2223/J XXV. GP

Eingelangt am 14.07.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Eva Glawischnig-Piesczek, Werner Kogler, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend TISA - Trade in Services Agreement - Kein Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen

BEGRÜNDUNG

 

Im April 2013 starteten – von der Öffentlichkeit unbemerkt – Verhandlungen zwischen 22 Staaten[1] über ein neues plurilaterales Abkommen über Dienstleistungen (TISA – Trade in Services Agreement). Für die EU-Mitgliedstaaten führt die Europäische Kommission die Verhandlungen, die im März 2013 vom Rat das Verhandlungsmandat erhielt.

Durch TISA sollen nationale Dienstleistungsmärkte – auch im sensiblen Bereich der öffentlichen Dienstleistungen – für ausländische Konzerne geöffnet werden: es droht u. a. die (weitere) Liberalisierung und Privatisierung von Wasserversorgung,  Bildung, Gesundheit, Transport, Versicherung, Telekommunikation, Post,  digitalem  Handel sowie  im Finanzbereich. Auch Dienstleistungen in den Bereichen Energie und Umwelt sind eingeschlossen.

Unzählige Beispiele aus der Vergangenheit belegen die großen Gefahren  hinter  der  Öffnung  von Dienstleistungsmärkten: Verlust der Qualität von Dienstleistungen, Abnahme der Versorgungssicherheit für BürgerInnen, Unternehmen unterlassen erforderliche Investitionen, niedriger Löhne für ArbeitnehmerInnen, teilweise auch höhere Preise für die Dienstleistungen etc.

Problematisch ist insbesondere, dass durch Festlegung von internationalen Regeln die Entscheidungsautonomie vor allem von Kommunen eingeschränkt wird. Gemeinden, die für die BürgerInnen notwendige öffentliche Dienstleistungen erbringen bzw. anbieten, könnten ihrer Freiheit beraubt werden, zu entscheiden, wie und in welcher Weise öffentliche Dienstleistungen erbracht werden.


TISA verfolgt einen „Negativlistenansatz“ hinsichtlich der Inländerbehandlung. Die Inländerbehandlung sorgt dafür, dass ausländische AnbieterInnen den lokalen AnbieternInnen gleichgestellt werden und dass der Staat ihnen dieselbe Behandlung gewährt wie inländischen, lokalen Anbietern. Selbst Maßnahmen, die formell nicht diskriminierend sind, können diese Nichtdiskriminierungsregel verletzen, wenn sie „gleiche Wettbewerbschancen“ ausländischer InvestorenInnen oder DienstleistungserbringerInnen beeinträchtigen. Im Rahmen von TISA würde das Prinzip der Inländerbehandlung automatisch für alle Maßnahmen und Sektoren gelten, wenn sie nicht explizit davon ausgenommen werden. 

Darüber hinaus finden die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen außerhalb der zuständigen internationalen Foren statt. Widerstand gegen ein internationales Abkommen über Dienstleistungen kam in der Welthandelsorganisation von vielen Entwicklungs- und Schwellenländern – nun wird das Abkommen einfach ohne die „unwilligen“ Staatenverhandelt. Zwar beträfen die Ergebnisse  theoretisch nur  die  Staaten,  die  mitverhandeln.  In der Realität wird es für andere Staaten und Staatengruppen schwer bis fast unmöglich sein, an den geltenden TISA-Regelungen vorbeizukommen. Schwächere und ärmere Staaten müssten sich an Regeln halten, an deren Aushandlung sie nicht beteiligt waren. Es ist davon auszugehen, dass die ausgehandelten Regeln nicht zum Vorteil von Entwicklungs- und Schwellenländern sein werden, sondern dass diese Staaten eher unter Druck geraten.

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie viele Verhandlungsrunden haben bisher stattgefunden? In welchem Zeitraum und wo fanden diese statt?

2)    Welche Themenbereiche wurden mit welchem Inhalt und welchem Ergebnis in den jeweiligen Verhandlungsrunden diskutiert?

3)    Welcher Personenkreis nimmt von Seite der EU an diesen Verhandlungen teil?

4)    Wie lautet die europäische Verhandlungsposition zu den einzelnen Themenbereichen?

5)    Was ist die österreichische Verhandlungsposition?

a.     Wann wurde diese in welcher Form auf EU-Ebene eingebracht?

6)    Wann ist die nächste Verhandlungsrunde geplant? Wo soll diese stattfinden?

7)    Wie sieht der weitere Zeitplan aus?

8)    Wann sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein?

9)    Wann wird die Öffentlichkeit über den Inhalt der Verhandlungen umfassend informiert?


10) Wann werden Verhandlungstexte veröffentlicht, so dass sich die BürgerInnen ein Bild über die Verhandlungen machen können?

11) Sollte die Veröffentlichung nicht vorgesehen sein, wie garantieren Sie, dass ein Abkommen im Interesse der BürgerInnen abgeschlossen wird?

12) Wird über Wasserver- und –entsorgung verhandelt?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ziel?

b.    Wie lautet die EU-Verhandlungsposition?

c.    Wie lautet die Position Österreichs?

13) Wird über den Bereich der Bildung verhandelt?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ziel?

b.    Wie lautet die EU-Verhandlungsposition?

c.    Wie lautet die Position Österreichs?

14) Wird über den Bereich der Gesundheit verhandelt?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ziel?

b.    Wie lautet die EU-Verhandlungsposition?

c.    Wie lautet die Position Österreichs?

15) Wird über kulturelle Dienstleistungen verhandelt?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ziel?

b.    Wie lautet die EU-Verhandlungsposition?

c.    Wie lautet die Position Österreichs?

16) Wird über den Finanzbereich verhandelt?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ziel?

b.    Wie lautet die EU-Verhandlungsposition?

c.    Wie lautet die Position Österreichs?

17) Wird über Umweltdienstleistungen verhandelt?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ziel?

b.    Wie lautet die EU-Verhandlungsposition?

c.    Wie lautet die Position Österreichs?

18) Wird über Energiedienstleistungen verhandelt?

a.    Wenn ja, in welcher Form und mit welchem Ziel?

b.    Wie lautet die EU-Verhandlungsposition?

c.    Wie lautet die Position Österreichs?

19) Wie wollen Sie verhindern, dass es zu einem Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen wie Wasser, Bildung, Gesundheit, Energiedienstleistungen etc. kommt?

20) Wie stehen Sie zu dem Zugang, in TISA einen Negativ-Listenansatz hinsichtlich Inländergleichbehandlung im Unterschied zu einem Positiv-Listenansatz zu verankern?

21) Wie wollen Sie sicherstellen, dass bei öffentlichen Dienstleistungen lokale und regionale AnbieterInnen aufgrund sozialer und ökologischer Kriterien bevorzugt behandelt werden dürfen?

22) Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus der Sorge, dass durch TISA das Regulierungsrecht der Staaten im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen eingeschränkt werden könnte?


23) Wie stellen Sie sicher, dass in Zukunft eine Re-Regulierung und Rücknahme bereits liberalisierter Dienstleistungen auf Grund negativer Auswirkungen möglich bleibt? 

24) Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass die Verhandlungen plurilateral und nicht im Rahmen der WTO stattfinden?

25) Haben Sie sich dafür eingesetzt, dass die Verhandlungen im WTO-Rahmen stattfinden?

a.    Wenn ja, wie und wann?

b.    Wenn nein, mit welcher Begründung?

26) In welcher Weise wird sich TISA auf die anderen WTO-Mitgliedstaaten, die nicht Teil der Verhandlungen sind, auswirken?

27) Welche Auswirkungen erwarten Sie im Falle des Abschlusses dieses Abkommens auf Entwicklungs- und Schwellenländer?

28) Welche positiven Effekte erwarten Sie von diesem Abkommen?

29) Welche Gefahren sehen Sie bei diesem Abkommen?

30) In welchem EU-Gremium werden die Verhandlungen vor- und nachbereitet sowie die EU-Verhandlungspositionen abgestimmt?

31) Wie ist das Europäische Parlament in die Verhandlungen integriert?

32) In welcher Weise ist das österreichische Parlament in die Verhandlungen integriert?

33) Wie wird in Österreich die Verhandlungsposition koordiniert?

34) Wer ist an der Formulierung der österreichischen Verhandlungsposition beteiligt?

35) Wird dem Nationalrat dieses Abkommen zur Beschlussfassung vorgelegt werden?



[1] EU, Australien, Kanada, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Hongkong, Island, Israel, Japan, Republik Korea, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Schweiz, Taiwan, Türkei und Vereinigte Staaten von Amerika.