1496/J XXV. GP

Eingelangt am 15.05.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Elisabeth Grossmann

und Genossinnen

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend gefährliche Verzögerungen im Hochwasserschutz abstellen

Österreich hat in den letzten Jahren besonders oft unter Hochwasserschäden gelitten. Obwohl es für Schäden durch Naturkatastrophen trotz präventiver Maßnahmen keinen hundertprozentigen Schutz gibt und somit ein Restrisiko bestehen bleibt, haben sich in den letzten Jahren die umgesetzten Hochwasser-Schutzmaßnahmen immer wieder bewährt. Dementsprechend groß ist die Sensibilität der Bevölkerung, was die Umsetzung solcher Hochwasserschutzmaßnahmen, baulicher oder auch nicht baulicher Art, etwa Flutungsflächen, Entlastungsgerinnen etc. betrifft. Tausende Menschen in Österreichs Gefahrenzonen leben in ständiger Angst um die Sicherheit ihrer Familien und ihres Besitzes. Die Bundesregierung trägt dem Rechnung, indem 360 Millionen Euro für Schutzmaßnahmen im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehen wurden.

Auch von europäischer Seite werden die Staaten stärker in die Pflicht genommen: die Hochwasserrichtlinie HWRI mahnt eine stärkere staatliche Verantwortung für das Management von Hochwasserrisken ein. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont staatliche Schutzpflichten bei Naturkatastrophen, welche alle Träger staatlicher Gewalt erfasst. Wie der Republik Österreich schon in vielen Fällen vor Augen geführt wurde, enthebt der Verweis auf föderalistische Kompetenzregelungen nicht der Verantwortung.

Trotzdem werden immer wieder Schutzprojekte nicht umgesetzt bzw. gibt es gefährliche Verzögerungen. Als Hauptgrund werden oft unrealisierbare Forderungen für Grundstücksablöse und/oder Entschädigungszahlungen genannt. Dies obwohl seitens der Verantwortlichen in Land und Gemeinden meist größtes Bemühen besteht, um einvernehmliche Lösungen zu erzielen - von Beiräten, Mediationen, Überbezahlungen über den Verkehrswert usw.

Die Problematik wie sie anhand folgender Beispiele aus dem Bezirk Graz-Umgebung geschildert wird, stellt sich in unterschiedlichen Ausführungen wohl im gesamten Bundesgebiet, wie Landtagsanfragen in Oberösterreich, sowie Medienberichte in Niederösterreich und Tirol zeigen.

Beispiele aus Graz-Umgebung:

In der Gemeinde Grambach musste von der besten Variante mit dem größtmöglichen Schutzpotential abgesehen werden, da Grundeigentümer mit Unterstützung von Kammern - unabhängig vom Preis für die Ablösen - ein Veto eingelegt hatten. Neue Varianten, die mit zusätzlichen Kosten und einer Verzögerung verbunden sind, müssen gefunden werden. Beim letzten Hochwasser 2013 sind an die 300 Haushalte/Häuser zu Schaden gekommen.

In Lieboch, im Bereich Lieboch- und Lusenbach sind im Hochwasserfall über 600 Objekte (Wohnhäuser, öffentl. Gebäude, Kirche, Schule, Sportplatz, Kinderspielplätze) mit mehreren tausend Bewohnern betroffen. Im Ernstfall wird mit einem Schaden in der Höhe von über € 15 Mio. gerechnet. Dass ein Hochwasserschutz im oben genannten Bereich benötigt wird, ist den zuständigen Behörden (Land, BH Graz Umgebung und Gemeinde) bereits seit den 60er Jahren bekannt und Bemühungen seitens der Bürgermeister in den letzten Jahrzehnten waren großteils erfolglos. Vier von 45 Grundbesitzern stellen sich quer. Durch Einsprüche von Grundbesitzern und Landwirtschaftskammer werden Projekte um Jahrzehnte verzögert und weitere Gutachten führen zu erheblichen Mehrkosten.

In Gössendorf wären im Ernstfall 400 bis 500 Haushalte betroffen. Erste Maßnahmen wurden in den 1970er Jahren gesetzt. Die Situation hat sich im Laufe der Jahre durch verschiedenste Umstände verschärft. Grundeigentümer haben sich im Zeitverlauf immer wieder gegen geplante Projekte ausgesprochen - trotz Planungsbeirat und Mediator. Mit der Begründung, dass zu geringe Beträge für Ablöse angeboten wurden. Schließlich folgten weitere Planänderungen, die mit hohen Kosten verbunden waren. Durch das Zugeständnis der Gemeinde eine weitaus höhere Ablösesumme zu bezahlen, gingen die Verhandlungen ein wenig vorwärts und so konnte mit einem großen Teil der Eigentümer eine Einigung erzielt werden. Dennoch fehlt im Rahmen der Verhandlungen noch immer das Einverständnis einiger Grundeigentümer.

In der Stadtgemeinde Graz sind notwendige Schutzmaßnahmen vor Überflutungen - insbesondere durch mangelnde Kooperation durch Grundstückseigentümer verzögert worden. Betroffen sind tausende Haushalte in den Bezirken Andritz und Sankt Peter.

Fazit:

Eine Vereinfachung und Effizienzsteigerung der derzeitigen Verfahren bei der Errichtung von Hochwasserschutzmaßnahmen erscheint dringend erforderlich!

Aus diesem Grund stellen unterzeichnete Abgeordnete an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft folgende

Anfrage:

1.      Welche größeren Hochwasserschutzmaßnahmen wurden zwischen 2009 und 2013 umgesetzt? (Bitte Aufstellung nach Jahren und Bundesländer)

2.       Wo gab es Verzögerungen von mehr als einem Jahr, weil ein Einvernehmen mit Grundstückseigentümern nicht hergestellt werden konnte?

3.      Wo waren Enteignungen, Zwangsdienstbarkeiten hinsichtlich der oben beschriebenen Angelegenheit bezüglich Hochwasserschutz erforderlich?

4.       Auf welche Rechtsgrundlagen wurden die in Frage 3 angesprochenen Enteignungen sowie Zwangsdienstbarkeiten gestützt? (Angaben im Detail)

5.      Welche Fälle sind Ihnen als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft bekannt, wo keine erforderlichen Hochwasserschutzmaßnahmen errichtet werden konnten bzw. können? (bitte detaillierte, österreichweite Angaben über Regionen bzw. Orte in Gefahrenzonen, wo Hochwasserschutzmaßnahmen vorerst nicht errichtet werden können, weil ein Einvernehmen mit den Grundstückeigentümern bis dato nicht hergestellt werden konnte.)

6.      Welche Möglichkeiten sehen Sie als Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf Bundesebene, um die Verfahren für Hochwasserschutzmaßnahmen zu vereinfachen und das Vorhaben des Regierungsprogramms nach umfassenden, flächendeckenden Hochwasserschutz möglichst rasch zu realisieren?

7.       Welche Möglichkeiten sehen Sie, notwendige Projekte zu realisieren, wenn Grundeigentümer, die trotz größtem Entgegenkommen mit den Ablöse- und Entschädigungszahlungen für die Eigentumsübertragung oder Nutzung der Grundstücke nicht einverstanden sind?

8.       Ist Ihrer Ansicht nach für die Umsetzung von Infrastrukturprojekten Straßenbau, Eisenbahnbau, Elektrizitätsanlagen etc. tatsächlich der letzte Ausweg, Grundeigentümer zugunsten dieser Projekte zu enteignen?

9.       Wie stehen sie dazu, ein vergleichbares Verfahren (§ 17 ff BStG Entschädigung, Parteienstellung) wie in Frage 8 angesprochen auch in Bezug auf die Errichtung von Hochwasserschutz zu schaffen?

10.   Sollten Sie den derzeitigen Rechtsbestand als ausreichend betrachten: auf welche Rechtsgrundlage können derzeit notwendige Enteignungen bzw. Zwangsdienstbarkeiten gestützt werden?

11.   Welche Entschädigungsregelungen kommen hinsichtlich der in Frage 10 angesprochenen Thematik zum Tragen?

12.   Könnte in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Regelung auch Paragraf 365 ABGB herangezogen werden: "wenn es das allgemeine Beste erheischt, muss ein Mitglied des Staates gegen angemessene Schadloshaltung selbst das vollständige Eigentum einer Sache abtreten."?

13.   Im Synthesebericht Floodrisk II vom Lebensministerium, dem Infrastrukturministerium und dem Umweltbundesamt 2009 herausgegeben, erarbeiten die Autorinnen mehrere Vorschläge:

a.    Wie stehen Sie konkret zu diesen Vorschlägen?

b.    Welche Umsetzungsschritte wurden bereits gesetzt?

c.     Gedenken Sie,

A.    eine Vereinheitlichung und Klärung der Zuständigkeitsbestimmungen anzustreben?

B.    dass bei der Erfüllung der (europarechtlich vorgegebenen) staatlichen Schutzpflichten die Gemeinden entlastet werden sollten und mehr überörtliche Raumplanung stattfinden, sowie klarere Vorgaben gegeben werden sollte?

C.   Raumordnungsrechtliche Maßnahmen verstärkt länderübergreifend abgestimmt werden und in eine einheitliche Systematik gebracht werden sollten?

D.   eine Reduzierung der Auslegungsspielräume der ROG bei Widmungsänderungen in Gefährdungsgebieten, um klarere Handlungsanleitungen für die Vollzugsbehörden und mehr Rechtssicherheit für die Betroffenen zu erreichen?

E.    eine Ergänzung des Paragraf 41 Abs. 4 WRG "eine Beeinträchtigung fremder Rechte ist dann nicht anzunehmen, wenn die Beeinträchtigung dieser Rechte durch die Ausführung von Schutzbauten und Regulierungswasserbauten eine geringe ist und die Anlage einer größeren Anzahl von Personen Schutz gewährt. Der dadurch entstandene Nachteil ist zu ersetzen"?