1985/J XXV. GP

Eingelangt am 09.07.2014
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Mag. Roman Haider

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Budget als Farce

 

 

„Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hat sich nicht sehr viele neue Freunde gemacht, als er heuer im Februar meinte, sein Parteifreund Michael Spindelegger sei ein „Gefangener seiner Beamten" und „zu jung im Finanzministerium, dass er dieses Spiel durchschaut". Je länger der Finanzminister allerdings in seinem Ministerium werkt, desto mehr ist man geneigt, seinem Kritiker Recht zu geben.

Wenn Spindelegger jetzt öffentlich ankündigt, sich mit seinen Ministerkollegen zu „Budgetcontrollings" zusammenzusetzen, um auf die Rücknahme der Prognose durch Wifo und IHS zu regieren, dann spricht das eher dafür, dass der Finanzminister auf Hiobsbotschaften seiner Beamten reagiert - oder ein ganz übles taktisches Spielchen spielt.

Wie ein souveräner Politiker agiert er jedenfalls nicht - und gerade den würden wir im Finanzministerium brauchen. Einen Fachmann mit dem Blick fürs Wesentliche. Mit einem eisernen Hintern in Verhandlungen, in denen es darum geht, ihm Geld herauszureißen. Aber mit der nötigen Flexibilität, um auf geänderte Voraussetzungen zu reagieren.

„Die Konjunkturlage hat sich eingetrübt, das bedeutet, dass wir mit weniger Steuereinnahmen und mehr Ausgaben rechnen müssen. Wir müssen jetzt gegensteuern", kündigte Spindelegger ausgerechnet über das bekannte wirtschaftspolitische Fachblatt „Österreich" an. Das erinnert uns zum einen fatal an den Brief nach Brüssel, in dem er nur Tage nach seiner Budgetrede weitere Nachbesserungen ankündigte - jetzt, gerade einmal zwei Monate nach der Budgetrede soll also schon wieder nachgebessert werden.

Zu anderen lässt es uns einen Blick ins Lehrbuch (oder auch in zahlreiche Empfehlungen des IWF oder anderer wirtschaftspolitischer Organisationen) werfen, wo stets empfohlen wird, Budgetpolitik antizyklisch zu betreiben: Das beste Mittel gegen Konjunkturschwächen ist, die „automatischen Stabilisatoren" wirken zu lassen. Also zuzulassen, dass geringere Steuereinnahmen und höherer Sozialausgaben das Defizit ein wenig ausweiten, das belebt die Wirtschaft. Alles andere - Erhöhung der Einnahmen oder Kürzung der Ausgaben - würde nämlich den Konjunkturrückgang vertiefen. Und das hat - mit Ausnahme von Karlheinz Grasser, der 2002 am Tiefpunkt einer Rezession nochmals die Ausgaben der Ministerien zusammenstrich, um das versprochene Nulldefizit doch noch zu erreichen - bisher noch jeder Finanzminister der Zweiten Republik begriffen.


Wenn Spindelegger diese Ankündigung also ernst meint, dann ist er offenbar einen Pfennigfuchser in seinem Ministerium aufgesessen, der angesichts einer etwas schwächeren Konjunktur das gesamte Zahlenwerk des Budgets unter die Räder kommen sieht. Und selbst diese Sorge ist weit übertrieben: Die Prognose-Rücknahme um 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte bedeutet eine Verringerung der österreichischen Wirtschaftsleistung um gut eine halbe bis knapp eine ganze Milliarde, wovon nicht einmal die Hälfte budgetwirksam wird. Im schlimmsten Fall würde also das Defizit statt der veranschlagten 2,7 Prozent des BIP dann 2,8 oder 2,9 Prozent ausmachen - bei rechtzeitigem Gegensteuern, mit dem die Konjunktur noch weiter abgebremst wird, vielleicht auch 3,0.

Im Übrigen haben die Wirtschaftsforscher ihre Prognosen vor allem deswegen zurückgenommen, weil das erste Quartal so viel schlechter verlaufen ist als erwartet. Im Rest des Jahres sollte die Entwicklung so weitergehen wie noch im März vorhergesagt. Die Einnahmen und Ausgaben des ersten Quartals sind aber bereits im Kasten - und sie liegen im Vergleich zum Budget eher besser als schlechter.

Daher keimt der Verdacht, dass die Ankündigung des Ministers, mit seinen Kollegen über Nachbesserungen zu verhandeln, gar nicht ernst gemeint ist, sondern bloß eine taktische Finte: Dadurch könnte er, so vielleicht seine Überlegung, die Debatte über eine vorgezogene Steuerentlastung konterkarieren. Wer kann nach Steuersenkungen rufen, wenn es im Staatshaushalt so schlecht aussieht, dass der Finanzminister über Kürzungen der im eigenen Budget garantierten Ausgaben verhandeln muss?

Falls Spindelegger das wirklich glaubt, dann unterliegt er einem Irrtum. Denn die schwache wirtschaftliche Performance (während es rundum - in Deutschland, Tschechien, Ungarn etc. längst wieder bergauf geht) wird gerade durch die hohe Steuerbelastung verursacht: Weil die Unternehmen zwar Jahr für Jahr höhere Löhne zahlen müssen, bei den Konsumenten aber nicht mehr Kaufkraft ankommt, da sie durch die kalte Progression weggesteuert wird, fehlt es an Nachfrage - und das drückt aufs Wachstum. Und das sorgt dafür, dass die Debatte über Steuersenkungen neuerlich angefacht wird - die Wirtschaftsforscher haben ja zugleich mit ihrer Prognose auch ihre Wünsche nach einer massiven Steuerentlastung deponiert.

Bis jetzt haben wir von Herrn Spindelegger allerdings nur das grundsätzliche Bekenntnis gehört, dass und wo gespart werden muss - aber noch kein Sterbenswörtchen darüber, mit welchen Maßnahmen wo wieviel eingespart werden soll. Geschweige denn, dass wir von Verhandlungen gehört hätten, um diese Einsparungen gegen den Widerstand der Länder, des Koalitionspartners und der betroffenen Gruppen auch durchzusetzen.

Da tut sich für einen Finanzminister, der seinen Job ernst nimmt, ein breites Betätigungsfeld auf. Und eine Beschäftigung, die sich weit mehr lohnt als Gespräche, mit denen man einzelnen Ministern noch ein paar Millionen aus ihren Budgets herausreißen will. Nicht reden, Herr Finanzminister. Arbeiten.“, so das Wirtschaftsblatt vom 02.07.2014:

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen nachfolgende

 

Anfrage

 

1.     Welche Einsparungen und Reformen wurden seit Ihrer Zeit als Finanzminister im Wirtschafts-, Wissenschaftsressort und im Außenministerium vollzogen?

2.     Welche weiteren Einsparungen planen sie explizit im Sozialbereich?


3.     Welche Bedeutung kann einem Budget beigemessen werden, das bereits zwei Monate nach seinem Inkrafttreten grundsaniert werden muss?

4.     Welche Bestandskraft darf daher den Reformen beigemessen werden?

5.     Welche Bedeutung hat das parlamentarische Prozedere in Anbetracht eines derartigen Hintergrundes?

6.     Wann darf mit der Revision Ihrer letzten Revision gerechnet werden?

7.     Konnten bzw. mussten Sie mit der schlechte Konjunkturlage nicht bereits seit längerem rechnen?

8.     Wenn ja, warum haben Sie dann nicht zeitgerecht darauf reagiert? Wenn nein, warum wussten Sie nichts davon?

9.     Erachten Sie es als zielführend, die ohnehin schon schwache Konjunktur durch noch mehr Einsparungsmaßnahmen weiter zu geißeln?

10.  Wenn ja, soll auch die Kaufkraft der österreichischen Arbeitnehmer durch die kalte Progression weiter wegbesteuert werden?

11.  Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

12.  Warum lassen sich sowohl ein Aufwandstrend als auch eine Verbesserung der Lage in den Nachbarstaaten vernehmen, während die heimische Lage weiter besorgniserregend bleibt?

13.  Wie würden Sie die Behauptung,“ Gefangener Ihrer eigenen Beamten“ zu sein entkräften?