1810/J XXV. GP

Eingelangt am 18.06.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Syndikatsvertrag der ÖIAG mit America Movil

BEGRÜNDUNG

 

Am 23.April 2014 stimmte der Aufsichtsrat der ÖIAG einem Syndikatsvertrag zwischen Telekom Austria und America Movil zu. Dieser Vorgang fand unter alarmierenden Umständen statt. Zunächst gab es keinen vollzähligen Aufsichtsrat, da nach dem Ausscheiden von Aufsichtsrätin Maria-Elisabeth Schaeffler keine Nach­besetzung stattfand, womit das ÖIAG Gesetz verletzt wurde. Dann wurde ein Teil des Aufsichtsrats – der Block der Arbeitnehmervertreter – nach deren Aussage viel zu spät und damit unzureichend über den Vertrag informiert. Diese Gruppe blieb daher aus Protest der Sitzung am 23.4. fern. Zuletzt gab es offenbar innerhalb des restlichen Aufsichtsrats schwere Verstimmungen. Weil wie ist es anders erklärlich, dass weitere drei Kapitelvertreter bei dieser folgenreichen Entscheidung fernbleiben. Da acht der vierzehn Aufsichtsräte abwesend waren, war das Gremium beschluss­unfähig und blieb es für mehr als sechs Stunden. Erst nachdem Aufsichtsrats­präsident Mitterbauer eingeflogen wurden war, konnte der Beschluss spätabends mit knapper Mehrheit gefasst werden. Angesichts dieser Umstände stellt sich die Frage, inwiefern diese Abläufe nicht rechtswidrig waren. Univ.Prof. Dr. Peter Doralt fasste seine Kritik dieser Abläufe in einem Interview in der Zeitung Die Presse so zusammen: “Die eigentliche Frage ist, ob ein AR-Beschluss, der auf diese Weise zustande gekommen ist, überhaupt gültig ist.“

Die Telekom Austria ist für Österreich ein für die künftige Entwicklung entscheiden­des Infrastrukturunternehmen. Die ÖIAG führt in diesem Zusammenhang völlig zutreffend aus (Zitat von http://www.oiag.at/beteiligungen/telekom-austria/ ): „Eine hochleistungsfähige und sichere Kommunikationsinfrastruktur bildet das Rückgrat einer modernen Informations- und Wissensgesellschaft. Sie erleichtert den Zugang zu Wissen und verbindet Menschen über alle Alters- und Landesgrenzen hinweg. Durch ihre zukunftsweisende, flächendeckende Infrastruktur hat die Telekom Austria eine unverzichtbare Bedeutung sowohl für den Wirtschaftsstandort Österreich, als auch für die österreichische Bevölkerung.“

Im krassen Widerspruch dazu steht die Dividendenpolitik, die der Telekom von der ÖIAG aufgezwungen wurde und diese in ihrer Entwicklung behindert. Noch schärfer wird der Gegensatz von Anspruch und Wirklichkeit, wenn man den neuen Groß­aktionär der Telekom ansieht, dem sich die ÖIAG mit dem Syndikatsvertrag unterworfen hat. Carlos Slim wurde nicht deswegen zum reichsten Mann der Welt, weil er innovative Produkte herstellt, sondern weil er ein faktischen Monopol für Telekommunikationsleistungen in Mexiko errichtet hat und seine Produkte zu weit überhöhten Preisen vertreibt. Die OECD hat diese Machenschaften in einem überaus kritischen Bericht (OECD Review of Telecommunication Policy and Regulation in Mexico) beschrieben: „The  lack  of  telecommunication  competition  in  Mexico  has  led  to  inefficient telecommunications markets that impose significant costs on the Mexican economy and burden the welfare of its population. The sector is characterised by high prices, among the highest  within  OECD  countries,  and  a  lack  of  competition,  resulting  in  poor  market penetration rates and low infrastructure development. As highlighted above, the resulting loss of benefit to the economy is estimated at USD 129.2 billion (2005-2009) or 1.8% GDP  per  annum.“

Herr Slim hat die mexikanische Wirtschaft also im Ausmaß von 129 Mrd. USD innerhalb von fünf Jahren geschädigt. Ohne das Wirken des Herrn Slim wäre das BIP dieses Landes  fast 2% höher. Dieser Wohlstandsverlust geht – wie die OECD feststellt - vorwiegend zu Lasten der Unter- und Mittelschicht.

Für Carlos Slim ist der Einstieg bei der Telekom Austria wahrscheinlich ein strategisches Investment. Er versucht nicht zuletzt deshalb in Europa Fuß zu fassen, weil in Mexiko die politischen Bestrebungen zunehmen, sein Monopol zu zerschlagen. Aus Sicht der Telekom kann man ihn aber schwerlich als strategischen Investor bezeichnen. Weder bringt er erweiterte Marktchancen ein noch innovative Technologien.

Die Übernahme der Telekom Austria durch America Movil ist Konsequenz und Schlusspunkt einer langen Kette politischer Fehlentwicklungen und persönlicher Verfehlungen. Statt der Telekom klar definierte volkswirtschaftliche Aufgaben zu übertragen, wurde sie zum Spielball einer irrwitzigen Deregulierung und „Entpolitisierung“. Die Höhepunkte dieser Entwicklung waren eine fragwürdige Expansionspolitik, die vor allem Dritte reich machte, sowie der Missbrauch des Konzerns durch politische Parteien und das Management als persönlicher Bankomat. Der Eigentümervertreter ÖIAG sah diesem Treiben tatenlos zu und verfolgte offenbar seine eigene Agenda, die werde demokratisch legitimiert noch im Interesse der österreichischen Bürger war. In Summe wurden die Reputation und die wirtschaftliche Grundlage eines wichtigen Staatsbetriebs zerstört. Die Telekom wurde so zum billigen Übernahmekandidaten.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wurde der Einstieg von Carlos Slim bei der Telekom Austria zwischen ÖIAG und BMF abgesprochen?

2)    Gab es Konsultationen zwischen ÖIAG und BMF bezüglich des Syndikatsvertrags, oder hat die ÖIAG in dieser Angelegenheit eigenständig entschieden?

3)    Wie viele Kapitalvertreter haben in der ÖIAG Aufsichtsratssitzung am 23.4.2014 für den Syndikatsvertrag gestimmt, wie viele dagegen und wie viele haben sich der Stimme enthalten oder waren abwesend?

4)    Was haben Sie unternommen um sich zu vergewissern, dass der ÖIAG Aufsichtsratsbeschluss rechtskräftig zustande gekommen ist?

5)    Wann wurden die von der ÖIAG entsandten Aufsichtsräte der Telekom erstmals über den Syndikatsvertrag und dessen Inhalt informiert?

6)    Wann lag dieser Gruppe des Aufsichtsrats der Syndikatsvertrag im Wortlaut und vollem Umfang inklusive aller Beilagen, Side-Letters und sonstigen relevanten Dokumente vor?

7)    Wann erhielt die Gruppe der Arbeitsnehmervertreter im Aufsichtsrat den Syndikatsvertrag im Wortlaut und vollem Umfang inklusive aller Beilagen, Side-Letters und sonstigen relevanten Dokumente vorgelegt?

8)    Wenn die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat nicht in der gleichen Weise über den Syndikatsvertrag in Kenntnis gesetzt wurden, wie die Vertreter der ÖIAG, stellte das einen Verstoß gegen das Aktiengesetz dar? Und wenn nicht, warum nicht?

9)    Welche Schritte haben Sie unternommen um sicherzustellen, dass Österreich kein mexikanisches Schicksal blüht, insbesondere, dass Wettbewerb und Preisniveau bei Telekommunikationsleistungen erhalten bleiben?

10) Die OECD fordert, dass bei staatsnahen Betrieben alle Aktionäre gleich behandelt werden müssen. Der Umstand, dass ein Syndikatsvertrag abgeschlossen wurde, nährt den Verdacht, dass dem nicht so ist. Wie ist sichergestellt, dass auch andere Aktionärsgruppen sowie Kleinaktionäre nicht benachteiligt sind?

11) Wie ist im Syndikatsvertrag sichergestellt, dass sich beide Parteien auf Augenhöhe begegnen, bzw. wie können die Eigentümervertreter der Republik unerwünschte Entwicklungen blockieren?

12) Wie sind die Stimmrechte der Telekomaktionäre verteilt?

13) In welchen Fällen können die Kapitalvertreter der Republik gegen die Vertreter von America Movil stimmen?

14) Welche Ziele und Aufgaben haben die von der ÖIAG entsandten Aufsichtsräte  in der Telekom wahrzunehmen?

15) Eines der Ziele der österreichischen Bundesregierung ist der Breitbandausbau in Österreich. Ist das zum Beispiel eine der Aufgaben, für die sich die Vertreter der Republik im Aufsichtsrat einzusetzen haben?

16) Hat die ÖIAG die Genehmigung und alle rechtlichen Voraussetzungen dafür, bei kommenden Kapitalerhöhungen der Telekom mitzugehen respektive sie zu verhindern?

17) Wie wird die ÖIAG diese Kapitalerhöhungen finanzieren?

18) Wie hoch ist der Steuerausfall für die Republik, nachdem Slims Holdinggesellschaft Carso Telecom B.V. aus steuerlichen Gründen in den Niederlanden registriert ist?

19) Was sagen sie zum Umstand, dass die EU versucht, aggressive Steuervermeidungspraktiken zu unterbinden, aber Österreich selbst im ureigendsten Bereich eines staatsnahen Unternehmens nichts gegen solche Praktiken unternimmt?