1824/J XXV. GP

Eingelangt am 25.06.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Petra Bayr, Genossinnen und Genossen

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Umsetzung sozial fairer IT-Beschaffung in Österreich.

Computer, Mobiltelefone und andere IT-Produkte sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Allein in Österreich werden jährlich ca. 3 Mio. Mobiltelefone verkauft. Die hohe Produktionsmenge schafft zwar Arbeitsplätze in Niedriglohnländern, führt aber auch zu sozialen und ökologischen Problemen. Stehen IT-Produkte für uns symbolisch für Arbeitserleichterung, Vernetzung und Effizienz, so bedeuten sie für viele Menschen in Billiglohnländern unsichere, ausbeuterische und gefährliche Arbeitsbedingungen. Es sind vor allem Frauen in Südostasien und China, die zu unakzeptablen Bedingungen in der Computerproduktion arbeiten. Löhne unterhalb des Existenzminimums, erzwungene Überstunden und Erkrankungen durch das ungeschützte Hantieren mit toxischen Stoffen sowie die hohe Arbeitsbelastung sind Teil ihres Alltags. Auch beim Abbau von Rohstoffen wie Koltan, Kobalt oder Zinn leiden Mensch und Umwelt und nicht selten landen am Ende der Wertschöpfungskette die Altgeräte wieder als Elektroschrott in Ländern des Südens.

Anders als bei Bekleidung, Kaffee oder Schokolade gibt es im IT-Bereich keine echte Kaufalternative, die dem einzelnen Konsumenten bzw. der einzelnen Konsumentin zur Verfügung steht. Alle Markenhersteller kaufen über wenige zentrale Kontraktfertiger ein, die die Arbeitsrechte in der eigenen sowie in der Produktion ihrer Sublieferanten missachten. Bislang ist daher noch kein faires IT-Produkt auf dem Markt. Sogar die beiden aus NGO-Kreisen stammenden Produkt-Initiativen, die sich auf den Weg zur sozial verantwortlich produzierten Computermaus (Nager IT) bzw. Smartphone (Fairphone) gemacht haben, zeigen - erfreulich transparent - die Schwierigkeiten, entlang der gesamten Lieferkette soziale Rechte von Zulieferern und Sublieferanten einzufordern und zu kontrollieren.

Einkaufsmacht öffentlicher Beschaffungsstellen

Wenn öffentliche Einrichtungen Computer und andere IT-Produkte kaufen, definieren sie sehr genau, welche technischen Kriterien das Produkt erfüllen muss. In ähnlicher Weise kann auch die Einhaltung ökologischer Kriterien und internationaler Arbeitsstandards verlangt werden. Die aktive Nachfrage der öffentlichen Hand ist ein Auftrag an die Hersteller, bessere Produkte zu liefern. So kann die Einkaufsmacht von öffentlichen Institutionen eingesetzt werden, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen, die in der Computerproduktion tätig sind, zu verbessern. Dadurch nimmt die öffentliche Hand nicht nur ihre Verantwortung in einer zunehmend vernetzten Welt wahr und erfüllt auch eine Vorbildfunktion, sondern erfährt selbst auch einen Imagegewinn.

Eine vielversprechende neue Initiative ist die unabhängige Monitoring-Organisation Electronics Watch: www.electronicswatch.org/de. Mithilfe sozial verantwortlicher öffentlicher Beschaffung in Europa will man hier die Einhaltung der Arbeitnehmerlnnenrechte in der globalen Elektronikbranche erreichen.

 

Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften aus dem globalen Süden sowie europäische öffentliche BeschafferInnen und ExpertInnen haben in der Führung der neuen Organisation gleiches Mitspracherecht.

Gegen Zahlung einer Gebühr sollen die beteiligten öffentlichen Einrichtungen und Institutionen mit aktuellen Informationen über ihre Lieferanten versorgt, die Arbeitsbedingungen vor Ort überprüft und Verfahren bereitgestellt werden, um auf das Nichteinhalten von Standards zu reagieren.

Dies wird durch Kontakte und Kontrolleure vor Ort in Kombination mit einem Whistleblower-System ermöglicht. Die Finanzierung durch Beschaffungsbehörden statt durch die zu kontrollierenden Unternehmen gewährleistet die unerlässliche Unabhängigkeit von den IT-Unternehmen.

 

Rechtlicher Kontext EU

Die EU-Richtlinien über das öffentliche Beschaffungswesen (2014/24/EU und 2014/25/EU) wurden am 11. Februar 2014 verabschiedet. Sie bestätigen öffentliche BeschafferInnen in ihrem Wunsch nach sozial fairen Produktionsbedingungen. Bis spätestens April 2016 müssen die Mitgliedstaaten die neuen Regeln in nationales Recht umsetzen.[1]

Rechtlicher Kontext Ö

In Österreich regelt der Aktionsplan zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung

dementsprechende Details. Dieser besagt u.a.:

"Öffentliche Auftraggeber haben mit einem Anteil von etwa 17 % des BIP vieles in der Hand. (...) Sie können menschenwürdige Arbeitsbedingungen, insbesondere in Entwicklungs- und Schwellenländern, unterstützen." Und weiters: "Die nachhaltige öffentliche Beschaffung ist im besten Falle mit Verbesserungen in allen drei Dimensionen (Umwelt, Soziales und Ökonomie) verbunden."

Die Unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft folgende

Anfrage:

1.       Wie hoch waren die Ausgaben Ihres Ressorts für IT-Produkte in den vergangenen fünf Jahren? Bitte um genau Auflistung der angeschafften Produkte und Summen.

2.       Wie hoch waren die bundesweiten Ausgaben für IT-Produkte, die in den vergangenen fünf Jahren über die Bundesbeschaffung Gesellschaft angeschafft wurden? Bitte um genau Auflistung der angeschafften Produkte, der Bezugsquellen, Summen und Ministerien bzw. Organisationseinheiten, für dessen Benutzung die Produkte vorgesehen waren.

3.       Laut dem „Österreichischer Aktionsplan zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung“ gehört "Österreich [...] derzeit bei der ökologischen öffentlichen Beschaffung zu den sieben Besten in der EU 16. Diese Position soll gesichert und auch bei der sozial verantwortlichen und innovativen Beschaffung erzielt werden." Welche Maßnahmen setzt Ihr Ressort um sozial faire Beschaffung von IT-Produkten zu erreichen?

4.       Die Neufassung der EU-Richtlinien über das öffentliche Beschaffungswesen (2014/24/EU und 2014/25/EU) enthält eine „horizontale Sozialklausel“, sowie weitere Möglichkeiten, soziale Aspekte in die Auftragsvergabe zu inkludieren. Welche Schritte plant Ihr Ressort zur Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht?

5.       Welche Instrumente gibt es auf Bundesebene, um eine sozial faire Beschaffung weiter zu entwickeln und welche öffentlichen Aktuerlnnen sowie VertreterInnen von NGOs und der Privatwirtschafts sind darin vertreten?



[1] http://ec.euroDa.eu/internal market/publicprocurement/docs/modernising rules/reform/fact-sheets/fact-sheet-08-social de.pdf