977/J XXV. GP

Eingelangt am 06.03.2014
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ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Nachbaur, Weigerstorfer

Kolleginnen und Kollegen

an den Herrn Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

 

betreffend „Grundlegende Veränderungen durch das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP)“

 

Die Abkürzung TTIP steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership und bezeichnet ein geplantes Handelsabkommen zwischen den USA und der EU. Das Mandat der Europäischen Kommission für die Verhandlungen zum TTIP wurde nur zwischen der Europäischen Kommission und dem Europäischen Rat vereinbart. Weder das EU Parlament noch die nationalen Parlamente konnten den Inhalt der Vertragsentwürfe mitgestalten.

Ziel ist es, Handelshindernisse in “nicht-handelspolitischen Bereichen” zu beseitigen und Investitionsschutzabkommen zu schließen, solchen Konzernen denselben Rechtsstatus wie Nationalstaaten verleihen. Konkret birgt dieses Vorhaben die Gefahr, dass Sozial-, Daten-, Gesundheits- und Öko- und Verbraucherschutz-Standards der EU unter dem Deckmantel „Wirtschaftswachstum“ herabgesetzt werden könnten. Obwohl dies seitens der EU und Befürwortern des Abkommens vehement bestritten wird, äußern viele Kritiker und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) die Befürchtung, dass, angesichts von Erfahrungen mit früheren Handels- und Investitionsabkommen, genau das passieren könnte.

Fraglicher Effekt auf das Wirtschaftswachstum

Die Meinungen, inwiefern TTIP das Wirtschaftswachstum der EU positiv beeinflussen könnte, unterscheiden sich stark. Während die als wirtschaftsnah geltende Bertelsmann-Stiftung in einer Studie einen fünf prozentigen Anstieg des jährlichen BIPs prognostiziert, berechnet die Rechtsanwältin und globalisierungskritische Verbraucherschützerin Lori Wallach in einem Artikel für „Le Monde Diplomatique“ statistisch irrelevante 0,06 Prozent. Sie kritisiert die empirisch längst widerlegte Annahme, dass Zollsenkungen stets eine starke Wirtschaftsdynamik auslösen. Der Chefunterhändler der EU zum TTIP, Ignacio Garcia Bercero, bezifferte die potentielle Steigerung mit 0,5 Prozent. Sogar die EU gibt zu, dass es sich bei dem geplanten Abkommen nicht vorrangig um ein Handelsabkommen handelt. Eine Studie (Reducing Transatlantic Barriers to Trade and Investment, Joseph Francois (project leader), Centre for Economic Policy Research, London) im Auftrag der EU-Kommission kommt zu einem ernüchternden Schluss. Demnach würde sich das jährliche BIP der Eurozone von derzeit 12.900 Milliarden Euro bis zum Jahr 2027 im schlechtesten Fall nur um 24 Milliarden Euro erhöhen.


Kritik: Intransparente Verhandlungen

Einer der größten Kritikpunkte sind die intransparenten Verhandlungen. Lange war nicht einmal zu beantworten, wer überhaupt für die EU verhandelt. Die in Brüssel ansässige NGO Corporate Europe, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Einfluss der Industrie auf die EU-Politik offen zu legen, brauchte mehrere Anläufe, um die Namen der treibenden Kräfte hinter TTIP herauszufinden. Die EU-Kommission beantwortete diesbezügliche Anfragen ausweichend oder unvollständig. Erst als sich Corporate Europe an die US-Behörden wandte, erhielt die NGO eine klare Antwort. Dan Mullaney ist der TTIP-Chefverhandler der USA, Ignacio Garcia Bercero sein Konterpart auf EU-Seite. Aber auch der US-Handelsbeauftragte Michael Forman und der EU-Wettbewerbskommissar Karel De Gucht spielen in den Verhandlungen eine große Rolle. Auch ist der aktuelle Verhandlungsstand nicht öffentlich, obwohl die EU-Kommission in einem Papier (Issues paper Communicating on TTIP - Areas for cooperation between the Commission services and Member States, 7.11.2013) bestätigte, dass es sich bei TTIP um die weitreichendsten Veränderungen der Gesellschaften in Europa seit langem handelt. Sie wisse, dass die „Breite der Themen, die diskutiert werden, viel breitere Elemente der politischen Willensbildung enthalten, als dies bei einem traditionellen Handelsabkommen der Fall sei“.

Zwar gab es bis jetzt nach jeder Verhandlungsrunde ein Treffen in Brüssel mit Mitgliedern von Interessensvertretern (NGOs, Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen). Die Informationen über den Stand der Verhandlungen waren dabei im besten Fall oberflächlich und sollen anscheinend den Schein der Transparenz wahren.

 

Kritik: Dominanz der Lobbyisten

Im Gegensatz zur Zivilbevölkerung werden Lobbyisten und Industrie massiv in die Verhandlungen eingebunden. Laut der „Deutsche Wirtschafts Nachrichten“ vom 22.12.2013 zeigen schon die geheimen Vorverhandlungen zum TTIP auf, dass das Abkommen von und für die Konzerne gemacht wird. Auf der geleakten Teilnehmerliste der ersten Vorverhandlungen finden sich u.a. Vertreter von Großbanken wie Morgan Stanley, Abgesandte von Rüstungskonzernen wie BAE Systems und geopolitische Think Tanks wie der Council on Foreign Relations. Auch Großkonzerne wie Nokia, Daimler und Allianz gehören zu den privilegierten Gästen. Zudem waren verschiedene Interessensgruppen der Industrie und Wirtschaft wie die U.S. Handelskammer, der deutsche BDI und die British Bankers Association anwesend, um ihre Positionen zu vertreten.

Wer genauer wissen möchte, was mit TTIP auf Europa zukommt, muss die Papiere durcharbeiten, die allerlei Lobbyorganisationen und Interessenvertretungen bei der EU eingereicht haben. So setzt sich die Musikindustrie für stärkere Urheberrechte ein. Auch der Datenschutz wird in diesem Zusammenhang als Handelshemmnis bezeichnet. Die Spielzeugindustrie ist der Meinung, dass Vorschriften zum Schutz der Kinder in aller Regel „politically motivated“ seien und würden gar nichts bringen: „these measures only add burden to companies without introducing a significant difference in the level of safety.“ Die Lobbyisten der Finanzindustrie drängen darauf, alle Finanzdienstleistungen im Freihandelsabkommen abzudecken. Das würde den Banken und Versicherern aus der City of London und der Wall Street erlauben, sich den neuesten Regeln zur Kontrolle der Industrie zu entziehen. Andreas Geiger von der einflussreichen Lobbyagentur Alber & Geiger wird vor Verhandlungsbeginn in diversen Medien so zitiert: „US-Saatgutfirmen, die sich ein Jahrzehnt bemüht haben, den Stillstand bei der Zulassung ihrer Saaten zu brechen, werden nun mit der ultimativen Möglichkeit dabei sein, den gesamten Prozess nach ihrem Bedarf zu ändern.“ Er muss es wissen, schließlich ist Bernard Auxenfans, zuletzt Monsanto-Chef für Europa, den Nahen Osten und Afrika, einer seiner Mitarbeiter.

Kritik: Ende der Demokratie

Von der NGO Corporate Europe Observatory geleakte Dokumente beweisen, dass in den laufenden Verhandlungen zu TTIP auch über eine sogenannte regulatorische Kooperation gesprochen wird. Damit soll ein Mechanismus etabliert werden, der Stakholdern (Konzernen, etc.) ein verbindliches Mitspracherecht bei der Erstellung von Gesetzesentwürfen noch vor dem Beginn des Gesetzgebungsprozesses einräumt. Dadurch würde die Demokratie ausgehebelt und PolitikerInnen offiziell zu Handlangern der Wirtschaft degradiert werden.

Ein Dorn im Auge ist den Kritikern auch die geplante Investor-Staats-Schiedsgerichtsbarkeit (ISDS – Investor-to-State Dispute Settlement). Ein Schiedsgericht soll Unternehmen die Möglichkeit geben, Staaten auf Schadenersatz zu verklagen, wenn durch bestimmte Gesetze die Gewinnerwartungen der Unternehmen beeinträchtigt werden. Der Investitionsschutz wurde ursprünglich vereinbart, um das Engagement von Unternehmen in Entwicklungsländern zu fördern. Firmen sollten vor internationalen Schiedsgerichten klagen können, wenn sie etwa in Staaten enteignet werden, die keine unabhängige Justiz haben. Dies ist in der EU nicht der Fall. Wird dieses Vorhaben dennoch umgesetzt, könnte schon die Aussicht auf einen Rechtsstreit Gesetzesvorhaben stoppen. Zudem gebe es keine Kontroll- oder Revisionsinstanz, bei der man den Rechtsstreit weitertragen könnte, das Urteil wäre verbindlich, das parallele Rechtssystem installiert.

Der schwedische Stromkonzern Vattenfall hat in Deutschland aufgrund des Atomausstiegs zwei Atomkraftwerke (Brunsbüttel und Krümmel) abstellen müssen und will deshalb 3,5 Milliarden Euro Entschädigung. Vattenfall verklagte 2012 die Bundesregierung auf Schadenersatz beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) in Washington. Laut Unctad, der UN-Organisation für Handel und Entwicklung, gab es bis Ende 2012 insgesamt 514 öffentlich bekannte Investor-Staat-Schiedsverfahren, die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen. Im Jahr 2012 wurden mindestens 58 neue Klagen eingereicht, vor zehn Jahren waren es halb so viele. 31 Prozent aller bei Unctad gelisteten Streitfälle wurden zugunsten des Investors entschieden, 42 Prozent zugunsten des Staats; in 27 Prozent der Fälle gab es eine Einigung (Taz, 23.12.2013). Der Energieriese Chevron fordert in einem Brief an die US-Regierung, dass Investitionsstreitgkeiten vor einem "neutralen Forum" ausgetragen werden sollen. Nicht nur "bestehende" Investitionen in Osteuropa, sondern auch "zukünftige" (etwa in Österreich) müssten besser geschützt werden. Dafür schlägt Chevron der US-Regierung den umstrittenen Investor-State-Dispute-Settlement Mechanismus (ISDS) und damit die Implementierung von Schattengerichten vor.

Kritik: Verbraucherschutz wird ausgehebelt

Ein weiteres geleaktes Dokument deutet darauf hin, dass den Nationalstaaten die Kompetenzen für den Verbraucherschutz entzogen werden sollen. Um die Interessen der Lobbyisten zu stärken, soll eine transatlantische Super-Behörde geschaffen werden, an die Politiker die unliebsamen Verbraucherschutzfragen abschieben können. Noch bevor es künftig zu EU-Verordnungen oder Richtlinien kommt, sollen die US-Handelskammer und die EU-Kommission in einen direkten Dialog treten. So sollen „Handelshindernisse“ erst gar nicht entstehen. Bei dennoch strittigen Themen wird die Lösungsfindung an eine übernationale Behörde weitergeleitet, den sogenannten „Regulativen Rat“. Diese transatlantische Aufsichtsbehörde würde es den Verhandlungspartnern erlauben, ihre Meinungsverschiedenheiten solange aufzuschieben, bis das Abkommen unterschrieben ist. Das heißt, etliche Fragen werden erst nach Unterzeichnung des Abkommens gelöst! Ist das Abkommen einmal unterschrieben, können Änderungen nur im allgemeinen Einverständnis vorgenommen werden.


Kritik: Liberalisierungsbestrebungen durch die Hintertüre

Der auf den OECD-Kodizes basierte Liberalisierungsansatz etablierte die Stillstands-Klausel (standstill clause), die mittlerweile auch Eingang in völkerrechtliche Verträge gefunden hat. Sie besagt, dass keine gesetzlichen Regelungen beschlossen werden dürfen, die den Freihandelsaustausch von Waren, Dienstleistungen, Kapital und allem, was handelbar ist, behindern dürfen, und dass die Gesetze, die diesen freien Austausch noch behindern, nur in ihrer einschränkenden Wirkung gemindert, aber nicht erhöht werden können. Und wenn sie einmal vermindert worden sind, dürfen sie nicht wieder neu erhöht werden.

Das bedeutet, die nationalen Parlamente haben gar nicht mehr die Möglichkeit, bestimmte Gemeinwohlgüter stärker zu schützen als früher, wenn dem ein Freihandelsabkommen mit so einer Standstill-Klausel entgegensteht, weil das nun weitgehend schon liberalisiert ist. Auch wenn laut EU in bestehende Regelungen nicht eingegriffen wird, neue Regelungen wie Schutzmaßnahmen werden auch nicht mehr möglich sein.

Neben TTIP wird momentan TISA (Trade and Service Agreement) verhandelt, welches die nationalen Dienstleistungsmärkte für ausländische InvestorInnen öffnen soll. Dies birgt die Gefahr der Liberalisierung öffentlicher Güter (Bildung, Gesundheit, Abfallentsorgung). Hier möchte die EU-Kommission den Ansatz „Negativlisten“ einfließen lassen. Alles, was nicht auf der Liste steht, wird liberalisiert. Mit den USA als Handelspartner erhält die „Negativliste“ zudem Auftrieb, da dieses Modell für das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) entwickelt wurde. Auch bei TTIP soll ähnlich vorgegangen werden, wenn TISA den Weg bereitet hat.

Kritik: Aufweichung der EU-Standards

In der EU herrscht das sogenannte Vorsichts- bzw. Vorsorgeprinzip, dem zufolge etwas erst dann erlaubt ist, wenn es für sicher befunden wurde. Die USA hingegen agieren gegenteilig, hier muss zuerst der Beweis der Schädlichkeit vorgebracht werden. Hier beginnt der Kampf David gegen Goliath, denn großen Unternehmen fällt es leichter, als betroffene Ottonormalverbrauchern, in ihrem Sinn aussagekräftige Studien erstellen zu lassen. Wer zahlt, schafft an.

Diese beiden Prinzipien sind grundunterschiedlich und es stellt sich die Frage, wie bei dieser Ausgangsposition eine kompatible Weichenstellung für zukünftige Handelsbeziehungen gestellt werden soll.

Stuart Eizenstat, ehemaliger US-Botschafter, Berater mehrerer US-Präsidenten, einer der einflussreichsten Ideengeber des Abkommens (Transatlantic Business Council): „Ich finde, die Standards in Europa haben ein unbegründetes Niveau, das wissenschaftlich nicht fundiert ist. Einer der großen Herausforderungen der Verhandlungen wird sein, einen Mittelweg zu finden, wonach die Verbraucher in Europa das gleiche Vertrauen haben: Was für die Amerikaner gutes Essen ist, ist auch für die Europäer gutes Essen.“ ("If it's good for american families to eat, it's also good for Europeans", Quelle: Youtube www.youtube.com/watch?v=wcoue-mlQxw)

Während besorgte Skeptiker und Kritiker des Freihandelsabkommens in Europa Angst vor einer Marktüberschwemmung mit gentechnisch veränderten Lebensmitteln haben, bestritt die EU-Kommission diesen Vorwurf lange. Vorschriften betreffend gentechnisch veränderter Lebensmittel beispielsweise wären nicht Gegenstand der Verhandlungen. Spätestens seit dem die US-Regierung und US-Landwirtschaftsverbände offiziell auf Verhandlungen über Hormonfleisch und gentechnisch veränderte Organismen mit Nachdruck bestehen, sollte sich die EU-Kommission andere kalmierende Argumente überlegen.

Auch hinsichtlich Klonfleisch sind die Türen trotz gegenteiliger Behauptungen seitens der EU-Kommission weit offen. Verboten werden sollen der Einsatz von Klontechnik bei landwirtschaftlichen Nutztieren und die Einfuhr von geklonten Tieren sowie das Inverkehrbringen von Lebensmitteln von Klontieren. Die Hintertüre bleibt offen: Keine Kennzeichnungsregelung. gibt es für die Nachfahren geklonter Tiere. Die Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) versucht eine Diskussion im Keim zu ersticken, für sie gibt es „in Bezug auf Lebensmittelsicherheit keine Hinweise darauf, dass Unterschiede zwischen Lebensmittelerzeugnissen, die von Klonen und deren Nachkommen oder von herkömmlich gezüchteten Tieren bestehen", betont aber, bisher "keinen Standpunkt zu der Frage entwickelt zu haben, ob das Klonen nutzbringend ist".

Als Handelshindernis gelten auch die europäischen Nachhaltigkeitsstandards bei Biokraftstoffen und die EU-Chemikalienrichtlinie REACH, aber auch die EURO-Norm für Auto-Emissionswerte. Neben diesen bestehenden Regelungen gefährdet TTIP aber auch die Regulierung zukünftiger Technologien, wie zum Beispiel die gefährliche Gewinnung von Gas durch Fracking. 

Das Abkommen ermöglicht klimaschädliche Fracking-Gas- und Kohlexporte aus den USA nach Österreich. Der Umstieg auf eine klimafreundliche Energieversorgung im Rahmen der Energiewende ist durch neue Klagerechte für Konzerne in Gefahr!

Darüber hinaus lassen EU-Positionspapiere wie jenes zu „Rohmaterialien und Energie“ befürchten, dass der europäische Markt für „Fracking“ bzw. gefracktes Gas geöffnet werden soll. Die USA haben aufgrund des riesigen Angebots an Erdgas Interesse am Export, um dem preislichen Tiefstand Auftrieb zu erteilen. Nachdem in den USA die Erdgas-Industrie von vielen Regulierungen (wie Gesetzen zum Schutz von sauberer Luft und sauberem Wasser) befreit ist, gilt es nunmehr dementsprechende Regulierungen auf EU-Ebene auszuhebeln.

Auch die Standards der EU hinsichtlich Arbeitsrechte dürften betroffen sein. Erfahrungen aus früheren Handelsabkommen lassen vermuten, dass nicht so viele Arbeitsplätze entstehen werden, wie versprochen wurde. Mehr Handel bedeute nicht per se mehr Stellen, sondern nur, dass die Arbeitsteilung verstärkt werde, was höhere Effizienz bedeutet. Ein positiver Effekt auf die Beschäftigung erfolgt dann nur bei erhöhter Nachfrage. Auch eine potentielle Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ist möglich, da Beschäftigte in den USA weniger Rechte haben und weniger verdienen. Ein Blick auf die Erfahrungen mit dem Freihandelsabkommen Nafta zwischen den USA, Kanada und Mexiko bestätigt: Obwohl ein deutlicher Zuwachs bei Arbeitsplätzen und Wirtschaftswachstum in Aussicht gestellt wurden, haben sich die Prognosen nicht erfüllt, lediglich das Handelsvolumen hat zugenommen. Davon profitiert haben große Unternehmen.

Kritik: Wo bleibt der Aufschrei der österreichischen Bundesregierung?

Neben der Zivilgesellschaft werden auch demokratisch gewählte Parlamente nicht direkt in den Verhandlungsprozess eingebunden. De facto wird das Abkommen von ungewählten Bürokraten verhandelt, die den Interessen großer Industriekonzerne folgen.

Bereits am 19. Februar 2014 fand im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages ein öffentliches Fachgespräch zum TTIP statt, bei dem Abgeordnete aller Fraktionen deutlich machten, dass sie sich unzureichend informiert fühlen, weil die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen stattfänden und die Parlamente der Mitgliedsstaaten unzureichend in die Entscheidungsprozesse einbezogen würden. Diese Sorge scheint Österreich nicht zu teilen. Selbst der Bundespräsident Fischer beurteilte das Abkommen als „Schritt in die richtige Richtung.“ (diverse Medien, 21.01.2014).

EU-Handelskommisar Karel De Gucht zeigte sich laut "Standard" in dem Brief "zunehmend besorgt über den immer negativeren Ton" zum Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU und insbesondere dem Investitionsschutz und forderte die Mitgliedsstaaten auf, sich "proaktiv" in die Debatte einzubringen. Auf eine eigeninitiative Informationspolitik wartet man noch immer vergebens (Stand: 1.März 2014).

Der zuständige Bundesminister Mitterlehner bestätigt in einer Anfragebeantwortung (337/AB) den österreichischen Standpunkt: „Österreich ist daher von Anfang an für die Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels einschließlich Regeln für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Gaststaaten in die TTIP Verhandlungen eingetreten.“ Österreich befürwortet also das Schiedsgericht, die regulatorische Kooperation (Einbindung von Steakholdern in gesetzlichen Entstehungsprozess) und den regulativen Rat (transatlantische Aufsichtsbehörde, die strittige Themen nach Vertragsunterzeichnung angeht).

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.    In Anfragebeantwortung 227/AB ist die Rede von wöchentlich stattfindenden Koordinierungssitzungen, die von Ihrem Ressort einberufen werden. Wie viele Sitzungen wurden ab wann mit welchem jeweiligen Verhandlungsinhalt abgehalten? Bitte um entsprechende Auflistung inklusiver Teilnehmerliste.

 

2.    Sie koordinieren die österreichische Position. Wie lautet diese?

 

a)    Wie beurteilen Sie die verschiedenen Studien zum erwartenden Wirtschaftswachstum durch TTIP jeweils, insbesondere in Hinblick auf die unterschiedlichen Ergebnisse?

b)    Wer war bei der Erstellung der österreichischen Position eingebunden? Wann- und durch welche Informationen der geheimen Verhandlungsrunden bzw. Vorgespräche untermauert- ist die österreichische Position definiert worden?

c)    Wie beurteilen Sie die Negativliste hinsichtlich Liberalisierungsbestrebungen? Liegt Ihnen diese Liste vor? Wenn ja, wie lautet der Inhalt?

d)    Wenn nein, ist es Ihnen möglich Einsicht in diese Liste zu bekommen?

 

3.    In zitierter AB ist die Rede von einer von Ihrem Ressort in Auftrag gegebenen Studie, die zum Ergebnis kommt, dass TTIP „zu einer Erhöhung des BIP um 1,7 % zu um rund 1 % höheren Löhnen und zu einem Anstieg der Beschäftigung um rund 0,5 % (dies entspricht 20.000 Arbeitsplätzen) führen kann.“ Wer hat diese Studie erstellt?

 

a)    Aufgrund welcher Qualifikation wurde eben dieser Verfasser mit der Studienerstellung beauftragt?

b)    Wann wurde diese Studie in Auftrag gegeben und wann wurde Sie vorgelegt?

c)    Wie hoch waren die Kosten für diese Studie?

d)    Wo ist diese Studie veröffentlicht? Falls nicht: Bitte um Übermittlung dieser Studie

 

4.    Sehen Sie im TTIP-Freihandelsabkommen Risiken, die Auswirkungen auf Österreich haben könnten? Wenn ja, welche und wie wollen Sie diesen entgegenwirken?


5.    In zitierter AB meinten Sie: „Die finalen Texte des Abkommens sind jedenfalls sowohl durch das Europäische Parlament, als auch durch die nationalen Parlamente aller EU-Mitgliedsstaaten zu ratifizieren“. Im Europaparlament wird allerdings kritisiert, dass  bezüglich der Ratifizierung keine konkreten Informationen vorliegen. Können Sie ausschließen, dass es zu keiner Abstimmung im österreichischen Parlament kommen wird? Wenn ja, auf welche Quellen berufen Sie sich?

 

6.    Sie befürworten, wie eingangs erwähnt, die Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels einschließlich Regeln für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Gaststaaten. Würde eine mögliche Klage vor dem Schiedsgericht (inklusiver Millionen oder Milliardenforderung) den politischen Entstehungsprozess von Gesetzesvorhaben beeinflussen?

 

a)    Welche Rechtsverbindlichkeit bietet das regualtorische Prinzip, bzw. welche möglichen Konsequenzen würde eine Nichtbeachtung von Stellungnahmen von Interessensvertretern/Stakholdern im gesetzlichen Entstehungsprozess mit sich bringen?

b)    Auf welche Quellen berufen Sie sich in Ihrer Beantwortung?

c)    Welche möglichen Auswirkungen hat ein „regualtiver Rat“ (wo strittige Themen erst nach Vertragsunterzeichnung geklärt werden) auf die Souveränität der Politik?

 

7.    Planen Sie eine Informationsoffensive der Bevölkerung? Wenn ja, wann und in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?

 

8.    Ist Ihnen die vollständige Teilnehmerliste der jeweiligen geheimen Verhandlungsrunden bekannt? Wenn ja, wie lautet diese Ihrer Kenntnis nach? Wenn nein, warum nicht?

 

a)    Sind Sie diesbezüglich zur Geheimhaltung verpflichtet? Wenn ja, durch wen und welchen Inhalt betrifft diese Geheimhaltung?

 

9.    Es fand bis jetzt nach jeder Verhandlungsrunde ein Treffen in Brüssel mit Mitgliedern von Interessensvertretern (NGOs, Gewerkschaften, Umweltschutzorganisationen) statt. Wie können Sie den Informationsgehalt beurteilen, wenn die Verhandlungen selbst geheim sind? Können Sie ausschließen, dass diese Informationen nicht vollständig sind?

 

10.  Können Sie ausschließen, dass der fertige Vertragstext eine Stillstands-Klausel (standstill clause) beinhalten wird?

 

11.  Können Sie ausschließen, dass Nachfahren von geklonten Tieren, für die es seitens der EU keine Regelung gibt, zukünftig importiert werden?

 

12.  Laut EU soll der Markt für Fracking in der EU geöffnet werden. Im Gegensatz zu Frankreich konnte sich Österreich noch zu keinem Verbot durchringen. Auch wenn in Österreich eine UVP nötig ist, ist sie es auf EU-Ebene nicht. Können Sie ausschließen, dass die österreichische UVP-Pflicht für Fracking durch das TTIP (spätestens vor dem geplanten Schiedsgericht) umgangen werden kann? Wenn ja, auf welche Rechtsgrundlage berufen Sie sich? Wenn nein, wie wollen Sie dem gegensteuern?