2250/J XXV. GP

Eingelangt am 23.07.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Dr.in Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst

betreffend Welterbe Semmeringbahn mit umgebender Landschaft

 

Die Natur-, Kultur- und Landschaftsschutzorganisation „Alliance For Nature“ hat Anfang 1993 die Initiative „Weltkulturerbe Semmeringbahn“ mit dem Ziel ins Leben gerufen, die Semmeringbahn und deren umgebende Landschaft vor den negativen Auswirkungen des geplanten Semmering-Basistunnels zu schützen und in den Kreis der UNESCO-Welterbestätten zu führen. Das Kulturministerium unterstützte „Alliance For Nature“ bei ihren Bemühungen, sodass 1995 die Republik Österreich die „Semmeringbahn – Kulturlandschaft“ für die Aufnahme in die UNESCO-Welterbe-Liste nominierte (http://whc.unesco.org/uploads/nominations/785.pdf).

Daraufhin evaluierte ICOMOS (Internationaler Rat für Denkmalpflege) die Einreichunterlagen und hielt fest, dass die Semmeringbahn mit ihrer umgebenden Landschaft den Kriterien ii) und iv) für die Aufnahme in die Welterbe-Liste entspricht.

Ende Dezember 1998 folgte das UNESCO-Welterbe-Komitee der ICOMOS-Empfehlung und nahm die Semmeringbahn mitsamt ihrer umgebenden Landschaft in die „Liste des Erbes der Welt“ auf. Im Dokument WHC-98/CONF.203/18 heißt es unter dem Titel „The Semmering Railway“ (ld. N° 785) folgendermaßen:

The Committee inscribed this site on the World Heritage List on the basis of criteria (ii) and (iv):

Criterion (ii): The Semmering Railway represents an outstanding technological solution to a major physical problem in the construction of early railways.

Criterion (iv): With the construction of the Semmering Railway, areas of great natural beauty became more easily accessible and as a result these were developed for residential and recreational use, creating a new form of cultural landscape.

Several delegates supported this inscription as it reflected the inclusion on the World Heritage List of new categories of properties.

Das UNESCO-Welterbe-Komitee folgte somit exakt den Empfehlungen von ICOMOS und hielt fest, dass damit eine neue Kategorie einer Kulturlandschaft Eingang in die Welterbe-Liste gefunden habe.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Weshalb bestreitet nun das Kulturministerium, dass die Republik Österreich seinerzeit die Semmeringbahn mit ihrer umgebender Landschaft als Welterbestätte nominiert hat, wenn Ihre Vorgängerin, Frau Elisabeth Gehrer, doch das entsprechende Dokument mit dem Titel „Semmering railway - cultural site – Semmeringbahn - Kulturlandschaft“ (siehe Homepage der UNESCO: http://whc.unesco.org/uploads/nominations/785.pdf) unterzeichnet, ICOMOS dessen Evaluierung vorgenommen und das UNESCO-Welterbe-Komitee 1998 den entsprechenden Beschluss gefasst hat?

2)    Kann es sein, dass das Kulturministerium nun versucht, die UNESCO wegen des Projektes „Semmering-Basistunnel neu“ zu täuschen, indem es u.a. vorgibt, dass die umgebende Landschaft der Semmeringbahn nur eine Pufferzone darstellt, obwohl Pufferzonen gemäß UNESCO-Welterbe-Richtlinien keinen Bestandteil von Welterbestätten bilden? Wenn nein, wie erklären Sie sich dann die Karte im Managementplan, die dem UNESCO-Welterbe-Komitee seitens der Republik Österreich vorgelegt wurde, in der doch eindeutig zwischen Kernzone und Pufferzone unterschieden wird?

3)    Ist das Kulturministerium nun der Meinung, dass nur die Semmeringbahn mit gerade einmal 156 ha das Weltkulturerbe bildet? Wenn ja, weshalb hat dann das Kulturministerium seinerzeit die Einreichunterlagen mit „Semmering railway - cultural site – Semmeringbahn - Kulturlandschaft“ betitelt und die umgebende Landschaft weitaus umfangreicher beschrieben als die Semmeringbahn selbst?

4)    Weshalb hat Ihrer Meinung nach das UNESCO-Welterbe-Komitee nicht nur die Semmeringbahn gemäß Kriterium (ii), sondern auch deren umgebende Landschaft gemäß Kriterium (iv) in die Welterbe-Liste aufgenommen, wenn Ihre Denkmalschutzabteilung in der Öffentlichkeit nun die (ohnedies von niemandem ernst genommene) Meinung vertritt, dass die umgebende Landschaft nie Teil des Welterbes war?

5)    Weshalb sind in der ganzen Semmering-Region Gedenktafeln mit der Aufschrift „Welterbe Semmeringbahn mit umgebender Landschaft“ samt UNESCO- und Welterbe-Logo montiert, wenn Ihre Denkmalschutzabteilung in der Öffentlichkeit nun die (ohnedies von niemandem ernst genommene) Meinung vertritt, dass die umgebende Landschaft nie Teil des Welterbes war?

6)    In ihrem Bescheid vom 20. März 2012 (GZ BMUKK-13.612/0001-IV/3/2012) bzgl. Projekt „Semmering-Basistunnel neu“ hält Frau MR Dr. Elsa Brunner, Leiterin der Denkmalschutzabteilung im Kulturministerium, zur Semmeringbahn Folgendes fest: „Die auch in Zukunft steigende Belastung der Strecke geht insbesondere aus dem Einreichoperat der Antragstellerin hervor, welche auf Seite 77, Tabelle 15, zahlenmäßig belegt, dass sich die Zugfrequenz im Falle des Tunnelbaues um 62,7% verringern, andernfalls aber um 23,1% erhöhen würde. Auch der Amtssachverständige des erstinstanzlichen Verfahrens nimmt darauf Bezug.“

Das Kulturministerium hatte als Behörde im UVP-Verfahren selbst zu prüfen, wie sich der Schienenverkehr über den Semmering entwickelt. Scheinbar dürfte aber Frau MR Dr. Elsa Brunner einfach nur den Angaben der Projektbetreiberin (ÖBB) Glauben geschenkt haben, ohne selbst eine Prüfung vorgenommen zu haben - Verkehrsexperten halten seit längerem fest, dass der Schienenverkehr über den Semmering stagniert bzw. rückläufig ist.

a)    Wenn keine eigene Prüfung durch das Kulturministerium bzw Frau MR Dr. Brunner stattfand, wie erklären Sie dies?

b)    Wenn eine solche eigene Prüfung doch stattgefunden haben sollte, ersuchen wir das Kulturministerium um Übermittlung jener Unterlagen, aus denen zweifelsfrei hervorgeht, dass Frau MR Dr. Brunner oder andere VertreterInnen des Kulturministeriums selbst eine Prüfung über die Frage der zukünftigen Belastung der Semmeringbahn-Strecke vorgenommen hat/haben, und die zum Schluss kommen, dass sich die Zugfrequenz im Falle des Tunnelbaues tatsächlich um 62,7% verringern, andernfalls aber um 23,1% erhöhen würde.

7)    Das Kulturministerium hat mithilfe der Finanzprokuratur, der Anwaltschaft der Republik Österreich, ein Markenlöschungsverfahren gegen die Umweltorganisation „Alliance For Nature“ durchgeführt, basierend auf Angaben von Herrn Horst Schröttner, Bürgermeister der Gemeinde Semmering. So hat Herr Schröttner behauptet, dass für die Verwendung der von „Alliance For Nature“ ordentlich angemeldeten und vom Österreichischen Patentamt registrierten Marke „Weltkulturerbe Semmeringbahn“ ein Lizenzvertrag unterschrieben und ein finanzieller Beitrag geleistet wurde. Diese Angaben von Herrn Horst Schröttner haben sich mittlerweile als haltlos und unrichtig herausgestellt. Hat das Kulturministerium seinerzeit die Behauptungen von Herrn Horst Schröttner geprüft, bevor es die Markenlöschungsverfahren einleiten ließ? Sind dem Kulturministerium entsprechende Unterlagen, insbesondere der unterschriebene Lizenzvertrag vorgelegt worden? Wenn ja, ersuchen wir um Übermittlung einer entsprechenden Kopie.

8)    Hat das Kulturministerium überprüft, ob tatsächlich die von Herrn Horst Schröttner behauptete Zahlung geleistet wurde? Wenn ja, ersuchen wir um Übermittlung entsprechender Kopien von Unterlagen, die die Zahlung belegen.

9)    Hat das Kulturministerium den (angeblich unterzeichneten) Lizenzvertrag der Finanzprokuratur übermittelt oder hat die Finanzprokuratur allein nur deshalb das Markenlöschungsverfahren durchgeführt, weil es vom Kulturministerium dazu beauftragt wurde, ohne die Behauptungen des Herrn Schröttner zu prüfen?

10) Ist es richtig, dass Frau MR Dr. Elsa Brunner, Leiterin der Denkmalschutzabteilung im Kultur­ministerium, zuerst versucht hat, eigenständig die Markenlöschungsverfahren gegen „Alliance For Nature“ einzuleiten, und erst nach ihrem Scheitern die Finanzprokuratur eingeschaltet hat?

11) Ist das Kulturministerium bereit, der Umweltorganisation „Alliance For Nature“ den finanziellen Schaden, der ihr aus dem unkorrekten Vorgehen des Kulturministeriums, basierend auf falschen Behauptungen des Herrn Horst Schröttner, entstanden ist, monetär abzugelten? Wenn nein, weshalb nicht?