1725/J XXV. GP

Eingelangt am 12.06.2014
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Anfrage

des Abgeordneten MMMag. Dr. Kassegger

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Fünf Jahre IST Austria - Finanzierung und Leistung

 

Das Institute of Science and Technology (IST) Austria begeht dieses Jahr seinen fünften Geburtstag. Nach anfänglichen Unruhen im akademischen Sektor angesichts langjähriger Finanzierungszusagen ohne eine Leistungsvereinbarung zieht die Presse vom 09.06.2014 eine Zwischenbilanz:

 

"Fünf Jahre IST Austria: Die verordnete Exzellenz

Vor fünf Jahren wurde das Institute of Science and Technology (IST) Austria gegründet. Ein Überblick darüber, was seither im Norden von Wien 'auf der grünen Wiese' entstanden ist.

Kaum jemand am Heiligenstädter Bahnhof kennt den Shuttle-Bus, der einmal in der Stunde zum Institute of Science and Technology (IST) Austria im Norden von Wien fährt. Obwohl schon vor fünf Jahren eröffnet, scheint auch das Ziel wenig bekannt: die Eliteuniversität in Maria Gugging, ursprünglich eine Idee des Quantenphysikers Anton Zeilinger. [...] Gerade zu Beginn sorgte das für Wirbel in der Wissenschaftsszene. Vor allem die Unis tobten, als man sich damals für die Schaffung des IST Austria und gegen die Stärkung von bestehenden Spitzenbereichen an den Unis entschied – wie man es etwa in Deutschland tat. Die Angst der Unis, finanzielle Abstriche hinnehmen zu müssen, war zum Teil begründet. Das IST Austria wurde großzügig mit Mitteln ausgestattet, die ihnen verwehrt blieben.

Auf der grünen Wiese

Auch die Wahl des Orts stand in der Kritik. Vor allem bei denen, die selbst Standort sein wollten – Wien, Oberösterreich und die Steiermark hatten sich darum bemüht. Auch das Projektteam um Zeilinger zog sich unter Protest zurück. Der deutsche Gehirnforscher Tobias Bonhoeffer wurde 2008 zum Präsidenten bestellt, sagte aber nach einem Monat ab. Gewählt wurde schließlich der österreichische Computerwissenschaftler Thomas Henzinger. Haim Harari, der ehemalige Präsident des israelischen Weizmann-Institutes, prägte die Einrichtung entscheidend mit.

Was ist seither passiert? Es ist ruhig geworden um das IST Austria. Aus der Forschung kommen aber Erfolgsmeldungen, etwa aus der Evolutionsbiologie oder der Gehirnforschung. Das IST Austria ist heute eine Einrichtung für naturwissenschaftliche Grundlagenforschung mit Promotionsrecht. [...] Wer am IST Austria seinen wissenschaftlichen Abschluss machen will, muss sich bewerben. Nur wenige dürfen bleiben. Nach dem Doktorat ist der Wechsel an eine andere Institution Pflicht, Hauskarrieren gibt es nicht. 5246 Bewerbungen für Professuren gab es bisher, nur 31 wurden angenommen. Dass es gelungen ist, hochkarätige Wissenschaftler an Bord zu holen, zeigen die vielen ERC-Grants: eine EU-Förderung für Spitzenforscher, die an Personen gekoppelt ist. Am IST Austria arbeiten mittlerweile 14 Forscher mit ERC Grant.

Langfristige Finanzierung

Einmalig ist die zehnjährige Finanzierungsgarantie, die nach einer Evaluierung bereits 2012 für die Jahre 2017 bis 2026 beschlossen wurde: Insgesamt 1,28 Milliarden Euro, davon 855 Millionen garantiert. Der Rest fließt nur, wenn das IST Austria selbst Mittel in derselben Höhe aufbringt. (Zum Vergleich: Die Unis etwa erhalten nur Finanzierungszusagen über jeweils drei Jahre.) Als weiteres Standbein kommen Spenden dazu, ohne Gegenleistung, wie man betont: bislang 17 Millionen Euro – allein zehn Millionen Euro von der Bertalanffy Foundation, je zwei von Raiffeisen und Voestalpine, je eine von Mondi und OMV. Nutzen will man die Mittel, um zu wachsen. Bis 2026 will man 90 Forschungsgruppen etablieren und mehr als 1000 Mitarbeiter zählen – circa das Dreifache des Status quo.

Viele der einstigen Kritiker sind mittlerweile zu Kooperationspartnern geworden. Denn das Beispiel IST Austria zeigt: Wenn sich der Wert von Wissenschaft in Investitionen widerspiegelt, kann sich vieles entwickeln."

(Quelle:

http://diepresse.com/home/bildung/universitaet/3815813/Funf-Jahre-IST-Austria_Die-verordnete-Exzellenz?_vl_backlink=/home/bildung/universitaet/index.do)

 

Der Standard vom 27.05.2014 brachte jedoch einen weit kritischeren Kommentar von Norbert Rozsenich, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Universitätsrates der Universität für Bodenkultur und ehemaligen Sektionschef im Wissenschaftsministerium:

 

"Schlechte Bilanz einer Exzellenz-Uni

Fünf Jahre IST in Gugging sind kein Grund zum Jubel. Die Rankings sind mager, das Fördergeld fließt weiter

Die von Eigenlob triefenden Jubelmeldungen des Institute of Science and Technology Austria (Ista) über die angebliche Exzellenz seiner Forschung sind auch nach fünf Jahren seit seiner Gründung durch kein einziges unabhängiges internationales Ranking belegt.

Das Ista hat im Gegensatz zu allen Uni- und Akademieinstituten bisher keinen seriösen Leistungsbericht und keine transparente Wissensbilanz vorgelegt. Es existiert kein professioneller Entwicklungsplan für die kommenden Jahre und kein objektives Verfahren zur Qualitätssicherung, wie dies auf Basis des Universitätsgesetzes 2002 zu Recht allen österreichischen Universitäten abverlangt wird.

Aber da gibt es doch ein im Auftrag des Kuratoriumsvorsitzenden Claus Raidl 2011 verfasstes und ausschließlich positives Gutachten von sechs ausländischen Experten! Wie ich in einer Stellungnahme für den Wissenschaftsausschuss im Parlament nachgewiesen habe, war diese sogenannte Evaluation des Ista eine unglaubliche Farce, weil die sechs Gutachter nicht von einer unabhängigen Einrichtung, z. B. vom FWF oder vom European Research Council, sondern vom Ista selber ausgesucht wurden und obendrein zwei der Gutachter hochgradig befangen waren.

Es wirft ein bezeichnendes Bild auf die 'Objektivität' dieser Evaluation, dass Ista-Chef Thomas Henzinger selber seit 20 Jahren laufend mit einem dieser 'objektiven Gutachter' (Moshe Vardi, Rice University, Texas) im gleichen Fachgebiet der Informatik kooperiert und gemeinsam publiziert. Nach international üblichen Standards, die insbesondere vom FWF stets beachtet werden, ist dies ein klarer Fall von Unvereinbarkeit.

Der Vorsitzende des Ista-Exekutivkomitees, Haim Harari, hat später - offenbar unter dem Eindruck dieser tendenziösen Evaluation - in einem Gastkommentar im Standard allen Ernstes behauptet, die Informatik-Fakultät des Ista sei eine der besten in Kontinentaleuropa. [...] Auch diese Behauptung ist durch kein einziges internationales Ranking belegt und steht in merkwürdigem Kontrast zu dem Umstand, dass 2013 der Heinz-Zemanek-Preis als bedeutendster österreichischer Informatikerpreis für exzellente Forschungsarbeiten von einer hochkarätigen Jury an einen Absolventen der Universität Linz vergeben wurde und nicht an einen Mitbewerber aus dem Ista, der sich ebenfalls um diese in der Informatikszene äußerst begehrte Auszeichnung beworben hatte.

Und wenn Haim Harari ständig das Weizmann-Institut als Vorbild für das Ista propagiert und die Hirnforschung als Musterbeispiel erwähnt, kann ich das nur als gefährliche Drohung ansehen: In der Zeit seiner Präsidentschaft am Weizmann-Institut in Israel sind dort nämlich unbeschreiblich grausame, wissenschaftlich suspekte und methodisch veraltete Tierversuche an Primaten durchgeführt worden, was zu weltweiten, wenn auch in Österreich kaum beachteten Protesten geführt hat.

Zum Glück hat allerdings eine Klosterneuburger Bürgerinitiative die von Harari 2008 inszenierte Berufung eines berüchtigten Tierquälers aus Bayern zum ersten Ista-Chef in letzter Minute verhindern können.

Nach allen mir bisher bekannt gewordenen Befunden kann ich daher die Bundesmittel, die in den letzten fünf Jahren in die 'Exzellenz-Uni' in Gugging versenkt wurden, nur als grob fahrlässige Verschwendung von Steuergeldern bzw. von öffentlichen Forschungsmitteln einstufen - mit unübersehbaren Analogien zum bekannten Märchen Des Kaisers neue Kleider.

Und angesichts real sinkender Globalbudgets, die der Finanzminister den Universitäten für die nächsten Jahre zumutet, ist es eine inakzeptable Verzerrung der Wettbewerbsbedingungen, wenn das Ista in den nächsten fünf Jahren ohne erkennbaren wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Nutzen neuerlich mit beträchtlichen Erhöhungen aus dem Wissenschaftsbudget des Bundes beglückt wird."

(Quelle: http://derstandard.at/2000001570760/Schlechte-Bilanz-einer-Exzellenz-Uni)

 

 

Die bisherigen Leistungen des IST Austria sind selbstverständlich anzuerkennen, nichtsdestotrotz müssen angesichts der Finanzierungszusagen über einen zehnjährigen Zeitraum auch Leistungskenndaten  - unter anderem im internationalen Vergleich - abgefragt werden.

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft folgende

Anfrage:

 

1.    Gibt es Kennzahlen, die einen Vergleich der wissenschaftlichen Leistung der Universitäten im Vergleich zum IST Austria zulassen beziehungsweise wie stellt sich dieses dar, wenn man das Verhältnis der Finanzierung miteinbezieht?

2.    Warum erfolgte bereits 2012 die Zusage der Finanzierung für die Jahre 2017 bis 2026? Warum ist es aus Ihrer Sicht nicht sinnvoll, einen dreijährigen oder auch fünfjährigen Zeitraum - angelehnt an die Hochschulen - einzuführen, um effektiv Steuerungsmaßnahmen ergreifen zu können?

3.    Wie gestalteten sich die konkreten Finanzierungsmaßnahmen seit dem Bestehen des IST Austria von Seiten des Bundes beziehungsweise von beteiligten Bundesländern?

4.    Welche konkreten Vereinbarungen bestehen zwischen Bund und Ländern hinsichtlich des IST Austria, die in den kommenden Jahren schlagend werden (Investitionen, infrastrukturelle Maßnahmen, Ausbau, usw.)?

5.    Inwiefern gibt es Vereinbarungen hinsichtlich wissenschaftlicher Leistung beziehungsweise sind solche - angelehnt an die Leistungsvereinbarungen mit den Universitäten - zukünftig angedacht, um hier eine Gleichstellung mit den Universitäten zu erreichen?

6.    Welche Spendenbeiträge und im einzelnen von welcher Person/welcher Organisation sind seit der Gründung des IST Austria an ebenjene Organisation eingegangen?

7.    Wie hat sich seit der Gründung des IST Austria die Drittmittelaktivität entwickelt? Gibt es hier signifikante Unterschiede zu den Universitäten?

8.    Wie steht das IST Austria im Vergleich zu anderen - ähnlich gelagerten - internationalen Organisationen? Gibt es hier Kennzahlen, die einen Vergleich zulassen?

9.    Inwiefern ist das IST Austria in den "zukünftigen" Universitätsentwicklungsplan eingebunden?

10. Inwiefern nimmt der Rechnungshof hier Prüfkompetenzen wahr beziehungsweise welche Möglichkeiten hat der Bund, hier selbst Überprüfungen in wirtschaftlicher und auch wissenschaftlicher Sicht durchzuführen?

11. Wie stehen Sie zu den von Herrn Rozsenich aufgestellten Vorwürfen, dass bisher kein seriöser Leistungsbericht und keine transparente Wissensbilanz vorgelegt wurde und kein professioneller Entwicklungsplan für die kommenden Jahre und kein objektives Verfahren zur Qualitätssicherung existieren?

12. Wie stehen Sie zu den von Herrn Rozsenich aufgestellten Vorwürfen, dass kein einziges internationales Ranking die Qualität des IST Austria belegt beziehungsweise eine Evaluation von Gutachtern, die das IST Austria selbst ausgesucht hat, durchgeführt wurde? Gibt es den Verdacht einer Unvereinbarkeit bei der Zusammenarbeit der im Artikel genannten Personen?

13. Wie stehen Sie konkret zu den Vorwürfen der Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Universitäten, die mit sinkenden Globalbudgets zu kämpfen haben, während nach Herrn Rozsenich das IST Austria "[...]in den nächsten fünf Jahren ohne erkennbaren wissenschaftlichen oder gesellschaftlichen Nutzen neuerlich mit beträchtlichen Erhöhungen aus dem Wissenschaftsbudget des Bundes beglückt wird."?