1563/J XXV. GP

Eingelangt am 23.05.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

des Abgeordneten Lausch

und weiterer Abgeordneter

 

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Lückenlose Aufklärung des Vorfalles in der Justizanstalt Stein

 

Die "Kronenzeitung" berichtet in ihrer Ausgabe am 21.05.2014:

 

Verwahrloster Häftling: Drei Beamte suspendiert

 

Die Verwahrlosung eines Strafgefangenen der Justizanstalt Krems-Stein hat am Mittwoch erste Konsequenzen nach sich gezogen. Wie die "Krone" aus dem Justizministerium erfuhr, wurden der Trakt-Kommandant der Justizwache, der Abteilungsleiter sowie dessen Stellvertreter vorläufig suspendiert. Solange die Ermittlungen in der Causa laufen, bleiben die Suspendierungen demnach aufrecht. Außerdem setzte Justizminister Wolfgang Brandstetter eine "größere" Reform des Maßnahmenvollzugs in Gang.

 

Alle Umstände dieses "wirklich erschreckenden" Falles müssten aufgeklärt werden, zeigte sich der Justizminister am Mittwoch "betroffen und zornig". Besonders brisant: Bei einem der drei suspendierten Beamten handelt es sich um den politisch aktiven Abteilungsleiter Roman Söllner. Er ist in der freiheitlichen Exekutivgewerkschaft AUF tätig und steht auf Platz 15 der FPÖ- Liste für die EU- Wahl.

 

Beamten droht Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren

 

Er und die beiden anderen Beamten seien suspendiert worden, um die strafrechtlichen Ermittlungen nicht zu beeinträchtigen, betonte Brandstetter. Laut Christian Timm von der Vollzugsdirektion ermittelt die Staatsanwaltschaft Krems wegen Quälens oder Vernachlässigens eines Gefangenen (Paragraf 312 StGB). Es handle sich demnach um ein "seltenes Delikt", das eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren nach sich zieht.

 

Der 74- jährige Gefangene in Krems- Stein hatte seine Strafhaft wegen versuchten Mordes bereits abgesessen, blieb jedoch im Maßnahmenvollzug, um als geistig abnormer Rechtsbrecher weiterhin intensive medizinische und psychologische Betreuung zu erhalten. Er wurde jedoch monatelang völlig unterversorgt. Erst im März fiel Beamten der Verwesungsgeruch in seiner Zelle auf, wie die Wiener Stadtzeitung "Falter" aufgedeckt hatte (siehe Story in der Infobox).

 

Wie konnte 74- Jähriger durch Betreuungsnetz fallen?

 

Bei dem 74- Jährigen, der sich laut Timm auf dem Weg der Besserung befinde, habe es sich um einen schwierigen Insassen gehandelt. Er verweigerte dem Mitarbeiter der Vollzugsdirektion zufolge sämtliche medizinische und therapeutische Behandlungen. Wenn ein Häftling nichts annimmt, dann werde das dokumentiert und dann werde periodisch erneut Kontakt aufgenommen, so Timm. Warum dieser Insasse der eigentlich engmaschigen Betreuung durchgerutscht war, "das fragen wir uns auch".

 

Insasse: "Habe den Verband verheimlicht"

 

Der "Krone" liegen die Einvernahmeprotokolle des 74- Jährigen vor. Der Mann wurde nach Bekanntwerden der Causa im März einvernommen - und habe sich nach Androhung einer "Zwangsversorgung" von einem Arzt versorgen lassen. Der 74- Jährige gab gegenüber den Beamten der Kriminalpolizei an, seine Wunde verheimlicht und den Verband stets versteckt zu haben: "Die Justizwachebeamten und auch die Ärzte hatten keine Möglichkeit, den langjährigen an meinem rechten Bein angebrachten Verband zu Gesicht zu bekommen."

 

Laut Timm soll der Mann auch regelmäßig zur Dusche gegangen sein, ob er sich auch tatsächlich gewaschen hatte, sei bei der hundertprozentigen Auslastung der Strafanstalt mit 800 Insassen in Einzelfällen jedoch nicht überprüfbar. "Es ist zu wenig Personal und zu wenig Geld da", gab der Experte zu bedenken. Und: "Der Strafvollzug ist keine Klinik. Solche Strafgefangene gehören nicht in Strafhäuser wie die Strafanstalt Krems."

 

Allerdings verwies bereits Timm auf Sofortmaßnahmen und weitere Konsequenzen, die man im Strafvollzug aus der Causa bereits gezogen habe. Auch Brandstetter verkündete noch am Mittwoch erneut Reformmaßnahmen. Er hat ab sofort ein 14- tägiges Reporting der Vollzugsdirektion direkt ans Ministerium verfügt, um besser informiert zu sein. Und in der Vollzugsanstalt Krems- Stein gibt es jetzt engmaschigere Kontrollen - und zwar medizinisch, dienstrechtlich und bei der Fachaufsicht.

 

Brandstetter zieht geplante Reform vor

 

Der Fall sei aber leider symptomatisch dafür, dass es im Strafvollzug allgemein und im Maßnahmenvollzug (einen ausführlichen Hintergrundbericht finden Sie in der Infobox) insbesondere "massive, auch strukturelle Schwächen" gebe, die man ausmerzen müsse: "Seit ich diese Funktion habe, liegt mir dieser Bereich im Magen." Deshalb zieht Brandstetter die im Regierungsprogramm enthaltene Reform des Maßnahmenvollzugs - die er eigentlich im Herbst angehen wollte - vor.

Möglicherweise werde man auch die Behördenstruktur ändern müssen, "ich bin für alles offen", so der Minister. Auch das Gesundheitsministerium werde in einer umgehend eingesetzten Arbeitsgruppe vertreten sein, vor allem im Hinblick auf die Frage der Betreuung psychisch Beeinträchtigter nach dem Strafvollzug. Mit Minister Alois Stöger hat Brandstetter schon gesprochen.

 

Vor diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

 

1.    Wann wurde der Vorfall im Gefängnis Stein bekannt?

2.    Ist es richtig, dass einer der drei suspendierten Justizwachebeamten, Roman Söllner selbst  den Fall aufgedeckt und im Dienstweg gemeldet hat?

3.    Aus welchen Überlegungen heraus wurden genau diese drei Beamten suspendiert?

4.    Stimmt es, dass der Häftling von sich aus mehrfach eine ärztliche Behandlung verweigert hat?

5.    Stimmt es, dass diese Verweigerungen sogar durch den ärztlichen Dienst schriftlich dokumentiert wurden?

6.    Seit wann laufen die Ermittlungen gegen die Beamten?

7.    Wann wurden die Beamten einvernommen?

8.    Wann wurde der betroffene Häftling einvernommen?

9.    Stimmt es, dass ein Mitarbeiter ihres Ministeriums (der Leiter der Abteilung Betreuung der Vollzugsdirektion) sich bereits am 11.4. ein Bild vor Ort gemacht hat?

10. Zu welchem Ergebnis kam der Mitarbeiter der Vollzugsdirektion?

11. Seit wann ist Ihnen der Vorfall bekannt?

12. Haben Sie einen Bericht zum Vorfall angefordert?

13. Von wem war dieser Bericht und was war die Grundaussage des Berichtes?

14. Können Sie garantieren, dass die Suspendierung nicht im Zusammenhang mit der medialen Berichterstattung erfolgte, sondern im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen steht?

15. Wie rechtfertigen Sie in diesem Zusammenhang, dass die Suspendierung erst am 21.5. (am Tag der Veröffentlichung des Vorfalles in den Medien) erfolgt ist, obwohl der Vorfall über zwei Monate zurück liegt und der Fall, auch in ihrem Ministerium bereits über ein Monat bekannt war?

16. Wann wurden die betroffenen Beamten von ihrer Suspendierung informiert?

17. Wann und von welcher Stelle wurden die Medien von der Suspendierung informiert?

18. Wie rechtfertigen Sie, dass die betroffenen Beamten und deren Familien durch die Medien von der Suspendierung erfahren haben?

19. Ist es richtig, dass der betroffene Häftling bei seiner Einvernahme ausgesagt hat, dass die Justizwachebeamten keine Schuld trifft?

20. Fordern Sie von ihren Beamten, dass sie alle Häftlinge unter die Dusche begleiten?

21. War in ihrem Ministerium bereits vor dem Vorfall bekannt, dass aufgrund von Überbelegung und Personalmangel Justizwachebeamte parallel Aufgaben miterledigen müssen, die nicht ihrer Arbeitsplatzbeschreibung entsprechen?

22. Stimmt es, dass teilweise zwei Beamte alleine mit über 100 Häftlingen auf einer Abteilung Dienst verrichten?

23. Stimmt es, dass die betroffenen Beamten in Stein alleine zur Dienstverrichtung in der Abteilung für Maßnahmenvollzug (auf der sich der Vorfall ereignete) eingeteilt wurden?

24. Wie rechtfertigen Sie, dass obwohl in der Vollzugsordnung VZO unter 6.6.2. geregelt ist: (3) Während der Öffnung von Hafträumen müssen mindestens zwei Justizwachebeamte in dieser Abteilung anwesend sein, es sei denn, daß eine besondere Gefährlichkeit der Insassen nicht anzunehmen ist. … auf der besagten Abteilung in Stein in der Regel nur ein Beamter auf der Abteilung für Maßnahmenvollzug zum Dienst eingeteilt wird?

25. Können Sie ausschließen, dass bei den Häftlingen auf der besagten Abteilung in Stein von keiner besonderen Gefährlichkeit auszugehen ist?

26. Wegen welchen Delikten wurden die Häftlinge auf dieser Abteilung verurteilt? (Bitte um Aufschlüsselung der einzelnen Delikte der Häftlinge)

27. Stimmt es, dass sie im März via Schreiben von Beamten informiert wurden, dass aufgrund des Personalmangels Haftraumkontrollen, etc. generell nahezu unmöglich geworden sind?

28. Stimmt es, dass sie im März (noch vor dem Vorfall) via Schreiben von Beamten darüber informiert wurden, dass aus Sicht der Beamten aufgrund des Personalmangels das Strafvollzugsgesetz nicht mehr eingehalten werden kann?

29. Wie haben Sie auf das besagte Schreiben reagiert?

30. Sind sie der Bitte der Beamten nachgekommen, sich vor Ort in den Justizanstalten ein Bild zu machen?

31. Haben Sie sich bis ein Bild des Vorfalles vor Ort in der Justizanstalt Stein gemacht, bevor der Vorfall durch die Medien publik wurde?

32. Welche Justizanstalten haben Sie seit Ihren Amtsantritt bis zum 20. Mai 2015 besucht und wann?

33. Sind aus Ihrer Sicht Beamte zur Rechenschaft zu ziehen, wenn aufgrund von Systemfehlern (die dem Justizministerium seit Langem bekannt sind) bedauerliche Vorfälle passieren, die augenscheinlich auf Personalmangel, Überbelegung oder etwa Probleme mit der Unterbringung im Maßnahmenvollzug zurückzuführen sind?

34. Stimmt es, dass seit dem Vorfall im März bis zum bekanntwerden des Umstandes in den Medien am 21.05. kein Vertreter (weder vom Ministerium, der Dienstbehörde VD, Anstaltsleitung sowie kein direkter Vorgesetzter) mit den betroffenen Beamten in Kontakt getreten ist?

35. Wie beurteilen Sie den Umstand, dass die betroffenen Beamten über den Verlauf der Ermittlungen, Suspendierungen, etc. ausschließlich aus den Medien erfahren mussten, während Medienvertreter bestätigen, dass die Informationen für die Berichterstattung aus Ihrem Ministerium stammen?