1264/J XXV. GP

Eingelangt am 04.04.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Judith Schwentner, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend Selbstversicherung für pflegende Angehörige

BEGRÜNDUNG

 

Seit 1.1.1988 besteht gemäß §18a ASVG die Möglichkeit der Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes. Die Selbstversicherung reduziert sich jedoch auf Personen, die wegen der Pflege eines behinderten Kindes nicht berufstätig sind bzw. aufgrund des hohen Pflegebedarfs nicht berufstätig sein können. Weitere Voraussetzungen sind der gemeinsame Haushalt mit dem zu pflegenden Kind, der Wohnsitz im Inland, der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe.

Die Beitragskosten werden aus den Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen getragen. Die Selbstversicherung ist für Versicherte folglich mit keinen Kosten verbunden. Angehörige haben die Möglichkeit kostenlos Versicherungszeiten zu erwerben. Als monatliche Beitragsgrundlage für die Pflege eines behinderten Kindes gilt im Jahr 2014 ein Betrag von 1.105,50 Euro[1].

Diese Selbstversicherung war bislang längstens bis zu 12 Monate rückwirkend möglich. Seit 2013 können Versicherte, die in der Zeit zwischen dem 1.1.1988 und dem 31.12.2012 ein behindertes Kind gepflegt haben und die Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllen, auf Antrag auch nachträglich Zeiten als Versicherungszeiten aufgrund einer Selbstversicherung beanspruchen, rückwirkend jedoch für maximal 120 Monate.

Eine weitere Möglichkeit einen nahen Angehörigen zu pflegen, wurde in Folge des Sozialversicherungsrechtsänderungsgesetzes 2005 geschaffen - die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß §18b ASVG. Die Voraussetzungen für die begünstigte Selbstversicherung sind ein Anspruch auf Pflegegeld in der Mindesthöhe der Stufe 3, die Pflege in häuslicher Umgebung, der Wohnsitz im Inland sowie ein nahes Angehörigenverhältnis zur zu pflegenden Person.

Der wesentliche Unterschied zur Selbstversicherung nach §18a (Pflege eines behinderten Kindes) betrifft die Möglichkeit des pflegenden Angehörigen auch weiterhin einer Erwerbsarbeit nachgehen zu können.

In §18b wird definiert, dass sich all jene Angehörigen selbstversichern können, die „unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen“. Für die Pflege eines behinderten Kindes ist in §18a die Voraussetzung „die gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft“.

Pflegende Angehörige haben somit die Möglichkeit neben der Selbstversicherung eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Obergrenze ist die Höchstbeitragsgrundlage.

Ein weiterer Unterschied ist die unterschiedliche Beitragsgrundlage für die Pensionsberechnung. Im Jahr 2014 gilt ein Betrag von 1.649,84. Also deutlich höher als die Beitragsgrundlage zur Pflege eines behinderten Kindes.

Die Mittel für die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger werden seit 1.8.2009 zur Gänze aus Mitteln des Bundes finanziert. D.h. die Versicherungszeiten können für pflegende Angehörige kostenlos in Anspruch genommen werden.

Während zur Pflege eines behinderten Kindes auch rückwirkend ein Antrag auf Selbstversicherung gestellt werden kann (so die Voraussetzungen gegeben sind), ist die Selbstversicherung nach §18b nur ein Jahr rückwirkend ab Antragstellung möglich. Eine rückwirkende Gewährung einer begünstigten Pensionsversicherung für pflegende Angehörige wurde aus finanziellen Gründen bis jetzt nicht realisiert.

Am Beispiel einer alleinerziehenden Mutter bedeutet die dargestellte Rechtslage folgendes:

Frau Formayer, 55 Jahre alt, ist alleinerziehende Mutter eines mittlerweile erwachsenen Sohnes mit hohem Pflegebedarf. In Folge eines Sauerstoffmangels ist David Formayer (heute 21 Jahre alt) Spastiker, sitzt im Rollstuhl und benötigt Hilfe bei allen Alltagshandlungen. Die Familie lebt in der Steiermark.  David Formayer befindet sich in der Pflegegeldstufe 6, d.h. es stehen ihm 1.260 Euro pro Monat zu. In der Steiermark werden jedoch 40% des Pflegegeldes abgezogen, sobald das Kind im Kindergarten bzw. Schule ist. Bei der Pflegegeldstufe 6 bedeutet dies, dass letztlich nur knapp 760 Euro übrig bleiben. Frau Formayer ist alleinerziehend. Die geringe Summe des Pflegegeldes reicht folglich nicht, um das tägliche Leben mit Sohn David zu bestreiten. Seit 17 Jahren arbeitet Frau Formayer daher noch zusätzlich halbtags als Frühförderin. Die Doppelbelastung ist enorm.

Da Frau Formayer in den letzten 17 Jahren durchgehend berufstätig war, kann sie von der Möglichkeit der Selbstversicherung lt. § 18a ASVG nicht profitieren. Sie wird die Selbstversicherung nach §18b in Anspruch nehmen können (da Erwerbstätigkeit hier erlaubt ist und ihr Sohn die Mindest-Pflegestufe 3 hat). Allerdings bleibt eine große Ungerechtigkeit bestehen:

Im Zeitraum vom 1.1.1988 (Einführung §18a ASVG) – 1.1.2006 (bzw. Übernahme der Kosten für die Selbstversicherung nach §18b ASVG) haben AlleinerzieherInnen wie Frau Formayer, die einer Erwerbsarbeit nachgehen mussten oder auch wollten, trotz der Doppelbelastung keine Möglichkeit der Anerkennung der Pflegearbeit für die Bemessungsgrundlage ihrer Pension.

Ihre Pension wird in diesem Zeitraum folglich auf Grundlage ihrer Teilzeitbeschäftigung berechnet und berücksichtigt die erbrachte Pflegeleistung keineswegs. 

Aufgrund der derzeitigen Rechtslage hat Frau Formayer die Wahl zwischen:

-          Armut während der Erziehung und Pflege des Kindes UND Armut im Alter (da Erwerbsarbeit für Selbstversicherung nicht erlaubt ist und die Beitragsgrundlage sehr niedrig ist)

Oder

-          Teilzeitarbeit und zusätzliche Belastung durch die Pflege und DENNOCH Armut im Alter (weil die Pflegeleistung bei Pensionsberechnung nicht einbezogen wird)

Frau Formayer hat sich bereits an das zuständige Sozialministerium gewandt. Die Stellungnahme ist ernüchternd. Aus Kostengründen ist nicht geplant, die begünstigte Pensionsversicherung für pflegende Angehörige auch rückwirkend zu gewähren (in dieser Variante wäre die Erwerbstätigkeit von Frau Formayer zumindest kein Ausschlussgrund).

Weiters ist weder geplant die unterschiedlichen Beitragsgrundlagen bei der begünstigen Versicherung gemäß §18a ASVG im Vergleich zu §18b ASVG zu verändern. Und auch eine Gesetzesänderung, die eine Teilzeitbeschäftigung neben der Selbstversicherung zur Pflege eines behinderten Kindes  möglich macht, ist nicht denkbar.

Kurzum: Die Benachteiligung von Angehörigen behinderter Kinder, die insbesondere alleinerziehende Frauen besonders hart trifft, wird einfach fortgesetzt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1.    Wie begründen sie die unterschiedliche Voraussetzung in §18a sowie §18b ASVG, die in einem Fall Erwerbsarbeit ausschließt und im anderen Fall erlaubt?

2.    Wie begründen sie die unterschiedlich hohen Beitragsgrundlagen?


3.    Wie hoch sind die derzeitigen Kosten des Bundes für die Selbstversicherung gemäß §18b (Jahr 2013, 2012, 2011)?

4.    Mittel in welcher Höhe wurden in den letzte Jahren aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe zur Deckung der Beiträge zur Sozialversicherung gemäß §18a ASVG ausgeschüttet (Jahr 2013, 2012, 2011)?

5.    Mit welchen Kosten würden sie rechnen, wenn auch die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger rückwirkend für maximal 120 Monate zuerkannt wird?

6.    Wie lautet das Ergebnis der von ihnen angewiesenen Befassung der Pensionsversicherungsanstalt bezüglich einer Selbstversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger im Falle von Frau Formayer?

7.    Wie viele Personen nahmen die Selbstversicherung zur Pflege behinderter Kinder in Anspruch (Stichtag: 1.1.2011, 1.1.2012, 1.1.2013, 1.1.2014)?

8.    Wie viele Personen nehmen die Selbstversicherung zur Pflege eines nahen Angehörigen in Anspruch (Stichtag: 1.1.2011, 1.1.2012, 1.1.2013, 1.1.2014)?

9.    Wie viel Prozent der Personen, die die Selbstversicherung zur Pflege eines nahen Angehörigen in Anspruch nehmen, sind zusätzliche erwerbstätig (Stichtag: 1.1.2011, 1.1.2012, 1.1.2013, 1.1.2014)?

 



[1] PVA, Freiwillige Versicherungen, Stand:1.1.2014, http://www.pensionsversicherung.at/mediaDB/14%20-%20Freiwillige%20Versicherung.pdf