1661/J XXV. GP

Eingelangt am 04.06.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz

betreffend RH-Kritik an Sozialversicherungen bei Liegenschaftsverkäufen

BEGRÜNDUNG

 

In seinem Bericht zu Liegenschaftsverkäufen ausgewählter Sozialversicherungs­träger (RH Reihe Bund 2014/1) deckt der Rechnungshof zahlreiche Mängel bei der Veräußerung von Immobilien auf. Zwischen 2007 und 2011 führten 14 der 22 Sozialversicherungsträger 70 Liegenschaftsverkäufe um insgesamt rund 101,77 Mio. Euro durch. Erst ab einer Wertgrenze von 420.000 Euro (Stand 2011) war eine Genehmigung des Sozial- bzw. Gesundheitsministeriums nötig. Dies hatte laut RH zur Folge, dass bei 40 der 70 Verkäufe lediglich eine Anzeigepflicht gegenüber den Ministerien bestand, obwohl diese nicht wie geplant geringfügige Fälle, sondern vor allem Wohnungen, Büros und Garagen betrafen. Auch bei Verkäufen, die einer Genehmigung unterlagen, wurde u.a. durch fehlende oder unzweckmäßige Bewertungsgutachten, Verzicht auf Bieterverfahren, zweifelhafte Verkaufsverfahren etc., ein Mindererlös in einem zweistelligen Millionenbetrag erzielt. Dieser erhebliche Schaden in der Höhe von schätzungsweise mindestens 50 Millionen Euro geht letztlich aufs Konto der Versicherten, der SteuerzahlerInnen.

Der Rechnungshof stellt beispielsweise fest: Beim Teilverkauf der KBB - Klinikum Besitz- und Betriebs Gesellschaft m.b.H. mit vier Sonderkrankenanstalten in Baden, Bad Gastein, Bad Hall und Bad Schallerbach habe die Sozialversicherungsanstalt der Bauern ein "unzweckmäßiges Bewertungssystem" angewandt. Dies könnte für die Institution bis 2026 Mehrkosten zwischen rund 32,40 und 33,53 Mio. Euro bedeuten. So stellt der Rechnungshof fest:

Es fehlte eine Barwertberechnung der Angebote:

„Das Angebot des Bieters 1 beurteilte die SVB mit 95,42 Punkten als das Bestangebot. Es sah für die geplante Sanierung und den Ausbau der Krankenanstalten Kosten von rd. 24,10 Mio. EUR vor, jenes des Bieters 2 als Zweitbieter rd. 38,48 Mio. EUR. Die geplante Bauzeit betrug beim Bieter 1 als Erstbieter insgesamt 65 Monate, beim Bieter 2  87 Monate. Die SVB führte eine rechnerische Angebotsüberprüfung durch. Auf eine Analyse der Gründe für die großen Angebotsunterschiede verzichtete sie allerdings.

Der Bieter 2 lag mit insgesamt 90,99 Punkten mit 16,00 Mio. EUR beim einmaligen Kaufpreis um 0,50 Mio. EUR zwar unter dem Angebot des Bieters 1, bei den jährlich durch die SVB zu leistenden Tagessatzkosten war sein Angebot mit rd. 28,48 Mio. EUR allerdings um rd. 3,46 Mio. EUR günstiger. (2014/1, S. 55)

Eine auf diesem Bewertungssystem durchgeführte Punktenormierung zeigte, dass dem positiven Effekt des Bieters 1 im Vergleich zum Bieter 2 beim Kaufpreis (+ 0,50 Mio. EUR) ein entsprechend negativer Effekt bei den Tagessatzkosten (– 14,53 Mio. EUR) gegenüberstand. Damit bestand ein Missverhältnis von rd. 1 zu 29 (rd. 1 EUR mehr Kaufpreis zu rd. 29 EUR an höheren Tagessatzkosten).

Nach Berechnung des RH könnte das von der SVB als besser beurteilte Angebot des Bieters 1 und späteren Käufers im Vergleich zum Bieter 2 aufgrund der wesentlich höheren Tagessatzkosten bis zum Ende der Auslastungszusage im Jahr 2026 bei beinahe gleicher Leistung geschätzt zu nominellen Mehrkosten von rd. 53,94 Mio. EUR führen. Dies entspräche einem Barwertnachteil von rd. 35,60 Mio. EUR.

Nach weiterer Berücksichtigung der monetären Kriterien Sanierungskosten und Gewinnbeteiligung (siehe Anhang) läge dieser immer noch zwischen rd. 32,40 Mio. EUR und 33,53 Mio. EUR. In der Gesamtbetrachtung — auch unter Einbeziehung der nichtmonetären Kriterien wie Funktionalität und Qualität — würde dadurch ein fiktiver Bietersturz eintreten. Dies bedeutete, dass der Bieter 2 das für die SVB wirtschaftlich bessere Angebot gelegt hätte.“ ( ebenda, S. 58)

Durch eine Auslastungsgarantie bis 2025 wurde so der Teilverkauf an öffentlichen Einrichtungen zum todsicheren Geschäft des privaten Erwerbers. Obwohl sich die SVB einen Widerruf des Vergabeverfahren ab Okt. 2007 vorbehielt, verblieb sie bei den für sie äußerst nachteiligen Vertragsbedingungen in der Höhe von 35,6 Mio Euro. Die private Managementgesellschaft aus dem Gesundheits-, Bau- und Bankenbereich konnte so ein äußerst  lukratives Geschäft auf Kosten der Versicherten abschließen!

 

Im Fall der Pensionsversicherungsanstalt wurden laut Rechnungshof die Erlöser­wartungen beim Verkauf ihrer drei größten Liegenschaften bereits im Vorhinein gesenkt, da vom Sozialministerium beauftragte Gutachten werterhöhende Faktoren nicht berücksichtigten. Darüber hinaus verzichtete die Pensionsversicherungsanstalt bei den Verkäufen Schiffamtsgasse 15 und Malzgasse 8-10 auf eine öffentliche Interessentensuche und verhandelte rund zwei Monate direkt nur mit einer privaten Immobiliengesellschaft.


Untersucht hat der RH auch den Verkauf der Liegenschaft Roßauer Lände 3 in Wien, wo sich die Pensionsversicherungsanstalt trotz weit fortgeschrittener Verkaufs­ver­handlungen mit dem Bestbieter aufgrund eines nachträglich geänderten Angebots für eine Versteigerung entschieden habe. Dabei schränkte sie durch einen kurzfristigen Termin und die Einladung von nur zwei der ursprünglich sieben Bieter den Wett­bewerb entscheidend ein, stellte der RH fest. Trotz weit fortgeschrittener Verkaufs­verhandlungen entschied sich die PVA mit dem Bestbieter aufgrund eines nachträg­lich geänderten Angebots für eine Versteigerung.

„Nach Ansicht des RH hatten die Bieter ihre Angebote — trotz einer möglichen vorzeitigen Kündigung durch die PVA — bestmöglich auf eine Mietdauer bis Ende 2009 zu kalkulieren. Dies umso mehr, als der PVA auch eine Option auf Mietverlängerung um ein  weiteres  Jahr — bis Ende 2010 — anzubieten war. Durch das Außerachtlassen der potenziellen Mietaufwendungen für 2009 bei der Angebotsauswertung passte die PVA die Angebote jenem Ausmietungszeitpunkt an, der ihr aufgrund von Baufortschrittsprognosen am wahrscheinlichsten erschien. Die Grundlagen für die Bestbieterermittlung stimmten damit nicht mehr mit den ursprünglichen Ausschreibungsbedingungen überein. Diese Vorgangsweise führte zu einer Wettbewerbsverzerrung, weil die Bieter die Miete für das Jahr 2009 jeweils unterschiedlich bemessen bzw. in ihrem kaufmännischen Gesamtkalkül gewichtet hatten. Dies zeigte sich insbesondere darin, dass die Mietpreisangebote für die PVA zwischen 110.000 EUR und 218.750 EUR pro Monat schwankten. Dies war insofern relevant, weil der spätere Käufer (Unternehmen einer Bank) nachträglich sein Kaufpreisangebot verbesserte, dessen Mietangebot (218.750 EUR pro Monat) allerdings das teuerste der sieben Bieter war. Die generelle Nichtberücksichtigung des Mietpreises für das Jahr 2009 bewirkte, dass die PVA dessen Angebot zu Unrecht am besten bewertete.“ (ebenda S. 101)

 

Weiters kritisierte der Rechnungshof: Über die 2007 an das Unternehmen einer Bank verkaufte Liegenschaft Roßauer Lände 3 habe die Universität Wien, die bereits seit 2004 ihre Standortpolitik auf eine Innenstadtuniversität ausrichtete, einen "wirtschaftlich nachteiligen" Mietvertrag geschlossen. Der Verzicht auf das Kündigungsrecht für einen unangemessen langen Zeitraum von 40 Jahren bedeutete bis 2053 eine Vorbelastung der künftigen Budgets durch Mietzahlungen in Höhe von insgesamt rund 296,32 Mio. Euro.

Beim Verkauf des Objekts Schiffamts/Malzgasse in bester zentraler Lage gab es nicht einmal einen Ausschreibungswettbewerb bzw. ein öffentliches Bieterverfahren. Dabei wurde der Verkehrswert um 3,5 Millionen Euro zu niedrig angesetzt, sodass beim Verkauf ein Buchverlust von 2,04 Millionen entstand. Durch den Auszug der IT-Services wurde die Liegenschaft bestandsfrei und so verbesserten sich die Verwertungsmöglichkeiten des privaten Käufers noch zusätzlich.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1)        Gedenken Sie in Hinkunft im Rahmen der Sozial/Pensionsversicherungen Immobilienverkäufe auf Basis korrekter Gutachten und transparenter Bieterverfahren professionell abwickeln zu lassen und auf die Erfahrungen der BIG zurückzugreifen? Wenn nicht, warum nicht?

2)        Werden Sie dabei die Grundsätze für die Durchführung von Liegenschaftstransaktionen des Rechnungshofes berücksichtigen?

3)        Wird es Ihrerseits klare Richtlinien geben, ohne deren Einhaltung  keine Genehmigung seitens Ihres Ressorts erteilt wird?

4)        Warum wurde seitens der SV und des BMASK kein Wert auf aktuelle und korrekte und unabhängige Gutachten über den Wert der Immobilien gelegt?

5)        Warum erfolgten bei 61% der Liegenschaftsverkäufe keine Bieterverfahren?

6)        Welche Maßnahmen wurden seitens Ihres Ressorts getroffen, um den Empfehlungen des RH (S. 37f) über Bewertung, Gutachten, Neubewertungen, Sachverständige, Bieterverfahren, Unterschreitung von Schätzpreisen nachzukommen?

7)        Um welche private Managementgesellschaft aus dem Gesundheits-, Bau- und Bankenbereich handelt es sich beim Teilverkauf der KBB durch die SVB?

8)        Warum wurde bei diesem Verkauf auf eine Barwertermittlung verzichtet?

9)        Warum erfolgte kein Bietersturz?

10)     Warum wurde auf einen Widerruf verzichtet?

11)     Bestand ein Naheverhältnis des Verkäufers zum Käufer?

12)     Laut RH wurde der Verkehrswert des Objekts Roßauer Lände 3 um 7 Millionen Euro zu gering geschätzt. In welchem Verhältnis stand der Gutachter zum Verkäufer?  In welcher Weise kamen Sie Ihrer Zusicherung, in Hinkunft Plausibilitätsprüfungen vorzunehmen, nach?

13)     Welche Konsequenzen werden Sie aus der vom Rechnungshof kritisierten Form der Angebotsausweitung durch die PVA ziehen, die mittels Versteigerung ohne Berücksichtigung der hohen Mietkosten ab 2009 erfolgte?

14)     Welches Tochterunternehmen welcher Bank erwarb dann das Objekt?

15)     Wodurch können Sie ausschließen, dass es zu einer für den Käufer günstigen Manipulation des ursprünglichen Bieterverfahrens kam?

16)     Warum wurde das Objekt nicht der BIG bzw. der Universität Wien angeboten?


17)     Warum verzichtete man bei den Liegenschaften Schiffamts/Malzgasse auf ein professionelles Bieterverfahren?

18)     Welche private Maklergesellschaft erwarb die Objekte?

19)     Warum wurde der Mietvertrag der IT-Services nicht mit dem Kaufvertrag verbunden?