens jetzt einer systematischen Überprüfung und Neubestimmung von Inhalten, um der Lebensrealität und Würde jener SchülerInnen gerecht zu werden, die ihre Wurzeln nicht in Österreich, sondern in anderen Regionen der Welt haben. So mag es für SchülerInnen mit türkischen Wurzeln seltsam erscheinen, wenn in diversen Unterlagen von den Eroberungsfeldzügen und Belagerungen der Türken die Rede ist und die – bekanntermaßen gewaltsame – Kolonisierung Amerikas unter der positiv konnotierten Überschrift „Zeitalter der Entdeckungen“ firmiert.

In der o.g. Studie stellen die Autorinnen fest, dass in zahlreichen Schulbüchern Migration vorwiegend in einem problembehafteten Kontext gestellt und in Überschriften und Betitelungen wie „überfüllte Boote“, „Ansturm auf die Festung Europa“, „Exodus aus Afrika“ und über Flüchtlinge aus Ungarn im Jahr 1956: „Das Bundesheer sicherte die Grenzen, über die sich ein Strom von Hundertausenden Flüchtlingen ergoss“ abgehandelt wird.[1]

Wissenschaftlich ist längst erwiesen, dass Sprache immer Spiegelbild eines kulturell und ideologisch geprägten Weltbildes ist und zudem auch Einstellungen (re)produziert. Daher ist es unabdingbar, Quellen sprachkritisch zu analysieren, Begrifflichkeiten, die im gesellschaftlichen Diskurs verwendet werden, zu hinterfragen und generell die Inhalte von Schulbüchern der Realität einer diversifizierten Gesellschaft anzupassen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Inwieweit erfolgt bei der Approbation von Schulbüchern eine kritische Analyse von rassistischen und/oder diskriminierenden Inhalten?

2)    Wie ist es zu erklären, dass in der jüngeren Zeit Schulbücher approbiert wurden, die Formulierungen, wie jene, die in der Begründung dieser Anfrage angeführt wurden, enthalten?

3)    Wie ist es möglich, dass in einem approbierten Schulbuch wie „Vielfach Deutsch 3“ (ÖBV) Formulierungen enthalten sind, die „Westafrika“ und „Arabien“ als ein Land darstellen und zudem mit klischeehaften Inhalten verknüpfen („In Arabien sind Kamelrennen sehr beliebt.“)?

4)    Existiert ein einschlägiger Kriterienkatalog für die Approbationen von Schulbüchern, der die Verwendung von diskriminierenden und/oder rassistischen Formulierungen und Inhalten explizit erwähnt und ausschließt?

5)    Werden Schulbuchverlage außerhalb der Verweise auf die Lehrpläne angewiesen, ethno- und eurozentristische Inhalte und Formulierungen – vor allem auch in Hinblick auf überarbeitete Neuauflagen – zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren?

6)    Inwiefern sind für die LehrerInnenaus- und -fortbildung Veranstaltungen zur Sprachsensibilisierung vorgesehen?

7)    Welche Richtlinien gibt es für die Verwendung von veralteten Lehrmaterialien?

8)    Welche Maßnahmen sind vorgesehen, wenn Unterrichtende Lehrmaterialen zum Einsatz bringen, die – wie im Falle des Legasthenietests – wohl unbestritten veraltet sind?



[1] Vgl. Christa Markom, Heidemarie Weinhäupl: Migration diskursiv: Problematisierung und Sprachkritik in Schulbuch und Schule. In: Susanne Binder, Hanna Klien, Eva Kössner (Hg.): Wenn KSA zur Schule geht: Kultur- und Sozialanthropolog_innen im Bildungsbereich zwischen Forschung und Praxis. Konferenzbericht: 8. Tage der Kultur- und Sozialanthropologie 2013.Sondernummer Austrian Studies in Social Anthropology (ASSA), unter: http://www.univie.ac.at/alumni.ksa/images/text-documents/ASSA/ASSA-KSA2013_WennKSAzurSchuleGeht.pdf, 15-21.