1983/J XXV. GP

Eingelangt am 09.07.2014
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Karlsböck

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Gesundheit

 

betreffend Unzulänglichkeiten im Gesetz zur Implementierung des elektronischen Gesundheitsakts (ELGA)

 

 

Die Einführung des elektronischen Gesundheitsaktes wurde seit Anbeginn von Skepsis begleitet. So startete etwa der österreichische Hausärzteverband eine Initiative, um auf den möglichen Missbrauch sensibler Patientendaten hinzuweisen. Die jüngst publik gewordenen Datenskandale (Stichwort: bifie und Zentralmatura) scheinen diese Bedenken zu bestätigen.

 

Obwohl die Entwicklung des ELGA einen gigantischen
dreistelligen Millionenbetrag verschlungen hat, erweist sich das System
als völlig unausgereift. Der enorme Kostenaufwand rechtfertigt keinesfalls die vorgeblichen Ziele, Synergieeffekte zu nutzen und die Patientenbetreuung zu verbessern. Die Implementierung von ELGA bedeutet insbesondere für die freiberuflichen „ELGA Gesundheitsdienstanbieter“ eine zusätzliche organisatorische Belastung und einen enormen Kostenaufwand durch die Anschaffung der Geräte und die Einschulung von Personal – Aufwendungen, die ihnen nicht vergütet werden. Die minimalen Verbesserungen in der Behandlungsqualität stehen somit in keinem Verhältnis zum finanziellen und technischen Aufwand.

 

Die Opting-Out-Regelung, wonach Patienten
solange automatisch im System verbleiben, bis sie sich aktiv abmelden, ist unzumutbar – zumal für ältere Versicherte, denen die Abmeldeformalitäten zu kompliziert sind. Ein einfaches Schreiben an die Versicherung
sollte genügen, um sich abzumelden. Es scheint, als habe man bewusst Hürden
eingebaut, weil man um die Unzulänglichkeiten von ELGA von Anfang an Bescheid wusste.

 

Die jüngst erfolgte Aufhebung der Datenvorratsspeicherung durch den Verfassungsgerichtshof lässt auch die Speicherung von und den Zugriff auf sensible Gesundheitsdaten in einem neuen Licht erscheinen. Zumal die in § 20 ELGA-G normierte Pflicht, alle Gesundheitsdaten zwingend und ohne Zustimmung der Patienten zu speichern und zur Einsicht durch andere Gesundheitsanbieter freizugeben, das Selbstbestimmungsrecht der Bürger über ihre besonders schützenswerten Gesundheitsdaten aufweicht. Namhafte Juristen sehen hier einen Widerspruch zum Grundrecht auf Datenschutz nach Art 8 EMRK.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Gesundheit folgende

 

Anfrage

 

1.    Wie stehen Sie zu den oben genannten datenschutzrechtlichen Bedenken bzw. was werden Sie unternehmen, um sie zu zerstreuen?

 

2.    Wie sehen Sie die Verfassungskonformität des ELGA-Gesetzes im Lichte des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27.06.2014, mit dem die gesetzlichen Bestimmungen über die Vorratsdatenspeicherung aufgehoben wurden, und zwar mit dem Hinweis auf „die Gefahren für die Freiheit und die Unverhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz“?

 

3.    Gemäß § 8 ELGA-G sind zur Erfüllung der darin aufgeführten Verpflichtungen seitens des Gesundheitsdienstanbieters Anschaffungen in Hard- und Software vorzunehmen, die mit erheblichem finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden sind und von offizieller Seite nicht vergolten werden?

Haben Sie vor, diese Aufwendungen künftig zu refundieren?

Wenn ja, ab wann und in welcher Höhe?

Wenn nein, warum nicht?

 

4.    Gemäß § 6 ELGA-G ist die Vertraulichkeit der elektronischen Weitergabe von Gesundheitsdaten sicherzustellen. Die dafür erforderlichen technischen Maßnahmen treffen den Gesundheitsdienstanbieter zusätzlich schwer.

Haben Sie vor, hier eine finanzielle Abgeltung einzuführen?

Wenn ja, ab wann und in welcher Höhe?

Wenn nein, warum nicht?

 

5.    Der organisatorische Aufwand durch ELGA bedeutet für ärztliche Praxen eine weiteren finanziellen Belastung in Form von Einschulungen oder Ordinationsumschulungen etc.

Haben Sie vor, diese finanziellen Belastungen zu auszugleichen?

Wenn ja, ab wann und in welcher Höhe?

Wenn nein, warum nicht?

 

6.    Das gemäß §13 Abs 2 ELGA-G normierte Recht, die ELGA-Gesundheitsdaten zu ermitteln, bedeutet in Wahrheit eine Verpflichtung und ist daher laut namhaften Juristen ein Eingriff in die Rechtsstellung als Arzt und Eigentümer der Ordination sowie eine Einschränkung der vertragsrechtlichen Autonomie.

Wollen Sie die Freiberuflichkeit der davon betroffenen niedergelassenen Ärzte in Frage stellen?

Wenn nein, werden Sie angesichts der vermehrten Kritik die inkriminierte Bestimmung lockern oder abschaffen?

 

7.    Durch die vorgeschriebene Einsichtnahme in die ELGA-Gesundheitsdaten kommt es zu einer Verlängerung der Behandlungsdauer pro Patient, und damit zu einer kumulierten Verlängerung der Wartezeiten in den Ordinationen?

Werden Sie diesem Manko entgegenwirken?

Wenn ja, ab wann und durch welche Maßnahmen?

Wenn nein, warum nicht?

 

8.    Im ELGA-System ist bis jetzt technisch keine Suchfunktion oder Schnelldurchsicht der Daten vorgesehen, was zu einer weiteren Verzögerung führt, die zu Lasten des Patientengesprächs geht und in der Regel häufiger ältere Patienten trifft.

Werden Sie dieses Manko korrigieren?

Wenn ja, ab wann und in welcher Form?

Wenn nein, warum nicht?

 

9.    Die Reduktion der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ordination stellt nach Meinung von Experten einen verfassungswidrigen Eingriff in die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit, insbesondere in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und die Erwerbsausübungsfreiheit dar.

Neigen Sie dieser Rechtsmeinung zu?

Wenn ja, wie werden Sie gegensteuern?

Wenn nein, warum nicht?

 

10. Aus der Judikatur geht hervor, dass schon der Zwang zur Speicherung der Gesundheitsdaten einen Eingriff in das Geheimhaltungsrecht nach §1 Datenschutzgesetz bedeutet.

Wie stehen Sie zu dieser Rechtsmeinung?

 

11. Im medizinischen Ernstfall, wenn die Aufmerksamkeit der Ärzte notwendigerweise auf die Behandlung des Patienten zu richten ist, kommt es durch die gesetzlich vorgeschriebene Einsichtnahme in ELGA ohne wesentlichen Informationsgewinn zu einer mitunter lebensbedrohenden Verzögerung der Akutbehandlung?

Werden Sie für diesem Spezialfall für eine Sonderbestimmung erlassen?

Wenn ja, ab wann?

Wenn nein, warum nicht?

 

12. Die Vermeidung der vielfach kritisierten Mehrfachbefunde kann nur durch die Verbesserung der Kommunikation zwischen den Ärzten vermieden oder reduziert werden, nicht aber durch ein so komplexes und unausgereiftes Datensammlungssystem wie ELGA.

Haben Sie diesbezüglich nach einer Lösung im Dialog mit der Ärzteschaft gesucht?

Wenn ja, mit welchem Erfolg bzw. werden Sie dieses Versäumnis nachholen?

Wenn nein, warum nicht?

 

13. Für ELGA-Gesundheitsdienstanbieter bedeutet die neue Verantwortung für die Datensicherheit eine noch nicht absehbare und kaum zu bewältigende Gewährleistungspflicht.

Werden Sie das Gespräch mit den Betroffenen suchen, um dieser rechtlichen Ungewissheit entgegenzuwirken?

Wenn ja, wann und auf welche Weise?

Wenn nein, warum nicht?

 

14. Ein ELGA vergleichbares Datensammlungssystem gibt es derzeit weltweit nicht. Andere Länder, die ein derartiges System aufbauen wollten, scheiterten an den exorbitanten Kosten, die in keinerlei Verhältnis zum erwartbaren Nutzen stehen, sowie an verfassungsrechtlichen Problemen (Dänemark, Großbritannien).

Sind Sie sich der fragwürdigen Vorreiterrolle Österreichs bewusst?

Wenn ja, was hat Sie bewogen, mit ELGA als gesundheitspolitischer „Musterschüler“ Europas vorzupreschen?

 

15. Werden Sie angesichts der zunehmenden Kritik am bürokratischen Aufwand des Opting-out für eine technische Vereinfachung der Austrittsmöglichkeit sorgen?

Wenn ja, ab wann und wie soll die Vereinfachung aussehen?

Wenn nein, warum nicht?