1259/J XXV. GP

Eingelangt am 02.04.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Petra Bayr und Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Justiz betreffend die Umsetzung relevanter Richtlinien zur Abschaffung von FGM.

Weltweit müssen laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 140 Millionen Frauen und Mädchen mit den Konsequenzen weiblicher Genitalverstümmlung (FGM) leben. Diese reichen von lebenslänglichen körperlichen und seelischen Schmerzen, Verlust jeglichen sexuellen Empfindens über schwerwiegende Probleme beim Geschlechtsverkehr und der Geburt bis hin zur Bildung von Abszessen, Unfruchtbarkeit oder tödlichen Entzündungen. Weibliche Genitalverstümmelung ist eine Menschenrechtsverletzung, die nicht zu rechtfertigen ist.

Nach Angaben von UNICEF sind in 29 afrikanischen Staaten über 125 Millionen Frauen und Mädchen von dieser Form der Gewaltanwendung betroffen. Daten über FGM in anderen Kontinenten wie Asien und Regionen, wie dem arabischen Raum, sind sehr lückenhaft oder fehlen gänzlich. FGM ist nicht religiös begründet, macht vor keiner gesellschaftlichen Schicht halt und ist nicht nur im fern gefühlten Afrika oder Asien zu finden. FGM passiert auch in Europa und Frauen, die in der EU leben, haben mit den Folgen zu kämpfen. Die europäische Kommission schätzt, dass in den Mitgliedstaaten rund 500.000 Frauen und Mädchen Opfer von FGM sind. Davon leben etwa 19.000 in Deutschland und 61.000 in Frankreich. In Österreich wären 8.000 Frauen laut einer Schätzung aus dem Jahr 2000 betroffen. (Diese Zahl ist eine Hochrechnung. Sie basiert auf einer Untersuchung der Afrikanischen Frauenorganisation aus dem Jahr 2000 unter 250 in Österreich lebenden Frauen aus 11 afrikanischen Ländern, in denen FGM praktiziert wird). In Wien leben ca. 1.900 Frauen, die aus einem Land mit häufigem Vorkommen von FGM stammen. Der Wiener Frauengesundheitsbericht aus dem Jahr 2006 geht davon aus, dass diese einem potenziellen Risiko verstümmelt zu werden, ausgesetzt sind.

Das Europäische Institut für Geschlechtergerechtigkeit (EIGE) hat im Jahr 2013 in dem Bericht „Female Genital Mutilation in the European Union and Croatia “ und den dazu gehörenden Länderstudien weitreichende Daten zu FGM in den damals 27 EU- Mitgliedstaaten (MS) plus Kroatien veröffentlicht. Der Bericht beleuchtet u.a. die unterschiedlichen Zugänge und Strategien der EU-MS zur Abschaffung von FGM und der Betreuung der Betroffenen. Dabei ging EIGE auch auf die Frage der strafrechtlichen Verfolgung ein und untersuchte, inwieweit FGM oder die Gefahr von FGM betroffen sein zu können, einen Asylgrund in den jeweiligen MS darstellt.

In Österreich fällt FGM seit 2001 unter den Tatbestand der Körperverletzung. Je nach Grad der Verstümmelung kommen andere Paragrafen des Strafgesetzbuches zur Anwendung. In den vergangenen Jahren kam es Schritt für Schritt zu einer Verbesserung der gesetzlichen Lage (2006: Verlängerung der Verjährungsfrist, seit 2009 wird die Zeit von der Tat bis zum Erreichen des 28. Lebensjahres des Opfers nicht in die Verjährung gerechnet, 2011: Ausweiten auf das Prinzip der Extraterritorialität, d.h. ÖsterreicherInnen können auch außerhalb des Hoheitsgebiets belangt werden, wenn sie FGM durchführen). Trotz der guten rechtlichen Lage kam es bisher zur keine Verurteilung durch ein österreichisches Gericht.

Sowohl das Straf- als auch das Asylrecht betreffend hat die EU Richtlinien erlassen, um EU-weit gegen FGM vorzugehen.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Justiz folgende

Anfrage:

1.     Ist Ihnen bekannt, wie vielen Anzeigen erstattet bzw. Ermittlungen bisher wegen FGM geführt wurden?

a.     Wenn ja, ist auch bekannt, in welcher Beziehung die Person, die Anzeige erstattet hat, zum Opfer stand?

b.     Wenn ja, wie viele Fälle wurden vor einem Gericht verhandelt?

2.      Obwohl sich ExpertInnen relativ einig sind, dass die gesetzliche Lage in Österreich in Bezug auf FGM sehr gut ist, gibt es bisher kein Urteil. In Frankreich, wo aufgrund der stärkeren Zuwanderung aus Ländern in denen FGM praktiziert wird auch mehr betroffene Frauen als in Österreich leben, agiert eine Organisation mit Ziel, Fälle von weiblicher Genitalverstümmelung rechtlich zu verfolgen. Bisher wurden 29 Fälle vor Gericht gebracht. Unterstützt Ihr Ressort Organisationen, damit diese Fälle vor ein Gericht bzw. einen Präzedenzfall schaffen können?

a.   Wenn ja, welche Organisationen und auf welche Art?

b.   Wenn nein, warum nicht?

c.    Planen Sie solch eine wie immer geartete Unterstützung?

d.   Wenn ja, welcher Organisation ab wann und in welcher Höhe?

3.      Die Richtlinie über die Rechte der Opfer 2012/29/EU sieht unter anderem das Recht auf Zugang zu spezialisierten Unterstützungsleistungen für Opfer von Straftaten vor. Inwieweit wurde diese Richtlinien in Bezug auf die Straftat FGM umgesetzt?

a.    Bis zu welchem Grad erfüllt Österreich die Vorgaben dieser RL bereits?

b.   Welche Begleitmaßnahmen wurden schon durchgeführt?

c.    Welche Begleitmaßnahmen sind vorgesehen?

4.      Das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt geht explizit auf FGM ein. Erfreulicherweise hat Österreich die so genannte Istanbul Konvention bereits ratifiziert. Ergibt bzw. ergab sich aus Sicht Ihres Ressorts daraus Handlungsbedarf bezüglich FGM?

a.   Wenn ja, welcher und wann wird mit der Umsetzung begonnen?

5.      Bei der Staatenprüfung im Ausschuss für die Rechte der Kinder aus dem Jahr 2005 wird kritisiert, dass es wenig Bewussteinskampagen in den gefährdeten Communities zu FGM gibt. Sah bzw. sieht sich Ihr Ressort in der Pflicht diese Empfehlung umzusetzen?

a.   Wenn ja, was hat Ihr Ressort unternommen?

b.   Wenn nein, warum nicht und welches Ressort ist dafür zuständig?

6.      Planen Sie im Zuge der Novellierung des StGB auch Änderungen, die FGM betreffen?

a.   Wenn ja, welche?