1252/J XXV. GP

Eingelangt am 31.03.2014
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Doppler

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Gesundheit

betreffend ELGA-Austritte

 

 

www.salzburger-fenster.at berichtete unlängst unter dem Titel "Trotz bürokratischer Hürden schon 800.000 Austritte aus ELGA?" folgenden Artikel:

"Die staatliche Erfassung aller Gesundheitsdaten stößt auf enormen Widerstand. Laut SF-Recherchen gibt es eine Abmeldewelle aus dem Projekt ELGA.

Die Betreiber des neuesten staatlichen Datenprogramms dementieren heftig, was das SF in verschiedenen Quellen recherchiert hat: Dass es weitaus mehr Abmeldungen aus dem Projekt „Elektronischer Gesundheitsakt“ (ELGA) gibt, als offiziell zugegeben wird.

So schilderte eine registrierte Leserin des „Standard“, dass sie sich am 4. Jänner 2014 bei der Widerrufsstelle des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger von ELGA abgemeldet habe. Erst am 12. Februar sei die Bestätigung gekommen – „mit einer Entschuldigung, dass es aufgrund der etwa 800.000 Widersprüche zu einer Verzögerung gekommen ist“, schreibt die Leserin. In einer SF-Anfrage im ELGA-Callcenter wurde diese Zahl ebenfalls bestätigt.

Stimmt nicht!, beharrt man bei ELGA. Bis dato hätten sich lediglich 88.000 Versicherte abgemeldet.

100.000 Personen haben Zugriff auf staatlichen e-Patientenakt   

Wie sicher ist ELGA? 100.000 Mitarbeiter des heimischen Gesundheitswesens haben Zugriffsrechte auf den elektronischen Patientenakt. Abelegt sind die Daten in einer „IT-Wolke“.

Mit 1. Jänner 2014 wurden die offiziell 9,1 Millionen Krankenversicherte in Österreich per Gesetz einem elektronischen Informationssystem einverleibt, das als staatliche Steuerungsmaßnahme extrem umstritten ist. Die Front der Ablehnung gegen den elektronischen Gesundheitsakt ELGA kommt von Datenschützern, Ärzten, Verfassungsjuristen, der politischen Opposition, aber auch in Kreisen der sogenannten Intelligenzberufe und bei den Versicherten selbst wächst das Unbehagen über die jüngste Zwangsbeglückung.

„Totaler Blick auf alles“

Ein Salzburger Anwalt nennt das einfache, menschliche Bedürfnis, „nicht nackt vor allen möglichen Personen aufscheinen zu wollen“, als Hauptgrund der Abwehr. Der Jurist wird seine Familie und eine Reihe von Mandaten abmelden – und zwar „mit einfacher Willenserklärung, Identität und Unterschrift“, da das „Dokumentenbrimborium, das einem beim Austritt abverlangt wird, eine Zumutung“ sei, wie der Anwalt befindet. Er vertrete Menschen in Disziplinar- und dienstrechtlichen Gerichtsverfahren. „Das ist ein schwieriges Setting, wo es um Mobbing, sehr persönliche und existenzielle Dinge geht. Dabei wird oft versucht, Mandanten in die Psycho-Ecke zu stellen. Mit ELGA erlangen die Gerichtspsychiater dann den totalen Blick auf das Gesundheitsleben eines Menschen. Das geht einfach zu weit“, sagt der Anwalt.

„Spionage-Programm“

Hans Zeger, Obmann der Arge Daten und Mitglied des Datenschutzrates, gehört zu den schärfsten Kritikern. Zeger nennt ELGA sogar ein „staatlich verordnetes Datenspionage-Programm“, von dem man sich abmelden sollte. ELGA klinge gut, sei aber „intransparent, störanfällig, teuer“ und bringe dem Patienten keinen erkennbaren Nutzen.

Technisch ist ELGA als „elektronische Wolke“ aufgebaut. Was bedeutet, dass Millionen Befunde und Patientendaten, die verstreut auf hunderten Computern liegen, über ein komplexes Programm der Betreiberfirma IBM zugänglich gemacht werden. Ärzte kritisieren, dass sie sich durch hunderte pdf-Dokumente wühlen müssten. Eine andere Kernfunktion, die Prüfung von Medikamenten-Wechselwirkungen wurde bereits „gestanzt“, da sich das Tool im Pilotprojekt nicht mit den lokalen Prüfprogrammen vertrug, welches die Ärzte bereits vielfach verwenden. Die Zugriffsprotokollierung, mit der Patienten Zugriffe auf ihren Akt sehen könnten, habe schwere Systemlücken: Festgehalten würden nur Zugriffe in der ELGA-Wolke, das Geschehen in den Datenbeständen, etwa in Krankenanstalten, bleibe im Dunkeln.

Offener Zugang für IKT

„Es kann keine Erhöhung der Sicherheit sein, wenn mit einem Schlag 100.000 Personen im Gesundheitswesen Zugriff auf die Patientendaten haben“, sagt Hans Zeger. Es stimme auch die Behauptung der Betreiber nicht, wonach Behörden keinen Zugriff auf ELGA hätten. Laut der Gesundheitstelematik-Verordnung des Gesundheitsministers hätten diverse Stellen einen unbeschränkten Zugang: die Ombudsbeamten der Länder, interne „IKT-Servicestellen“, das „Verrechnungsservice“ und das „Gesundheitsmanagement“, wer immer das ist. „Versteckt im Kleingedruckten“ habe man mit der Klausel „Gesundheitsvorsorge" sogar einen „Persilschein zum Zugang durch jede Behörde und private Einrichtungen geschaffen“, kritisiert Zeger den „teuren Datenmoloch“. Für die Jahre 2010 bis 2017 sind Gesamtkosten von 129 Mio. Euro veranschlagt, Summen, die zu einem Gutteil der IT-Industrie, der Consulting- und PR-Branche zu Gute kommen.

Auch viele Ärzte stehen ELGA skeptisch gegenüber. Karl Forstner, Präsident der Salzburger Ärztekammer, erklärt das so: „Man hat mittlerweile den Eindruck, einer staatlichen Überkontrolle ausgesetzt zu sein. Der Staat will alles wissen, informiert aber nicht. Die Angst vor Datenlecks und Missbrauch ist berechtigt, und nun sollen die sensibelsten und intimsten Daten in einer elektronischen Wolke liegen – das überschreitet für viele eine Grenze“, so Forstner. Der Staat baue überdies „zynische“ Hürden auf für jene, die diese Wolke verlassen wollen.

Der Austritt (das EU-rechtlich vorgeschriebene „OptOut“-Recht) erfolgt mittels Bürgerkarte oder amtlicher Handysignatur (über welche 350.000 Österreicher verfügen); oder man druckt unzählige Formulare im Internet aus – und muss dann eine Unzahl an Dokumenten eingeschrieben an den Hauptverband der Versicherer schicken (Kopie Lichtbildausweis, Geburtsurkunde, Obsorgenachweis, Heirats-, Scheidungsurkunde, Sachwalter-Bevollmächtigung, Vorsorgevollmachtsbescheinigungen, etc.).


„ELGA ist sicher“

Laut SF-Recherchen könnten sich bereits 800.000 Versicherte von ELGA abgemeldet haben. Diese Zahl zitiert eine Leserin des „Standard“ aus einem Schreiben der Widerspruchsstelle, dies wurde dem SF in der Service-Hotline bestätigt.

Susanne Herbek, Geschäftsführerin der Projektgesellschaft ELGA, weist das vehement zurück. „Wir haben bis jetzt 88.000 Abmeldungen und eine Bearbeitungszeit von acht Wochen. Wir machen es den Bürgern nicht absichtlich schwer, aber bei der Abmeldung muss die Identität nachgewiesen werden.“ ELGA sei sicher und bringe Verbesserungen in der Notfallmedizin, bei der Doppelbefundung, beim Arztwechsel. In Umfragen läge das Abmelde-Potenzial bei 4 bis 10 Prozent der Versicherten. Was bis zu 900.000 Personen sind."

 

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Gesundheit folgende

                                                                                                

 

 

 

 

                                                     Anfrage

 

 

 

  1. Wie viele Personen haben sich bis dato von ELGA abgemeldet? (aufgegliedert nach Bundesländern, Alter und Geschlecht der Abgemeldeten)
  2. Wie viele ELGA-Abmeldungsanträge liegen derzeit noch unbearbeitet bei der Widerrufsstelle des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger?
  3. Wie viele ELGA-Abmeldungsanträge wurden auf Grund "formeller Fehler" bis dato nicht anerkannt?
  4. Wie lange ist die durchschnittliche Dauer vom Einlagen eines ELGA-Abmeldungsantrages bei der Widerrufsstelle des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger bis zur tatsächlichen Abmeldung?