2144/J XXV. GP

Eingelangt am 10.07.2014
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ANFRAGE

 

des Abgeordneten Dr. Karlsböck

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Gesundheitsgefährdung durch giftige Kabinenluft in Flugzeugen

 

 

Am 07.06.2014 berichtete das ARD-Fernsehmagazin Die Story im Ersten unter dem Titel „Nervengift im Flugzeug – Was die Luftfahrtindustrie verschweigt“ über giftige Dämpfe in der Kabinenluft von Flugzeugen. Das Problem ist brisant, aber nicht neu. Schon am 22.05.2014 hatte das WDR-Konkurrenzmagazin Monitor die schleichende Gefahr thematisiert, die von giftiger Kabinenluft in Flugzeugen ausgeht: „Wenn Sie häufiger im Flugzeug unterwegs sind, dann kennen Sie das vielleicht. Ein eigenartiger Geruch, der Ihnen durch die Belüftungsanlage mitten ins Gesicht weht. Gut möglich, dass es sich dabei um giftige Öldämpfe handeln kann, die allerdings alles andere als ungefährlich sind.“ Mit diesen Worten leitete Moderator Georg Restle den Beitrag ein, in dem auch von Beschwichtigungsversuchen der Verantwortlichen berichtet wurde: „Als wir bei Monitor vor drei Jahren zum ersten Mal darüber berichteten, warfen uns Airlines und Flugzeughersteller schlicht Panikmache vor. Und das, obwohl Piloten, Flugbegleiter und Passagiere immer wieder über Übelkeit und Kopfschmerzen klagten, manchmal sogar komplette Crews in Krankenhäuser eingeliefert wurden.“

Seit Jahren berichten Flugzeugbesatzungen und Passagiere immer wieder von Vorfällen, bei denen es zu Verunreinigungen von Kabine und Cockpit gekommen ist. Zumeist handelt es sich um Dämpfe aus erhitztem Triebwerksöl, die in das Zapfluftsystem für die Frischluftversorgung des Flugzeuges eingedrungen sind. Wenn diese Dämpfe aus den Turbinen in die Belüftung gelangen und von allen an Bord ungefiltert eingeatmet werden, spricht man von einem Fume Event. Unter den vielen gefährlichen Chemikalien im Turbinenöl sind besonders die so genannten Organo-Phosphate zu nennen, die Vielfliegern und Flugpersonal zusetzen.

Obwohl damit offensichtlich Sicherheitsrisiken für Gesundheit und das Leben von Besatzungen und Passagieren verbunden sind, liegen bis heute keine Daten vor, die offiziell bestätigen, dass Zapfluft-Kontamination die Gesundheit von Besatzungen und Passagieren beeinträchtigt. Dennoch warnen Experten vor der Gesundheitsgefährdung, die von defekten Dichtungen ausgeht, etwa durch schädliche Stoffe wie das Nervengift Trikresylphosphat (TKP), das mit der Zapfluft in Cockpit und Passagierkabine gelangt. Der ehemalige Leiter der Kabinenluftabteilung von Boeing spricht in einem brisanten internen E-Mail aus dem Jahr 2007 an die Redaktion von Monitor von „Ölrückständen in der Lüftung“, ja sogar von „blauem Rauch“ und „eingeschränkter Sicht“ in der Kabine, kritisiert die Untätigkeit der Aufsichtsbehörden und schließt mit dem Satz: „Ich denke, es muss erst einen Grabstein geben, bevor sich jemand mit Nachdruck hierfür interes-


siert.“ Und obwohl renommierte Wissenschafter, wie Mohammed B. Abou Donia von der Duke Universität, USA, nachgewiesen haben, dass giftige Kabinenluft das Nervensystem schwer schädigt, erkennt die deutsche Berufsgenossenschaft Öldämpfe an Bord bisher nicht als Krankheitsursache an.

Auch im Deutschen Bundestag beschäftigten sich Tourismus- und Verkehrspolitiker mit den Ursachen und offensichtlichen Risiken kontaminierter Kabinenluft aus dem Zapf-  luftsystem der Triebwerke von Passagiermaschinen. Beim Landeanflug auf den Flughafen Köln/Bonn mit einem Airbus A319 von Germanwings (Flug 753 vom 19.12.2010) wurde nur durch das beherzte Reagieren des Kapitäns eine Katastrophe verhindert. Auch hier spielten Belastungen der Kabinenluft eine negative Rolle. Die Lufthansa hat mittlerweile eingestanden, dass 2012 mehrere Triebwerke an den Flaggschiffen Airbus A380 gewechselt wurden, bis zu sechs Mal pro Woche, weil Geruchsprobleme in der Kabine auftraten. Und der Turbinenhersteller Rolls Royce hat auf Lufthansa-Initiative für das Triebwerk eine Modifikation entwickelt, die bereits mehrfach verbaut wurde.

Der deutsche Bundesministeri für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Dr. Peter Ramsauer, warnt laut Spiegel online vom 14.10.2012 vor einer Zunahme von Zwischenfäl-  len, bei denen giftige Öldämpfe in die Kabinenluft von Passagierflugzeugen gelangen.   In Deutschland sei die Anzahl der eingehenden Störungsmeldungen zum Thema        Ölgeruch stetig gestiegen.

Monitor befragte die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) und das deutsche Luftfahrtbundesamt, wie viele Fume Events es auf dem Flaggschiff der Lufthansa, dem Airbus A380, in den Jahren 2012 und 2013 gegeben habe, und erfuhr von 29 Fällen. Diesen stehen allerdings 120 Vorfälle gegenüber, die in den internen Datenbanken der Lufthansa dokumentiert sind. Das bedeutet, dass von der Lufthansa offiziell nur ein   Viertel der Vorfälle den Behörden gemeldet wurde. Sascha Baublies, Vorsitzender der deutschen Flugbegleitergewerkschaft UFO, bestätigte auf Anfrage 125 Vorfälle, wobei   65 dieser Fälle tatsächlich zu Symptomen bei betroffenen Kollegen geführt hätten.

Was für Deutschland gilt, gilt im kleineren Maßstab wohl auch für Österreich. Die Problematik darf jedenfalls nicht mehr ausgeblendet werden. Die giftigen Dämpfe in der Ka-  binenluft stellen eine inakzeptable Gesundheitsgefährdung dar, der wirksam begegnet werden muss.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Verkehr, In-  novation und Technologie folgende

 

Anfrage

 

1.    Sind Ihnen Fälle von Fume Events, wie sie oben beschrieben werden, auch aus Österreich oder von Flügen mit österreichische Flugzeugen bekannt?

2.    Wenn ja, haben Sie Untersuchungen wegen Gefährdung der Flugsicherheit und der Gesundheit von Crew und Passagieren eingeleitet?

3.    Sind Fälle von Fume Events in Österreich meldepflichtig?

4.    Wenn ja, welche Institution/Behörde trifft die Melde- bzw. Berichterstattungspflicht?

5.    Wenn nein, werden Sie sich für eine Meldepflicht einsetzen?

6.    Liegen der Austro Control, die als österreichische Luftfahrtbehörde für einen sicheren und wirtschaftlichen Flugverkehr im österreichischen Luftraum verantwortlich ist, Berichte über Vorfälle infolge kontaminierter Kabinenluft vor?

7.    Wenn ja, wurde das BMVIT über diese Vorfälle informiert?

8.    Hat das BMVIT in solchen Fällen entsprechende Maßnahmen zur Untersuchung der Ursachen getroffen?

9.    Wenn ja, welche, wann und mit welchem Ergebnis?

10. Wenn nein, warum nicht?


11. Hat das BMVIT die in Deutschland bekannt gewordenen Fume Events zum Anlass genommen, die Problematik auch in Österreich zum Gegenstand näherer Untersuchungen zu machen?

12. Wenn ja, von welchen, wann und mit welchem Erfolg?

13. Wenn nein, warum nicht?

14. Sind Ihnen Messverfahren bekannt, mit denen gesundheitsschädliche Bestandteile im Zugluftsystem zur Versorgung von Kabine und Cockpit mit Frischluft festgestellt werden können?

15. Wenn ja, werden sie auch eingesetzt?

16. Werden österreichische Flugzeuge bzw. Flugzeuge, die unter österreichischer Flagge betrieben werden, regelmäßig auf die Gefahr von Kontaminierung des Zapfluftsystems überprüft?

17. Wenn ja, wie oft und mit welchen Konsequenzen?

18. Wenn nein, warum nicht?

19. Gibt es Zahlen über die Häufigkeit von Fume Events in österreichischen Flugzeugen bzw. in Flugzeugen, die unter österreichischer Flagge betrieben werden?

20. Wie sichert die österreichische Bundesregierung das Recht der Flugpassagiere, bei Vorkommnissen in Verbindung mit kontaminierter Kabinenluft als Verbraucher informiert zu werden?

21. Wie gewährleistet die österreichische Bundesregierung die Einhaltung der Richtlinie 2003/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.06.2003 über die Meldung von Ereignissen in der Zivilluftfahrt durch österreichische Flugzeuge?

22. Hat das BMVIT in Abstimmung mit anderen Ressorts Studien zur Feststellung der giftigen Bestandteile des kontaminierten Zapfluftsystems bzw. dessen konkreter gesundheitsschädigender Wirkung in Auftrag gegeben?

23. Wenn ja, zu welchem Ergebnis sind diese gekommen?

24. Wenn nein, werden Sie dies nachholen?

25. Werden Sie in Ihrem Wirkungsbereich nach Abstimmung mit allen involvierten Ministerien und öffentlichen Einrichtungen für eine Verschärfung der technischen        Sicherheitsvorkehrungen in Flugzeugen eintreten?

26. Werden Sie in Ihrem Wirkungsbereich nach Abstimmung mit allen involvierten Ministerien und öffentlichen Einrichtungen für eine verschärfte Kontrolle der bestehenden Wartungsmaßnahmen und Sicherheitskontrollen an Flugzeugen eintreten?