2241/J XXV. GP

Eingelangt am 22.07.2014
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Am 23.08.2019 erfolgte eine vertraulichkeits-/datenschutzkonforme Adaptierung

 

Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend Verfahrensstand zum Untersuchungsthema Behördenfunk

BEGRÜNDUNG

 

Die juristische Aufarbeitung des Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen dauert an. Am 8. November 2012 wurde bereits in der Sondersitzung des Nationalrates der Stand der Verfahren erfragt, in einer parlamentarischen Anfrage vom 22.5.2013 wurden die Fragen erneuert. Nunmehr ein Jahr später wird diese Anfrage nach dem Verfahrensstand aktualisiert.

In der Sondersitzung vom 8. November 2012 brachten die Grünen ihren Bericht zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses als parlamentarischen Entschließungsantrag ein. Als Grundlage für die Beantwortung werden im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Bericht zum Beweisthema 3 – Behördenfunk nochmals kurz zusammengefasst:

Zusammenfassung der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses auf Basis des Berichts der Grünen an den Nationalrat zum Beweisthema 3 - Behördenfunk

Das Projekt der Einführung eines digitalen Behördenfunknetzwerkes für Polizei und Rettungsorganisationen, das ungefähr seit dem Jahr 2000 durch das Innenministerium verfolgt worden war, stieß im Laufe der Jahre immer wieder auf beträchtliche Schwierigkeiten und verursachte hohe Mehrkosten bei gleichzeitig nach wie vor unbefriedigendem Umsetzungsstand. Insbesondere die Kooperation mit den Bundesländern und den Blaulichtorganisationen funktionierte bemerkenswert schlecht. 

Im Zuge der Ermittlungen in der Telekom Affäre wurde auch bekannt, dass es seitens der Telekom sowie der Konsortialpartner Alcatel und Motorola zu Zahlungen an Alfons MENSDORFF-POUILLY kam. Nach den Aussagen des Telekom-„Kronzeugen“ Gernot SCHIESZLER bestand der dringende Verdacht, dass rund um die Vergabe des Projektes Schmiergeldzahlungen geflossen waren, die möglicherweise über MENSDORFF-POUILLY abgewickelt worden waren.  Weiters erregte der Umstand Aufsehen, dass nach einer Aufkündigung des Vertrags mit dem ursprünglich beauftragten „Mastertalk“-Konsortium eine Abschlagszahlung von rund 30 Millionen Euro an dieses geleistet werden musste. Die Gründe und der Hergang dieser Aufkündigung sind höchst umstritten.

Im Dezember 2000 erfolgte zunächst die EU-weite Ausschreibung der Beraterleistung zum Vergabeverfahren für das Funknetzprojekt unter dem Namen „Adonis“. Für den Betrieb waren jährlich rund 35 Millionen Euro Kosten ab Endausbau zwischen Finanz- und Innenministerium beim Projekt ADONIS vereinbart worden. Die Bundesländer wurden nicht eingebunden. Am 20.9.2001 kam es zur EU-weiten Ausschreibung des Funknetzes. und am 22.März 2002 fiel die Zuschlagsentscheidung zugunsten des Bestbieters Mastertalk.

Das Vergabeverfahren beim Projekt Adonis krankte daran, dass zentrale Elemente zur Leistungsfestschreibung nicht bereits zum Zeitpunkt der Anbotsabgabe beziehungsweise des Zuschlags geklärt waren, sondern erst im Nachhinein in 26 sogenannten „Dienstfestlegungsdokumenten“ (DFD) zwischen dem BMI und Mastertalk ausverhandelt werden sollten. Gleichzeitig hatte sich Mastertalk in seinem Anbot zur Einhaltung eines ehrgeizigen Ausbauzeitplans verpflichtet, so dass bereits parallel zu den Verhandlungen über die Leistungsfestlegung mit dem Netzausbau begonnen wurde. Weiters war sowohl auf Seiten des BMI als auch von Mastertalk offenbar kein ausreichendes Projektmanagement vorhanden. Schließlich dürften die vom Berater Austroconsult begleitend erbrachten Leistungen den Anforderungen nicht entsprochen haben.

 Es kam daher bereits in den ersten Projektmonaten zu großen  Verzögerungen, insbesondere bei der Ausarbeitung der DFD.   Als Hauptproblem bei der Umsetzung stellten sich die Finanzierung und die Beteiligung der Blaulichtorganisationen heraus. Anfang 2003 bemühte man sich daher auf beiden Seiten um eine Verbesserung der Projektbetreuung. Anfang April 2003 ersuchte Mastertalk um Abnahme der „Phase 0“ des Projekts, die vom BMI jedoch aufgrund technischer Mängel verweigert wurde.   Im Mai2003 kam es zu mehreren Schreiben zwischen MASTERTALK und dem BMI, in denen die Streitparteien einander wechselseitig Vertragsverletzungen und Versäumnisse vorwarfen, am 26. Juni 2003 erfolgte schließlich die beiderseitige Vertragsauflösung.Nach Einbringung einer Schiedsklage wurde der Vergleich in der Höhe von 29,9 Millionen Euro netto schließlich am 14.September 2006 unterzeichnet. Bezahlt wurde diese Summe bezeichnenderweise aus dem Budget. VA Ansatz 1/11508 „Flüchtlingsbetreuung und Integration“.

Angesichts der späteren Vergabe an das Motorola-Alcatel Konsortium und die Vorwürfe der Zahlung von Schmiergeldern ist auffällig, dass es mehrere konkrete Hinweise auf Interventionen Motorolas bereits vor der Vertragsauflösung beziehungsweise vor dem zweiten Vergabeverfahren gibt, um doch noch an den Auftrag zu kommen.

Ab Jänner 2004 lief das zweite Ausschreibungsverfahren, am 21. Juni 2004 erfolgte ohne Einbindung des BMF die Auswertung der Last-Best-Offers, und ALCATEL/MOTOROLA ging als Bestbieter hervor. Bemerkenswert: die jährlichen Gesamtkosten für das BMI ab Vollausbau wurden in der BMI-internen Auswertung mit 33,1 Mio Euro im Best-Case, bzw. 34,9 Mio Euro im Worst Case  errechnet. Damit ist eine erstaunlich genaue „Punktlandung“ im Hinblick auf die intern festgelegte „Schmerzgrenze“ von 35 Mio Euro geglückt. 

Das Projekt TETRON begann, bei dem einige der Fehler aus dem ersten Projekt wiederholt wurden. So kam es neuerlich zu keiner ausreichenden Einbindung der Länder (mit Ausnahme von Tirol) und der Blaulichtorganisationen, sodass auch heute das Plansoll der Nutzer bei weitem nicht erreicht ist und immer noch nur drei Bundesländer erschlossen sind. 

Beim Projekt Tetron fallen vor allem die personellen Verflechtungen und Zahlungen ohne klar erkennbare Gegenleistungen auf. Die zwei zuständigen Kabinettsmitarbeiter N.N. und GATTRINGER wechselten zur TETRON GmbH bzw. später zum Konsortialpartner ALCATEL und vertraten dort die Interessen der Unternehmen gegenüber dem BMI. 

Als entscheidend für die Abwicklung des Projekts hat sich aber ein Netzwerk rund um STRASSERs Kabinettschef Christoph ULMER erwiesen. ULMER schied kurz vor Zuschlagserteilung aus dem BMI aus, wurde jedoch aufgrund eines „unentgeltlichen“ Werkvertrages weiterhin als Berater mit der Materie befasst. Als solcher führte er zahlreiche Besprechungen mit den Bietern noch vor Zuschlagserteilung, was einen vergaberechtlich höchst bedenklichen Vorgang darstellt. 

Bezeichnend ist, dass sich weder die zuständigen Beamten noch die übrigen Kabinettsmitarbeiter oder der ehemalige Innenminister STRASSER an die konkreten Aufträge ULMERS erinnern konnten oder wollten und keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über die „Beratungen“ auffindbar sind.  An ULMERS Besprechungen nahm teilweise auch seine Ex-Frau Verena KARIMI teil, welche ihrerseits von MOTOROLA als PR-Beraterin beauftragt war und hohe Honorare verrechnete. Wie die Untersuchungen erwiesen, erhielt sie auch von der Telekom Austria rund 190.000 Euro ohne nachvollziehbare Gegenleistung bezahlt. 

Eine Reihe weiterer persönlicher Freunde von ULMER wurde seitens des BMI und / oder auch von MOTOROLA oder ALCATEL als Berater beauftragt und bezahlt. Neben ULMERs Netzwerk sind die „Beraterleistungen“ der Briefkastenfirma „VALUREX“, welche nach den Erkenntnissen des Untersuchungsausschusses und auch nach heutiger Auffassung  des Auftraggebers MOTOROLA eindeutig Alfons MENSDORFF-POUILLY zuzuordnen ist, auffällig.

Im Zusammenhang mit dem Projekt TETRON erhielten MENSDORFF-POUILLY bzw. seine Firmen insgesamt rund 1,8 bis 2,2 Mio Euro von MOTOROLA.

MOTOROLA zahlte an VALUREX insgesamt aufgrund von zwei Verträgen rund 1,8 Millionen  Euro, weitere 388.000 Euro gingen von MOTOROLA an MPA (MENSDORFF-POUILLY A. Handelsgesellschaft m.b.H.) Budapest. Zuzüglich der Zahlungen an MPA Prag und MPA Budapest im Jahr 2004 ergibt sich eine Gesamtsumme von € 2.279.502,31 Euro. VALUREX ist eine in Panama und der Schweiz (Genf) etablierte Gesellschaft. Sie stand im fraglichen Zeitraum formell im Eigentum des mittlerweile verstorbenen britischen Millionärs Timothy LANDON, entfernt verschwägert mit Alfons MENSDORFF-POUILLY. Seitens der Ermittlungsbehörden in Österreich und den USA wurde VALUREX Alfons MENSDORFF-POUILLY zugerechnet. Es besteht der begründete Verdacht, dass MENSDORFF-POUILLY selbst am TETRON Projekt mit seiner Firma MPA zumindest als „Subunternehmer“ der VALUREX beteiligt war.

Im Zusammenhang mit der Tetron-Affäre flossen auch von der Telekom Austria 1,1 Millionen Euro an MENSDORFF- POUILLY. Dieser gab in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 21. September 2011 an, dass er die Telekom ab dem Jahr 2005 unentgeltlich beraten habe und schließlich mit drei Jahren Verspätung dafür entlohnt worden sei. Als Aufhänger diente ein „Projekt Alpha“, der geplante Erwerb der slowenischen Firma Smart COM.MENSDORFF-POUILLY gab zu, dass die  Rechnungen zum Projekt ALPHA Scheinrechnungen waren. Gernot SCHIESZLER bestätigte in seiner Beschuldigteneinvernahme, dass das Projekt Alpha nicht der wahre Hintergrund der Zahlungen an MENSDORFF-POUILLY war. Er schilderte jedoch andere „Altlasten“, wegen denen diese Zahlungen erfolgten: MENSDORFF-POUILLYs Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Projekt Tetron.

Am 22. September 2005 schloss auch Alcatel Standard S.A. (Schweiz) mit der MPA Budapest Kft. ein „Consultancy Agreement“. Der Vertrag war bis 30. April 2007 befristet. Marktbeobachtungen, Umfeldanalysen, Marketing und Einschätzung von Geschäftschancen im öffentlichen Sektor, „Strategic Industries“ und „vertical markets“ brachten ein Honorar von 720.000 Euro (die Honorierung erfolgte auf Basis einer fixen Monatspauschale (EUR 30.000) über 24 Monate beginnend mit 1. Mai 2005). Da die Quartalsberichte der MPA Budapest nur allgemeine Informationen über die politische Lage in Ungarn und anstehende Infrastrukturprojekte allgemeiner Art ergeben, ohne jeglichen erkennbaren Bezug zu ALCATEL oder zu Telekommunikation im Besonderen, erhebt sich die Frage, welche wahre Gegenleistung honoriert wurde.

Der Verbleib dieser Gelder ist weitgehend ungeklärt. Aus einer handschriftlichen Notiz „CFU direkt“ in Unterlagen MENSDORFFs ergibt sich jedoch zumindest der dringende Verdacht einer Zahlung an ULMER, der Eigentümer einer auf den Namen C.F.U. lautenden Gesellschaft war. 

Zu erwähnen sind weiters rund 244.000 Euro welche von ALCATEL an die VALORA AG von Peter HOCHEGGER bezahlt wurden. Der Verdacht, dass es sich auch hier um verschleierte Zahlungen in Zusammenhang mit TETRON handelt, scheint anhand der Rechtfertigungen von Alcatel für diese Zahlungen begründet. 

Insgesamt ist es so im Zusammenhang mit TETRON  zu Zahlungen in der Höhe von mindestens 2,2 Mio Euro (Provisionen an VALUREX + Zahlungen an KARIMI) bis max. 4,7 Mio Euro (Summe aller untersuchten Zahlungen, auch solcher für die andere Rechtsgründe behauptet werden) gekommen.

Diesen Zahlungen stehen keine oder keine ausreichenden Leistungen gegenüber, sodass davon auszugehen ist, dass zumindest ein Teil dieser Zahlungen der Beeinflussung der politischen und sonstigen Entscheidungen gedient hat. 

Auffällig ist auch, dass in den Jahren 2005 und 2006 Jagden von MOTOROLA bei MENSDORFF-POUILLY bestellt wurden, auf deren Liste schien wiederum eine Reihe bekannter Personen aus dem ÖVP-nahen politischen Bereich und aus dem TETRON-Projekt auf.

Der Rechnungshof kritisierte am Projekt Tetron grundsätzlich, dass eine große Zahl von Beratungsaufträgen vergeben wurden, und dass es dabei häufig zu (teils unzulässigen) Direktvergaben kam. 

Im Hinblick auf die politische Verantwortung hat sich gezeigt, dass die Führung des Innenministeriums unter Leitung von Ernst STRASSER bei der Errichtung des behördlichen Digitalfunks auf allen Linien – wirtschaftlich, sachlich, politisch – versagt hat.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Sind derzeit Strafverfahren in Zusammenhang mit den vom Untersuchungsausschuss als Beweisthema 3 untersuchten Fällen der Vergabe des digitalen Behördenfunks anhängig?

2)    Falls ja: wie viele Verfahren und bei welchen Staatsanwaltschaften bzw. Gerichten?

3)    Kamen seit der letzten Anfrage neue Verfahren dazu, und wenn ja, welche?

4)    Welche Teilaspekte werden strafgerichtlich verfolgt?

5)    Gegen wie viele Beschuldigte richten sich diese Verfahren?

6)    Wer sind die Beschuldigten?

7)    Wegen welcher Straftatbestände werden Ermittlungen geführt?

8)    Wie ist der Stand der Verfahren und wann ist mit einer Entscheidung über die Anklageerhebung zu rechnen?