2240/J XXV. GP

Eingelangt am 22.07.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend Verfahrensstand zum Untersuchungsthema - Glücksspiel

BEGRÜNDUNG

 

Die juristische Aufarbeitung des Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen dauert an. Am 8. November 2012 wurde bereits in der Sondersitzung des Nationalrates der Stand der Verfahren erfragt, in einer parlamentarischen Anfrage vom 22.5.2013 wurden die Fragen erneuert. Nunmehr ein Jahr später wird diese Anfrage nach dem Verfahrensstand aktualisiert.

In der Sondersitzung vom 8. November 2012 brachten die Grünen ihren Bericht zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses als parlamentarischen Entschließungsantrag ein. Als Grundlage für die Beantwortung werden im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Bericht zum Beweisthema 6 – Glücksspiel nochmals kurz zusammengefasst:

Zusammenfassung der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses auf Basis des Berichts der Grünen an den Nationalrat zum Beweisthema 6 – Glücksspiel

Im Zuge der Ermittlungen in der Telekomaffäre war bekannt geworden, dass Peter HOCHEGGER und Walter MEISCHBERGER in den Jahren 2005 und 2006 für den Glücksspielkonzern NOVOMATIC als Lobbyisten agiert und dafür hohe Honorare erhalten hatten. Ergebnis dieses Lobbyings war der Versuch, im Sommer 2006 mit einem Abänderungsantrag, der überraschend im Parlament eingebracht werden sollte, das Glücksspielmonopol zugunsten des NOVOMATIC-Konzerns aufzubrechen. Dabei wurde eine Kooperation mit der Telekom eingegangen. Es bestand der Verdacht, dass Teile der beträchtlichen Honorare zur Weiterleitung an politische Entscheidungsträger gedacht waren. 

Weiters wurde bekannt, dass im Sommer 2006 die Österreichischen Lotterien der im Eigentum des BZÖ stehenden ORANGE Werbeagentur für ein Scheingutachten 300.000 Euro bezahlt hatten.  Es bestand der Verdacht, dass diese Zahlung als Gegeninitiative zum Lobbying der NOVOMATIC gedacht war, und eine wesentliche Rolle dabei spielte, dass die angestrebte Öffnung des Glücksspielmonopols zugunsten NOVOMATIC doch - noch - nicht zustande kam. 

Im weiteren Verlauf kam es im Jahr 2010 tatsächlich zu einer Novelle des Glücksspielgesetzes, welche für die NOVOMATIC sehr günstig war, indem die Beschränkungen des sogenannten „Kleinen Glücksspiels“ (=Automatenglücksspiel), das nach wissenschaftlichen Erkenntnissen das Entstehen von Spielsucht in besonderem Maße fördert, in einer höchst problematischen Weise gelockert wurden.

Zur möglichst erfolgreichen Kooperation gab es seit Ende 2005 Geschäfts-beziehungen zwischen der HOCHEGGER-Gruppe, der NOVOMATIC und der Telekom, bei der Walter Meischberger zum zentralen Akteur wurde. Ziel waren von Beginn an eine Aufweichung des Monopols und mögliche gesetzliche Änderungen um eine zweite Konzession nach § 12a GSpG zu erlangen. Diese Konzession sollte insbesondere dazu dienen, dass die NOVOMATIC „flächendeckend“ Video-Lotterie-Terminals anbieten können sollte. Damit sollte das Verbot des kleinen Glücksspiels in einigen Bundesländern ausgehebelt werden.

Im Zuge der HOCHEGGER-NOVOMATIC-TELEKOM „Arbeitsgruppe“ wurde ein mit „Gesetzesänderungsvorschlag“ betitelter Entwurf für eine Änderung des Glücksspiel-gesetzes erarbeitet, welcher in § 14 Abs 1 die Möglichkeit vorsah, dass der Finanzminister für Ausspielungen nach §12a höchstens eine weitere Konzession erteilen kann. Im Frühjahr 2006 stellte das Projektteam Politikern wie Günter STUMMVOLL (ÖVP), Herbert SCHEIBNER und Peter WESTENTHALER (beide BZÖ) das Vorhaben vor 

Jedenfalls wurde am 22. Juni 2006 ein Initiativantrag 844/A der Abgeordneten Günter STUMMVOLL und Detlev NEUDECK zur Änderung des Glücksspielgesetzes im Nationalrat eingebracht, welcher lediglich die rein redaktionell zu bewertende Änderung der Wortfolge „nach der ExistenzminimumVO“ in die Wortfolge „nach der Exekutionsordnung“ beinhaltete. Es handelte sich hier aus heutiger Sicht offenkundig um eine sogenannte „Trägerrakete“, welche einen Platz auf der Tagesordnung sichern sollte, um später durch einen Abänderungsantrag mit den eigentlich intendierten Inhalten „aufgefüllt“ zu werden. Diese Vorgehensweise diente offen-sichtlich der möglichst langen Geheimhaltung der geplanten Gesetzesänderung gegenüber der Konkurrenz (Casinos AG) und potentiellen Kritikerinnen und Kritikern im Parlament. 

Am 5. Juli 2006 um 10 Uhr  fand eine Sitzung des Finanzausschusses statt. Von 8.30 bis 10 Uhr gab es eine Vorbesprechung der Regierungsfraktionen. Darüber berichtete ein Mitarbeiter von Peter HOCHEGGER: „Sowohl ÖVP als auch BZÖ Abgeordnete haben unsere Argumente aufgegriffen und sprachen sich dezidiert für eine Umsetzung unserer Bestrebungen aus. Diese klare (neue) Positionierung und Festlegung der Regierungsparteien zu unserem Anliegen rückt unser Ziel in greifbare Nähe.“

Mit ÖVP, BZÖ und FPÖ waren offensichtlich drei Parteien an Bord. Nur ein Problem konnte noch nicht gelöst werden:  „Auf die Frage, warum das vor der Wahl nicht mehr möglich sei, meinte STUMMVOLL, dass man keinen Vierparteienantrag zustande gebracht habe, da die SPÖ nicht mitging und daher einige Bundesländer massive Bedenken hätten, dass eine Umsetzung vor der Wahl zu einem Wahlkampfthema werden könne.“

An sich wäre der Versuch, eine zweite §12a GSpG Konzession zu ermöglichen, damit vorerst gescheitert gewesen.

Es kam dann aber zu einem zweiten Versuch, den Abänderungsantrag direkt im Plenum bei der zweiten Lesung der „Trägerrakete“, dem Initiativantrag 844/A einzubringen. Diese Aktion lief offensichtlich über das BMF.  Der vergleichsweise unverdächtige Antrag war für den 13. Juli 2006 auf der Tagesordnung der Plenarsitzung des Nationalrates.

Die Casinos/Lotterien erfuhren am Abend des 11. Juli erstmalig davon, dass eine Aufweichung des Glücksspielmonopols in Planung sei. Nach den Schilderungen Beteiligter rief Friedrich STICKLER, der Geschäftsführer der Casino Austria, dann am Morgen des 12. Juli, als er am Weg zum Flughafen war, Peter WESTENTHALER an, der ihm das bestätigt und ihm gesagt habe, dass das jetzt fix so komme („Die Kugel ist aus dem Lauf.“). STICKLER habe daraufhin sofort seine Reise abgesagt und gemeinsam mit Leo WALLNER den Versuch unternommen, diese Novelle in zahlreichen Telefonaten doch noch abzuwehren. Es wurde noch am 12. Juli 2006 ein Schreiben an alle Klubobleute verfasst,  in dem insbesondere auf die Tragweite der Öffnung des §12a für eine weitere Konzession im Hinblick auf die Video-Lotterie-Terminals hingewiesen wurde. Diese Problematik sei auch den Abgeordneten der Regierungsparteien nicht bewusst gewesen. Es sei dann zu einer Erregung innerhalb des ÖVP-Klubs gekommen, und schließlich habe man sich entschieden, dass die ÖVP die Zustimmung zum Abänderungsantrag zurückziehe. 

Es erscheint also durch objektive Fakten und übereinstimmende Aussagen gesichert, dass 

-          am Tag des Finanzausschusses, dem 5. Juli 2006, die Abgeordneten von ÖVP und BZÖ noch davon ausgingen, dass das Vorhaben erst nach der Wahl kommen werde;

-          es dann einen zweiten Versuch gab, der offenbar über das BMF eingefädelt wurde, den Abänderungsantrag direkt im Plenum einzubringen; 

-          bis zum Abend des 12. Juli sowohl das BZÖ als auch die ÖVP davon ausgingen, dass der Abänderungsantrag eingebracht und beschlossen werde;

-          und dass erst am Morgen des 13. Juli die ÖVP ihre Unterstützung zurückzog. 

Im Zuge des Beratungsverhältnisses zwischen dem NOVOMATIC Konzern und dem Firmengeflecht um Peter HOCHEGGER kam es zu diversen Zahlungsflüssen:

-          Von Novomatic an Hochegger Financials: 580.920,19 Euro

-          Von Novomatic an  Hochegger.Com: 747.078,88 Euro

-          Von Austrian Gaming Industries an Valora Solutions: 600.000 Euro

-          Von Novomatic an 1040 GmbH von Walter MEISCHBERGER: 120.000 Euro

-          Von Valora Solutions an  1040 GmbH Meischberger: 465.000 Euro

-          Von Hochegger.Com an 1040 GmBH Meischberger: 18.576 Euro

Besonders auffällig sind die Zahlungsflüsse an Walter MEISCHBERGERs 1040 GmbH, sowie an die VALORA SOLUTIONS GmbH, welche von März 2007 bis Mitte 2008 im gemeinsamen Eigentum von MEISCHBERGER, GRASSER und HOCHEGGERs VALORA AG stand.  Diese fanden nämlich zeitgleich zu bestehenden, laufenden Vertragsverhältnissen des NOVOMATIC Konzerns mit den Unternehmen der HOCHEGGER Gruppe statt.  

Weiters ist festzustellen, dass von diesen  600.000 Euro zwar der Großteil von 465.000 Euro an MEISCHBERGERS 1040 GmbH weiterverrechnet wurde, dass aber ein Restbetrag von 135.000 Euro in der VALORA SOLUTIONS GmbH verblieb.  AUSTRIAN GAMING INDUSTRIES war dabei neben der VALORA AG von HOCHEGGER der einzige wesentliche Quell von Einkünften für die VALORA SOLUTIONS. 

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass über Initiative von Peter HOCHEGGER in der VALORA SOLUTIONS eine „persönliche Referentin“ für Karl-Heinz GRASSER angestellt wurde, deren Gehalt von der VALORA AG finanziert worden sein dürfte. Diese war davor stellvertretende Kabinettschefin von Hubert GORBACH. Ihre Aufgaben waren nach eigenen Angaben das Schreiben von Reden sowie das Anstellen von Recherchen für GRASSER. Dieses Modell erinnert in auffälliger Weise an die Finanzierung einer Assistentin von Hubert GORBACH nach dessen Ausscheiden aus der Politik, ebenfalls durch die VALORA AG. Darüber hinaus bezog GRASSER auch diverse Spesen aus der VALORA SOLUTIONS, beließ aber auch Einkünfte aus zwei Redeauftritten in ungefähr der gleichen Höhe dafür im Unternehmen.

Neben den Zahlungen der NOVOMATIC gab es noch einen weiteren auffälligen Zahlungsfluss: die Überweisung von 300.000 Euro an die im BZÖ Eigentum stehende Orange Werbeagentur GmbH durch die Österreichische Lotterien GmbH für angebliche Beratungen im Bereich des Responsible Gaming.  Dazu erstellte der frühere Mitarbeiter von Peter WESTENTHALER, Kurt LUKASEK, ein neunseitiges „Gutachten“. Der für Responsible Gaming zuständige Mitarbeiter in den Lotterien  sagte dazu aus, dass er und sein Bereich dieses Gutachten weder beauftragt noch erhalten haben, dass es auch keinerlei Wert für die ÖLG besessen hätte, und dass Teile des Inhalts sogar mit einer eigenen Unternehmensdarstellung der Lotterien „inhaltlich verwandt“ sein dürften. Es habe zu keinem Zeitpunkt eine Beratungstätigkeit der Firma ORANGE Werbeagentur für ihn oder seinen Bereich gegeben. 

Dennoch legte mit Datum 24. Juli 2006 die ORANGE Werbeagentur GmbH eine Rechnung an die Österreichische Lotterien GmbH über 300.000 Euro für „Beratungen im Bereich des Responsible Gaming April bis Juli 2006“, die von den Verantwortlichen unterschrieben wurde. Am 2. Oktober 2006 – am Tag nach der Nationalratswahl – wurde der Betrag an die ORANGE Werbeagentur GmbH überwiesen. Ein Gutachter im anhängigen Strafverfahren kam zur Erkenntnis, dass die „Studie“ um das 20-fache überzogen verrechnet worden sei.

 

Grundsätzlich wurde eine problematische Nähe der großen Glücksspielkonzerne zu bestimmten Politikern beziehungsweise Parteien (ÖVP, BZÖ, FPÖ) deutlich.

Die Auswirkungen dieser bedenklichen Naheverhältnisse zeigten sich unter anderem im Jahr 2010 bei der Reform des Glücksspielgesetzes, die ausschließlich von den Interessen der NOVOMATIC AG geprägt ist. 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Sind derzeit Strafverfahren in Zusammenhang mit den vom Untersuchungsausschuss als Beweisthema 6 untersuchten Fällen der versuchten Einflussnahme auf die Glücksspielgesetzgebung anhängig?

2)    Falls ja: wie viele Verfahren und bei welchen Staatsanwaltschaften bzw. Gerichten?

3)    Kamen seit der letzten Anfrage neue Verfahren dazu, und wenn ja, welche?

4)    Welche Teilaspekte werden strafgerichtlich verfolgt?

5)    Gegen wie viele Beschuldigte richten sich diese Verfahren?

6)    Wer sind die Beschuldigten?

7)    Wegen welcher Straftatbestände werden Ermittlungen geführt?

8)    Wie ist der Stand der Verfahren und wann ist mit einer Entscheidung über die Anklageerhebung zu rechnen?