1657/J XXV. GP

Eingelangt am 28.05.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Georg Willi, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Verbindung A 23 - S 1 in Wien-Donaustadt, incl. der sogenannten "Stadtstraße" im Raum Hirschstetten-Aspern/Seestadt

 

2010 fand eine Evaluierung der Infrastruktur-Bauprogramme des Bundes statt, die in den sogenannten „Ausbauplan Bundesverkehrsinfrastruktur 2011-2016: Klug investieren, verantwortlich sparen“ des BMVIT mündete.

Leider wurde diese Evaluierung ihrem eigenen Anspruch nach einer umfassenden Bewertung der verkehrlichen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Wirkungen der geplanten Verkehrsprojekte nicht gerecht (vgl. zur Kritik von Methodik und Ergebnis die „Gutachterliche Stellungnahme zum evaluierten Verkehrsinfrastruktur-Bauprogramm 2011–2016 des BMVIT“, Dipl.Ing. R. Unglaub, November 2010).

Die Evaluierung beinhaltete insbesondere keine verkehrsträgerübergreifende Bewertung anhand anerkannter Zielsetzungen der Verkehrspolitik der EU oder völkerrechtlicher Verpflichtungen der Republik Österreich (Stichwort Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention) sowie keine bzw. keine substanzielle Berücksichtigung von umweltpolitischen Grundsätzen der EU und von Umweltaspekten generell. Aufgrund dieser und weiterer Inkonsistenzen sind die konkreten Ergebnisse sowohl für die einzelnen Straßenprojekte (namentlich für A 5 und S 7) als auch im Vergleich der Projekte untereinander fachlich nicht nachvollziehbar. Es blieb vielmehr bei einer nach Verkehrsträgern getrennten, oberflächlichen Bewertung vorliegender Planungsprojekte aus ökonomischer und verkehrstechnischer Sicht.

Die dringend erforderliche fachlich plausible Prüfung der Zweckmäßigkeit insbesondere der Straßenprojekte im Hinblick auf eine nachhaltige und integrierte Gesamtverkehrsplanung hat diese Evaluierung somit nicht geleistet.

 

Selbst diese „Evaluierung unter Anführungszeichen“ führte jedoch insoweit zu mobilitäts- und infrastrukturpolitischen Fortschritten, als einige bis dahin geplante und im Anhang des Bundesstraßengesetzes verankerte hochrangige Straßenprojekte gestrichen (A 24) bzw. in Länge und Querschnitt redimensioniert (u.a. A 26) bzw durch Zuschüsse des Bundes an das betreffende Land für redimensionierte Weiterbauten ersetzt (zB S 31) wurden.

Mit der entsprechenden Änderung des Bundesstraßengesetzes im Parlament (BGBl. I Nr.62/2011) wurde auch die geplante Verlängerung der A 23 (Wiener Südosttangente) in Wien-Donaustadt vom Bereich der Anschlussstelle Hirschstetten zur geplanten Lobauautobahn (S 1) im Raum Raasdorf gestrichen und durch eine trassenidente Kombination eines Zubringers („Einschließlichstrecke“ der S 1) „Knoten bei Raasdorf – Wien/Donaustadt (Am Heidjöchl, Höhe Johann-Kutschera-Gasse)“ und einer sogenannten „Stadtstraße“ von Hirschstetten (A 23) bis zum Beginn dieser Einschließlichstrecke der S 1 im Bereich Am Heidjöchl, Höhe Johann-Kutschera-Gasse ersetzt. Mit einem in derselben BStG-Novelle eingefügten neuen § 10 Abs 4 BStG verpflichtete sich der Bund zugleich, entsprechend dem Baufortschritt einen Zuschuss in dreistelliger Millionenhöhe zur Errichtung einer Straße von Hirschstetten (A 23) bis zum Beginn der S1-Einschließlichstrecke im Bereich der Straße Am Heidjöchl, Höhe Johann-Kutschera-Gasse an die Stadt Wien zu leisten, womit unterstrichen wird, dass die Vorhaben Stadtstraße und S 1-Einschließlichstrecke zusammenhängende Teile eines einzigen Straßenbauvorhabens sind.

 

Von der ASFINAG war das mit der Stadtstraße Hirschstetten-Aspern trassenidente Projekt im Jahre 2009 schubladisiert worden. Als Grund wurde von ASFINAG-Vorstand Alois Schedl gemeinsam mit Klaus Schierhackl am 9. Jänner 2010 in einer Pressekonferenz verlautbart: „Wenn dort durch die Spange (= heutige S1 Wiener Außenring Schnellstraße, Spange Seestadt und Stadtstraße Hirschstetten-Aspern) 30.000 Autos mehr dazukommen, dann müssen auf der (bestehenden) A23 Maßnahmen gegen die Verschmutzung gesetzt werden.“ Dies wäre weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll umsetzbar.

Die Stadtstraße unterscheidet sich in der derzeit geplanten Gestalt nur durch das Tempolimit von einer Autobahn, ist ebenso komplett kreuzungsfrei (ausgenommen eine einzige Ampel kurz vor der Anbindung an A 23 und S 2) und hat Zu- und Abfahrtsrampen wie eine Autobahn! Sie würde also nichts an der von den damaligen und heutigen ASFINAG-Vorständen erwarteten Fahrzeugzahl und damit nichts an der Notwendigkeit „weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll umsetzbarer“ Maßnahmen auf der bestehenden A 23 ändern. Dennoch soll durch die Projektstückelung offenbar eine Zusammenschau verhindert werden und es sollen die an sich nötigen, extrem aufwändigen Maßnahmen auf der bestehenden A 23 (Einhausung mit Abgasfilterung o.ä.) vermieden werden – zulasten von menschlicher Gesundheit und Umweltschutz, und im Konflikt mit EU-Recht.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie ist der Stand allfälliger Planungsarbeiten bei der Anschlussstelle Hirschstetten auf der A 23?

2)     Ist es richtig, dass der Umbau dieser Anschlussstelle für die geplante Stadtstraße bereits vorgezogen werden soll, obwohl nicht gesichert ist, ob und wie die Stadtstraße gebaut wird?

3)    Ein wesentlicher Teil des Hypo-Alpe-Adria Desasters sind die Haftungsübernahmen durch das Land Kärnten. Wie hoch sind die Kreditgarantien/Haftungen der Republik für die ASFINAG zum heutigen Tag insgesamt und wie wollen Sie diese angesichts der herrschenden Budgetlage reduzieren, wenn für S 1/A 5/S 8/Stadtstraße neue Haftungen eingegangen werden?

4)    Ist es richtig, dass aufgrund dieser und weiterer extrem kostenintensiver Projekte der ASFINAG die Haftungen des Bundes für dieses Unternehmen in den nächsten Jahren massiv – um mehrere Milliarden Euro – steigen sollen?


5)    Wie hoch sind die Budgetmittel, die der Bund der Gemeinde Wien für die Errichtung der Stadtstraße Hirschstetten/Aspern zuschießen will?

6)    Wer trägt allfällige Mehrkosten für unvorhergesehene, oder bereits jetzt absehbare Mehrkosten für die bzw. durch die Stadtstraße über diese Summe hinaus?

7)    Von der ASFINAG wurde das mit der heute geplanten “Stadtstraße Hirschstetten-Aspern” trassenidente Projekt im Jahre 2009 schubladisiert. Als Grund wurde vom Vorstand der ASFINAG, Alois Schedl (gemeinsam mit Klaus Schierhackl) am 9. Jänner 2010 in einer Pressekonferenz wie folgt verlautbart: „Wenn dort durch die Spange (= heutige S 1 Wiener Außenring Schnellstraße, Spange Seestadt und Stadtstraße Hirschstetten-Aspern) 30.000 Autos mehr dazukommen, dann müssen auf der (bestehenden) A23 Maßnahmen gegen die Verschmutzung gesetzt werden.“ Dies wäre weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll umsetzbar. Die Stadtstraße unterscheidet sich nur (möglicherweise) durch das Tempolimit von der Autobahn, ist ebenso komplett kreuzungsfrei (ausgenommen kurz vor der A23 / S2) und hat Zu/Abfahrtsrampen wie eine Autobahn!

Ist aus Sicht des BMVIT diese Einschätzung der ASFINAG-Spitze nach wie vor zutreffend? Wenn nein, warum im Einzelnen nicht?

8)    Durch die Teilung des Projekts in einzelne Bauabschnitte unter dem Deckmantel 'Stadtstraße' ist für diese nur ein vereinfachtes UVP-Verfahren nötig. Dies hat negative Konsequenzen für das Verfahren und die Bevölkerung:

·         Kein Umweltverträglichkeitsgutachten, sondern nur eine zusammenfassende Bewertung der Umweltauswirkungen ist zu erstellen

·         Bürgerinitiativen haben keine Parteistellung, sondern nur Beteiligtenstellung mit Akteneinsicht

·         Umweltorganisationen können nur eingeschränkt den Verwaltungsgerichtshof anrufen

·         Es ist auch keine Nachkontrolle vorgesehen.

Wie stehen Sie zu dieser Vorgehensweise?

9)    Warum wurden die Projekte S 1 Süßenbrunn-Schwechat / S 1 Spange Seestadt / Stadtstraße-Hirschstetten / S 8 Marchfeldschnellstraße nicht zu einem Gesamtverfahren zusammengefasst und wie im UVP-Gesetz und in der zugrundeliegenden EU-Richtlinie unbedingt vorgesehen einer Gesamtbetrachtung unterzogen?

10) Halten Sie die derzeit beabsichtigte Vorgehensweise – erleichterte UVP durch Projektstückelung - für EU-konform? Wenn ja, warum im Einzelnen?

11) Die Stadtstraße mündet in der Stauzone Auffahrt Hirschstetten in die A 23/S 2. Direkt davor ist eine Ampel vorgesehen, das stellt Mega-Staus durch bzw. entlang dicht bebautem Wohngebiet in Hirschstetten sicher. Wo liegt die Sinnhaftigkeit des Projekts?

12) Mehr Straßen schaffen nach Überzeugung der meisten Fachleute mehr Verkehr, dieses Phänomen des „induzierten Verkehrs“ wird mittlerweile kaum mehr abgestritten und wird auch routinemäßig gutachterlich und im Rahmen von Genehmigungsverfahren berücksichtigt. Wieso wird dann auf das überholte und von einem breiten Spektrum von Verkehrs-Fachleuten (Rosinak, Knoflacher, Frey, …) kritisierte Projekt Stadtstraße zurückgegriffen statt seitens des Bundes und der betroffenen Länder an einem durchdachten, nachhaltigen Verkehrskonzept für die Region Wien-Nord/Ost zu arbeiten?

13) Die ASFINAG begründet den S 1-Pläne mit einem prognostizierten weiteren Ansteigen des PKW-Verkehrs. Welche Ausgleichsmaßnahmen im Bereich des öffentlichen Verkehrs bereitet das BMVIT gemeinsam mit ÖBB und VOR und allfälligen anderen Institutionen oder Gebietskörperschaften vor, um die Mobilität generell in der Region Wien-Nord/Ost und insbesondere im Weinviertel, im Marchfeld und im Wiener Lobauvorland ökologisch zu gestalten?