1493/J XXV. GP

Eingelangt am 15.05.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Dr. Harald Walser,  Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Bildung und Frauen

betreffend Pannen bei der Durchführung der standardisierten kompetenzorientierten Reife- und Diplomprüfung

BEGRÜNDUNG

 

Im Zuge der erstmalig großflächigen Durchführung der standardisierten kompetenzorientierten Reife- und Diplomprüfung (SRDP) wurden mehrere Pannen bekannt:

1. LehrerInnen beklagten sich darüber, dass der Beurteilungsschlüssel für die Englisch- und Französisch-Matura, konkret für das Erreichen einer positiven Beurteilung nicht zeitgerecht vor Abhaltung der SRDP kommuniziert wurde.

2. Heftige Kritik wurde von Deutschlehrenden und WissenschafterInnen an der Text- und Aufgabenauswahl für die SRDP im Fach Deutsch geübt: Zum Einsatz kam eine Kurzgeschichte aus dem Jahr 1947, deren Autor Manfred Hausmann ein zumindest umstrittenes Verhältnis zum NS-Regime unterhielt, was sich laut Expertenmeinung auch im ausgewählten Text widerspiegelt. Dazu äußert sich beispielsweise der Germanist Karl Müller von der Universität Salzburg folgendermaßen: „Wenn es um die Deutung des Textes geht, versagen die Leute, die den Text ausgewählt haben und die Fragen dazu gestellt haben, fast zur Gänze.“ Der Didaktiker Wolfgang Mühlbacher meint: „Entweder sind die Aufgabensteller so naiv oder so unprofessionell, dass sie den unglaublichen Gehalt dieses Textes nicht begreifen.“ Der Text könne – im zeitlichen Kontext gelesen – „auf eine Art Rechtfertigung der Vernichtung hinauslaufen. Es ist auf jeden Fall kein harmloser Text“.[1]

Zudem ist auch darauf hinzuweisen, dass selbst auf Wikipedia ausführlich auf die Problematik von Hausmanns Texten während des und nach dem Nationalsozialismus eingegangen wird.[2]

3. Von insgesamt 48 Schulen, die die SRDP auch in Mathematik abhielten, wurden fünf Schulen mit unvollständigen Aufgabenpaketen beliefert, sodass es zu einer Unterbrechung der SRDP kam, um die fehlenden Teile via Internet downloaden, kopieren und den SchülerInnen aushändigen zu können.

Auffällig ist, dass die Pannenserie zu einem Zeitpunkt begann, als das BIFIE – unverschuldet! – durch die vermeintliche Datenleck-Affäre in die Kritik kam. Es ist festzustellen, dass die vorher durchgeführten Bildungsstandards- und PISA-Erhebungen seitens des BIFIE problemlos durchgeführt wurden.

Der Rechnungshof hielt in seinem Bericht zur Überprüfung des BIFIE (2012) fest: „Der RH sah – hauptsächlich aus wirtschaftlichen Gründen – keine Notwendigkeit für zwei Hauptstandorte. Diese bedingten nach Ansicht des RH Doppelstrukturen bzw. Ineffizienzen in der Verwaltung und der Aufgabenerfüllung (...). Er empfahl dem BIFIE, langfristig die Kernaufgaben an einem Hauptstandort zusammenzulegen.“[3]

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Sie haben mit Bekanntgabe am 3.3.2014 und mit Verweis auf die notwendige Aufklärung der (vermeintlich) offen liegenden BIFIE-Daten am rumänischen Kapsch-Server die Durchführung der SRDP in Frage gestellt. Welche Weisungen ergingen konkret zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf die SRDP an das BIFIE?

2)    Inwieweit wurde in die damals laufenden Vorbereitungsarbeiten am BIFIE von Seiten des Bildungsministeriums eingegriffen?

3)    Hatten die Überprüfungen durch TÜV Austria Konsequenzen für die Vorbereitungsarbeiten der SRDP? Falls ja: welche genau?

4)    Inwieweit kam es durch die Überprüfungen durch TÜV Austria zu zeitlichen Verzögerungen bei den Vorbereitungsarbeiten der SRDP?

5)    Ist es richtig, dass die bereits vorbereiteten Aufgabenhefte zur SRDP, nicht zum Einsatz kamen, weil sie älter als ein halbes Jahr waren und daher kurzfristig ersetzt werden mussten? Falls ja:

a.    Zu welchem Zeitpunkt wurden die nicht verwendeten Aufgabenhefte erstellt?

b.    Welche Überlegungen führten zu dieser Entscheidung?

c.    Wer konkret wurde mit der Neuerstellung der Aufgabenhefte beauftragt?

d.    Zu welchem Zeitpunkt wurde die Neuerstellung beauftragt?

e.    Wann waren die neuen Aufgabenhefte fertig?

f.      Welche zusätzlichen Kosten verursachte die Neuerstellung?

6)    Bei wem lagen im Zuge der Vorbereitung der SRDP letztlich welche Aufgabenbereiche und Kompetenzen?

a.    Welche Aufgabenbereiche/Kompetenzen hatte das BIFIE?

b.    Wurden Aufgabenbereiche/Kompetenzen an Personen außerhalb des BIFIE vergeben? Fall ja: an wen und welchen Inhalts?

c.    Welche Kompetenzen nahm das BMBF wahr?

7)    Stimmt die Information, dass es eine Steuerungsgruppe für alle Fächer der schriftlichen SRDP gibt? Falls ja: In welche Fächer war/ist das BMBF eingebunden?

8)    Falls ja: Stimmt die Information, dass diese Steuerungsgruppe zu jedem Zeitpunkt über den Vorbereitungsstand der SRDP am Laufenden war?

9)    Wie waren die genauen Abläufe bezüglich Kommunikation des Benotungsschlüssels an die Lehrenden insbesondere zur SRDP in Englisch und Französisch? (Bitte um Angabe des genauen zeitlichen Ablaufs.)

10) Wer war für die Textauswahl der SRDP für das Fach Deutsch letztverantwortlich?

11) Wie ist der genaue Ablauf der Erstellung der Aufgabenhefte für die schriftliche SRDP?

12) Wie viele Personen und Instanzen waren in die Erstellung der Aufgabenhefte eingebunden?

13) Auf der Website des BIFIE sind die Aufgaben und Teams des Departments „Standardisierte kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung“ angeführt. Im Vergleich zu anderen Ländern scheint die Organisation extrem aufwändig zu sein. Trotzdem hat die Kontrolle bezüglich der Textauswahl und Aufgabenformulierung im Fach Deutsch versagt. So wurde auf die Einhaltung der vom Bildungsministerium vorgegebenen Richtlinie, die bei Interpretationen die Berücksichtigung der Produktions- und Rezeptionsbedingungen eines Textes vorschreibt[4], offenkundig selbst seitens des Teams verzichtet, das für die Auswahl des Textes und die Aufgabenformulierung verantwortlich zeichnet. Ist nun daran gedacht, hier Konsequenzen zu ziehen und die Abläufe zu verändern?
a.   Falls nein: warum nicht?
b.   Falls ja: Welche konkreten Maßnahmen sind hier angedacht?

14) Wie ist es zu erklären, dass für fünf Schulen nur ein Teil der Aufgaben für die SRDP im Fach Mathematik geliefert wurde?

15) Wer trägt für die Fehllieferung die Verantwortung?

16) Hat das BMUKK bzw. BMBF Maßnahmen ergriffen, um der Empfehlung des Rechnungshofes, das BIFIE langfristig auf einen Standort zusammenzuführen, nachzukommen?
a.   Falls nein: warum nicht?
b.   Falls ja: welche?

17) Sie haben auf der Website des BMBF mit Datum 28.2.2014 bezüglich des Auftauchens von Daten am Kapsch-Server folgende Nachricht veröffentlicht:
„Als Bildungsministerin trage ich die Verantwortung für eine lückenlose Aufklärung, es wird nichts unter den Teppich gekehrt werden. Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf volle Transparenz und Offenheit in dieser Frage.“ Warum haben Sie die Öffentlichkeit nie darüber offiziell in Kenntnis gesetzt, dass der oben genannte Fall bereits aufgeklärt ist?

18) Der Firmeninhaber Georg Kapsch hat am 23.4.2014 als Studiogast in der ZiB 2 eindeutig von einem kriminellen Akt gesprochen. Auch Sie selbst haben das immer wieder angedeutet. Zu welchem Zeitpunkt konnte dieser kriminelle Akt aufgeklärt werden?

19) Ist Ihnen klar, dass Sie selbst mit Ihrer Informationspolitik und Vorgangsweise die Öffentlichkeit und hier vor allem die SchülerInnen, Eltern und Lehrenden aber auch die BIFIE-MitarbeiterInnen massiv verunsichert haben?

20) Welche konkreten Verfehlungen/Missstände führten dazu, dass der Vertrag des Leiters des Standortes Salzburg, Christian Wiesner, gelöst wird?

21) Welche Maßnahmen treffen Sie, um die von heuer auf das kommende Jahr verschobenen Testungen der Bildungsstandards im Fach Deutsch zu garantieren?



[1] Beide Zitate aus Salzburger Nachrichten, unter: http://www.salzburg.com/nachrichten/oesterreich/politik/sn/artikel/deutsch-matura-zumutung-fuer-die-schueler-106087/

[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Hausmann

[3] http://www.rechnungshof.gv.at/fileadmin/downloads/2012/berichte/teilberichte/bund/Bund_2012_11/Bund_2012_11_3.pdf, 164ff.

[4] vgl. http://www.bmukk.gv.at/medienpool/22136/reifepruefung_ahs_dt_lfdf.pdf, 16.