1712/J XXV. GP

Eingelangt am 12.06.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

DRINGLICHE ANFRAGE

§ 93 Abs. 2 GOG-NR

der Abgeordneten Dr. Nachbaur

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend „Steuersenkung für unsere Leistungsträger statt Klassenkampf“

Der schwelende rot-/schwarze Steuerstreit offenbart die Handlungsunfähigkeit und auch die unterschiedliche Weltanschauung der Bundesregierung zum wiederholten Male. In Hinblick auf die bestehende Rekordverschuldung, die Rekordarbeitslosigkeit und die Rekordsteuern ist die Bundesregierung aufgerufen, den wachsenden Unmut der Bürger nicht ungeachtet zu lassen und lösungsorientiert für die Bürger zu arbeiten.

Völlig kontraproduktiv ist der jetzt inszenierte Klassenkampf, der lediglich dazu dient, echte und umfassende Reformen nicht nur im Steuersystem, sondern auch im Bereich der Pensionen, der Bildung, der Gesundheit, der Verwaltung und des Föderalismus zu vermeiden sowie die eigenen Proporzstrukturen unangetastet zu lassen. Es gibt genug Menschen in unserem Land, die nicht nur wissen, was zu tun wäre, sondern dies auch in der Öffentlichkeit deutlich aussprechen. Bundeskanzler Faymann und Finanzminister Spindelegger wären gut beraten, beispielsweise dem neuen Präsidenten der Wirtschaftskammer Wien, Walter Ruck, und dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, aufmerksam zuzuhören: „Nicht mehr Geld in ein desolates System", „Vermögenssubstanzsteuern vernichten Arbeitsplätze“ oder „Ich würde mir wünschen, dass sich die Regierung in Klausur begeben und eine echte Steuerreform erarbeiten würde", sind Forderungen der Wirtschaftstreibenden, die an Klarheit nicht zu überbieten sind.

Vermögen sichert den Wirtschaftsstandort - daher Nein zu „Vermögensstrafsteuern“

Klassenkampf samt Umverteilungszwang stützt nur die Proporzstrukturen der Parteien zu Lasten der steuerzahlenden Bürger - wir wollen eine moderate Entlastung aller Einkommensteuertarifstufen über mehrere Jahre.

Konkret streben wir über die nächsten fünf Jahre eine jährliche Senkung jeder Tarifstufe um 3% an, sodass der Eingangssteuersatz letztlich auf 21,5% und der Spitzensteuersatz auf 35% gesenkt werden.

Gegen eine „vermögensbestrafend“ wirkende Gegenfinanzierung sprechen wir uns entschieden aus und sehen bereits in der anhaltenden Vermögenssteuerdiskussion eine Gefährdung des Wirtschaftsstandortes Österreich. Denn Vermögenssteuern treffen entgegen

den sozialistischen Vorstellungen insbesondere den Mittelstand, wie beispielsweise die „Häuselbauer“. Die wenigen Superreichen hingegen haben diverse steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten und werden nicht erwischt. Das dürfte selbst aus Sicht der Sozialdemokraten nicht sozial gerecht sein.

Vereinfacht gesprochen gilt für uns folgendes Prinzip:

Steuern senken, um den Wirtschaftsstandort zu stärken, um mehr Beschäftigung zu schaffen und Konsum und Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Das generiert Arbeitsplätze und bringt dem Staat letztlich höhere Einnahmen.

Eine langfristig angelegte und eingeschliffene Tarifsenkung bringt nicht nur Konsumsteigerung und Wirtschaftswachstum, sondern steigert auch die Steuermoral und dämmt damit die Schattenwirtschaft ein. Das Potential ist nach Expertensicht erheblich: geschätzte 20 Milliarden Euro werden im Bereich der Schattenwirtschaft „verpfuscht“ - und das oft nur, weil den Menschen trotz Arbeit nicht genug Geld zum Leben bleibt.

Die ständig sinkende Steuermoral wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mit der „neuen“ Regierungstaktik wieder angehoben. Die angekündigte Mehrzahl an Finanzprüfern und unangekündigter Prüfungen sowie die Verschärfungen im Bereich von Selbstanzeigen sind keine probaten Mittel einer aufgeklärten Demokratie. Vielmehr schmälern solche Zwangs- und Drohmaßnahmen das Vertrauen in den Staat und schaffen eine Atmosphäre der Unterdrückung und Knechtung. Aber gerade eine Vertrauenssteigerung wäre nach dem Hypo- und Budgetlochdebakel sowie den Abgabenerhöhungen nach den Wahlen notwendiger denn je. Statt die Bürger und ihren hart erarbeiteten Wohlstand zu bekämpfen, sind endlich der teure Föderalismus sowie das Verwaltungs- und Subventionsdickicht abzubauen - und das genauso entschieden, wie die Abgabenerhöhungen nach der Wahl. Erste wichtige positive Signale waren gestern in den Abendstunden von Finanzminister Spindelegger zu vernehmen. In der „Zeit im Bild“ sprach er sich gegen die Einführung „neuer“ Steuern aus, was vom Team Stronach ausdrücklich unterstützt wird. Unklar blieb, ob sämtliche Steuer- und Abgabenerhöhungen ausgeschlossen sein sollen. Alles in allem sollte der Finanzminister seine lobenswerten Ankündigungen detaillieren und den Bürgern, die den ständigen Ankündigungen der Bundesregierung nicht mehr glauben wollen, Garantien aussprechen!

Langfristige Strukturreform: Steuererklärung in Postkartengröße

Langfristig ist eine umfassende und vereinfachende Steuerstrukturreform unabdingbar. Die österreichischen Steuergesetze sind unübersichtlich, ungerecht, kompliziert und schaffen aufgrund unzähliger Ausnahmebestimmungen Rechtsunsicherheit. Steuergesetze sind in Österreich in vielen Bereichen Auslegungssache, wodurch viel Geld und Zeit verschwendet werden, die den Bürgern sowie der Wirtschaft letztlich fehlen.

Daher ist eine umfassende und vereinfachende Steuerreform überfällig. Ziel ist die Einführung eines fairen, gerechten und transparenten Steuersystems, das die Steuerzahler entlastet, den Verwaltungsaufwand reduziert, die Steuerberechnung vereinfacht und vor allem die Ungleichbehandlung in der Besteuerung beseitigt. Die Berechnung muss so einfach sein, dass sie von jedem Bürger und Unternehmer mit einer gewissen Grundausbildung ohne Spezialwissen vorgenommen werden kann.

Unternehmensbesteuerung attraktiveren heißt den Wirtschaftsstandort retten

Schwerpunktmäßig müssen Unternehmen steuerlich besser gestellt werden, die im Inland investieren. Dadurch werden weitere Arbeitsplätze im Inland geschaffen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass sich die österreichische Wirtschaft durch kleine und mittlere Unternehmen auszeichnet. Diese Unternehmen erarbeiten den größten Teil der heimischen Wirtschaftsleistung und stellen damit das Fundament der Beschäftigungssituation in Österreich dar. Diese Unternehmen verdienen ein optimales Wirtschaftsklima, damit unser Land wieder in eine positive Zukunft blicken kann.

Weiters sind von staatlicher Seite Optionen zu schaffen, die beim Einsatz bzw. Ausbau von Mitarbeiterbeteiligungsmodellen merkbare steuerliche Erleichterungen bringen. Mitarbeiter sollen durch Gewinnbeteiligungsmodelle am unternehmerischen Erfolg teilhaben können. Derzeit wird in Österreich zwar sehr viel von Mitarbeiterbeteiligung gesprochen, de facto ist diese aber im internationalen Vergleich in unserem Land nur sehr gering ausgeprägt.

Unser Standpunkt lautet: Jedes Unternehmen ist in der Regel nur so gut wie seine Mitarbeiter. Zufriedene, motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter sind das wertvollste Kapital und die entscheidende Grundlage unternehmerischen Erfolgs. Daher müssen wir nachhaltige Unternehmenskulturen und die dafür geeigneten Modelle fördern.

Ende mit dem Taktieren - sofortige Steuersenkung statt „Zwischenwahlkampf“

Ein weiteres Abwarten und Taktieren der Regierungsparteien ist den Bürgern und den Unternehmern nicht mehr zuzumuten. Die Arbeitskosten sowie die Lohnnebenkosten sind in Österreich überdurchschnittlich hoch und führten bereits zu öffentlich geäußerten Abwanderungsandrohungen von Unternehmen. Gleichzeitig spricht die Höhe der jetzigen Abgabenquote für sich. Mit rund 45% ist Österreich fast schon Abgabeneuropameister und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Die budgetierten Steuereinnahmen werden weiter steigen. Innerhalb der nächsten Jahre steigen die öffentlichen Abgaben brutto von rund 76,4 Mrd. Euro im Jahr 2013 auf rund 91,2 Mrd. Euro im Jahr 2018 - das ist ein Zuwachs von 19,4%.


In diesem Zusammenhang appellieren die unterfertigten Abgeordneten mit folgendem Zitat an den Finanzminister

„Eine Regierung muss sparsam sein, weil das Geld, das sie erhält, aus dem Blut und Schweiß

ihres Volkes stammt. Es ist gerecht, dass jeder einzelne dazu beiträgt, die Ausgaben des

Staates tragen zu helfen. Aber es ist nicht gerecht, dass er die Hälfte seines jährlichen

Einkommens mit dem Staate teilen muss.“ (Friedrich II.)

und richten an den Bundesminister für Finanzen nachstehende

DRINGLICHE ANFRAGE

1)    Können Sie garantieren, dass unter Ihrer ministeriellen Verantwortung keine Regierungsvorlage betreffend die Einführung einer Schenkungs- und Erbschaftssteuer an den Nationalrat ergehen wird?

2)    Können Sie garantieren, dass unter Ihrer ministeriellen Verantwortung keine Regierungsvorlage betreffend die Einführung einer Vermögenssteuer im Sinne des von Kanzleramtsminister Ostermayer präsentierten SPÖ-Modelles (medial als „Reichen- oder Millionärssteuer" bezeichnet) an den Nationalrat ergehen wird?

3)    Können Sie garantieren, dass unter Ihrer ministeriellen Verantwortung keine Regierungsvorlage betreffend die Erhöhung der Grundsteuer an den Nationalrat ergehen wird?

4)    Können Sie garantieren, dass unter Ihrer ministeriellen Verantwortung keine Regierungsvorlage betreffend die Einführung oder die (weitere) Erhöhung sonstiger Steuern- und Abgaben erfolgen wird und, wenn nein, welche diesbezüglichen Pläne gibt es?

5)    Welche Eckpunkte für eine Steuerreform sind für Sie als Finanzminister zwingend?

6)    Welche Steuern bzw. Abgaben schließen Sie von einer Reform a priori aus?

7)    Welche Steuern bzw. Abgaben bedürfen aus Ihrer Sicht jedenfalls einer Senkung?

 

8)    Wie lautet Ihr konkreter Auftrag an die Steuerreformkommission unter Berücksichtigung der oben angeführten Fragen und werden Sie die Ergebnisse der Steuerreformkommission als verbindlich ansehen?

 

9)    Welche konkreten Absprachen und Verhandlungsergebnisse bezüglich einer Steuerreform bzw. Steuersenkung bestehen mit dem Bundeskanzler?

10) Wie sieht das von Ihnen geplante Steuerreformmodell aus?

11) Welchen Umfang hat das von Ihnen geplante Steuerreformmodell?

12) Welche  konkreten Voraussetzungen und Sparziele müssen Ihren Planungen nach erfüllt sein, um das von Ihnen geplante Steuerreformmodell umzusetzen?

13) Welche  konkreten (Steuerreform-)Modelle wurden bisher in Ihrem Ministerium unter Ihrer Verantwortung durchgerechnet und wie lauten die Berechnungen im Detail?

14) Nach Medienberichten besteht zwischen SPÖ- und ÖVP-Experten eine Kalkulationsdifferenz von 1,4 Milliarden Euro hinsichtlich der Auswirkungen der von Kanzleramtsminister Ostermayer präsentierten „Millionärs- oder Reichensteuer“. Wie begründen Sie die Differenz nicht zuletzt den Bürgern gegenüber?

15) Wie wirkt sich nach Berechnungen des Finanzministeriums eine (abgestufte) Steuerreform auf das gesamte Steueraufkommen aus, wenn über die nächsten fünf Jahre jede Einkommensteuertarifstufe jährlich um 3% gesenkt wird, sodass der Eingangssteuersatz auf 21,5% und der Spitzensteuersatz auf 35% gesenkt werden? (Bitte um getrennte Nennung der rechnerischen Auswirkungen der Tarifsenkungen und der zu erwartenden nachfrageseitigen steuerlichen Auswirkungen)

16) Laut Medienberichten sollen eine Vereinfachung des Steuersystems (etwa die Streichung der „steuerrechtlichen Privilegien einzelner Berufsgruppen“) und die Streichung von Förderungen je 1,5 Mrd. Euro bringen. Ein Vorschlag des Finanzministers für die Reform des Förderwesens sollte bereits bis Ende März vorliegen, nun werden Maßnahmen vor dem Sommer angepeilt. Wann ist mit einem fertigen Konzept zur Reform des Förderwesens zu rechnen?

17) Welche konkreten Maßnahmen zur Reform des Förderwesens planen Sie?

18) Wie viel kann  aufgrund der Reform des Förderwesens den Berechnungen Ihres Ministeriums nach tatsächlich eingespart werden?

19) Sehen Sie steuerrechtliche Privilegien bei einzelnen Berufsgruppen?

 

20) Welche Berufsgruppen sind das und können Sie deren Steuervorteile gegenüber nicht privilegierten Berufsgruppen quantifizieren?

21) Welche „steuerrechtlichen Privilegien einzelner Berufsgruppen“ sollen Ihren Planungen nach gestrichen werden?

22)  Wie viel kann durch die Streichung steuerrechtlicher Privilegien den Berechnungen Ihres Ministeriums nach tatsächlich eingespart werden bzw. zu wie viel Steuermehreinnahmen für den Staat kommt es dadurch?

23) Wie hoch sind die geplanten Kosten für die Tätigkeit der mit der Steuerreform beauftragten Reformkommission?

24) Wer genau wird Mitglied dieser Kommission sein?

25) Ist geplant, auch Vertreter der Oppositionsparteien zu beteiligen und, wenn nein, warum nicht?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 93 Abs. 2 GOG-NR verlangt.