2299/J XXV. GP

Eingelangt am 11.08.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend gewerberechtliche Weisungen des Landeshauptmann Pröll bezüglich EAZ Traiskirchen

BEGRÜNDUNG

 

Pünktlich zum medialen Sommerloch im Juli dieses Jahres verkündete die Innenministerin Johanna Mikl-Leitner es gäbe Probleme mit der Unterbringung von AsylwerberInnen und stellte den Bundesländern ein Ultimatum, Traiskirchens Erstaufnahmezentrum zu entlasten. Der niederösterreichische Landeshauptmann Pröll drohte sodann mit Aufnahmestopp und wies nach Medienberichten die Bezirkshauptmannschaft Baden an, etwas zu suchen mit dem der Aufnahmestopp begründet werden könne. Herr Zimper, Badens Bezirkshauptmann erklärt: “Es gab die Anordnung des Herrn Landeshauptmann, zu prüfen, welche Möglichkeiten es gibt.“ Was konkret beanstandet wurde, wollte Zimper jedoch auf Grund des "offenen Verfahrens" nicht sagen, es dürfte jedoch ein gewerberechtlicher Bescheid ausgestellt worden sein (http://www.dossier.at/asyl/thema/geschichten/welche-fakten-zu-traiskirchen-erwin-proell-ignoriert/).

Diese Maßnahme sei ein "Akt der Notwehr" und es gäbe menschliche und sicherheitstechnische Beweggründe, rechtfertigte Landeshauptmann Pröll seine Vorgehensweise in relativ vagen Begriffen. Der Traiskirchner Bürgermeister Babler erläuterte im Radio: „Dieses Mal gibt es eine Bescheidgrundlage vom Landeshauptmann, der als Gewerbebehörde über die unmittelbaren Bezirksverwaltungen zuständig ist. Da hat er angeordnet, dass gewerbemäßig gesperrt wird. Das heißt, keine neuen Leute mehr" (Ö1 Morgenjournal 30.7.2014).

Dies ist umso erstaunlicher, als nicht ersichtlich ist, welcher gewerberechtliche Grund zu einem solchen Aufnahmestopp führen würde. Über die konkrete rechtliche (und faktische) Grundlage dieses Bescheids wird die Auskunft verweigert. Dass bereits 2012 der damalige Bürgermeister Traiskirchens einen feuerpolizeilichen Bescheid als Vorwand für eine Aufnahmesperre in Traiskirchen nutzen wollte und dieser kurz darauf wegen „behördlicher Willkür“ vom unabhängigen Verwaltungssenat aufgehoben wurde, scheint Landeshauptmann Pröll wenig zu interessieren. Es hat den Anschein, dass er nun einen gewerberechtlichen Grund vorschieben will, um sein politisches Ziel zu erreichen.

Die Vorgehensweise, nämlich der Bezirkshauptmannschaft als Gewerbebehörde den Auftrag zu erteilen, sie möge etwas finden, um einen laufenden Betrieb – hier jener der ORS Service Gmbh, die das Erstaufnahmezentrum führt –  zu behindern oder einzuschränken erscheint willkürlich. Zumal die Berufung Prölls auf „sicherheitstechnische Gründe“ direkt den Aussagen des Sprechers des Innenministeriums, Karl-Heinz Grundböck gegenüber Dossier.at widerspricht: Die Kapazitätsgrenze des Flüchtlingslagers sei demnach gar nicht erreicht. „Sie liegt bei 1.750 Personen. Wenn man baupolizeiliche und feuerpolizeiliche Vorschriften umlegt, ergibt sich für die vorhandenen Gebäudestrukturen eine Kapazität von 1.750." Die Belegung betrug zum Zeitpunkt der Weisung jedoch 1362 Menschen, also 388 weniger als die Kapazität erlaubt. (http://www.dossier.at/asyl/thema/geschichten/welche-fakten-zu-traiskirchen-erwin-proell-ignoriert/ Punkt 1.) Wie die APA am 5.8.2014 meldete, wird die Aufnahmesperre weiterhin aufrecht erhalten, obwohl die Belegszahl mittlerweile sogar auf 1.183 zurück gegangen sei.

Am 5.8.2014 berichtete nunmehr derstandard.at, dass seitens der Gewerbebehörde konkret das Fehlen eines Sicherheitskonzepts bemängelt worden sei. Ein solches sei vom Betreiber ORS Service GmBH zwar im Juni 2012 vorgelegt worden, im November 2012 von einem Sachverständigen jedoch negativ beurteilt worden. Weshalb dieser Umstand erst beinahe zwei Jahre später plötzlich relevant wurde, erscheint hinterfragenswert. (http://derstandard.at/2000004035026/Sicherheitskrimi-um-Traiskirchen-Aufnahmestopp)

Auch für den Präsidenten der Caritas Österreich, Michael Landau, ist diese Asyldebatte ein "politisches Sommertheater". Denn die Asylzahlen seien nur geringfügig gestiegen, rechnete er vor: Vor zehn Jahren seien es mehr als doppelt so viele Asylanträge gewesen wie heuer (17.000). Im ersten Halbjahr 2014 habe es einen Anstieg von lediglich zwei Prozent gegeben. Die Zahlen lägen weiter unter denen von 2002 bis 2005. Zudem herrsche „kein Notstand“ und „die Situation sei bewältigbar“ (Ö1 Morgenjournal 30.7.2014)

Im Hinblick auf das beinahe gleichbleibende Niveau der Asylanträge zum Vorjahr und den offenen Kapazitäten in dem Erstaufnahmezentrum Traiskirchen scheint der Bescheid zum Aufnahmestopp mehr politische Gründe als rechtliche Grundlagen zu haben.

Das ist umso problematischer, als hier durch den bei Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung in der Mitte der Weisungskette zwischen Bundesministerium und Bezirksverwaltungsbehörde stehenden Landeshauptmann Pröll eine für das Asylwesen offenkundig sachfremde Rechtsgrundlage, nämlich die Gewerbeordnung, herangezogen wurde.

Es ist daher jedenfalls Aufgabe des zuständigen Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft als oberstes Organ im Gewerberecht diese ungewöhnliche und rechtsstaatlich höchst auffällige Vorgehensweise zu überprüfen.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Erging in den vergangenen zwei Monaten eine Weisung des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll an die Bezirkshauptmannschaft Baden auf Erlassung eines gewerberechtlichen Bescheides oder zur Verhängung allfälliger anderer gewerberechtlicher Maßnahmen betreffend den Betrieb des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen?

 

2)    Falls ja, welchen Inhalt hatte diese Weisung genau?

 

3)    Falls ja, wann genau erging die Weisung?

 

4)    Was war der Zweck dieser Weisung?

 

5)    Ist es zutreffend, dass der wahre Zweck dieser Vorgehensweise die Verringerung der Belagszahlen im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen („Aufnahmestopp“) war?

 

6)    Wurde dieser Weisung Folge geleistet, und wenn ja auf welche Art?

 

7)    Wurde ein Bescheid der BH Baden in dieser Sache erlassen?

 

8)    Falls ja, wann?

 

9)    Wer war der Bescheidadressat?

 

10) Was war die konkrete Rechtsgrundlage für die Ausstellung des Bescheids und welchen Inhalt hatte der Bescheid? (Bitte um Beifügung)

 

11) Welche gewerberechtlichen Gründe wurden im Bescheid herangezogen, um einen Aufnahmestopp in Traiskirchen zu begründen? Inwiefern gestaltet sich dieser Grund anders als noch vor einem Jahr?

 

12) Welche sicherheitstechnischen Gründe wurden im Bescheid herangezogen, um einen Aufnahmestopp in Traiskirchen zu begründen?

 

13) Ist es zutreffend, dass das Fehlen eines Sicherheitskonzepts bzw. Mängel eines solchen als Grund für den verhängten Aufnahmestopp herangezogen wurden?

 

14) Weshalb wurde die nach Medienberichten aus dem November 2012 stammende negative Beurteilung des Sicherheitskonzepts des Betreibers erst im Juli 2014 plötzlich als so wichtig beurteilt, dass der Aufnahmestopp zu verhängen war?

 

15) Wie hoch ist die gewerberechtlich festgelegte Belegungskapazität des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen und inwiefern wurde deren Ausschöpfung bzw. Nichtausschöpfung in die Beurteilung allfälliger gewerberechtlicher Maßnahmen miteinbezogen?

 

 

16) Falls kein gewerberechtlicher Bescheid erlassen wurde: Wurden andere gewerberechtliche Maßnahmen ergriffen, die zu dem „Aufnahmestopp“ geführt haben, und falls ja welcher Art, welchen Inhalts und aufgrund welcher konkreten Rechtsgrundlage?

 

17) Inwiefern entspricht es der Zielsetzung des Wirtschaftsministeriums, dass das Gewerberecht für sachfremde Zwecke (Asylpolitik) instrumentalisiert wird?

 

18) Ist es übliche Praxis und gesetzlich gedeckt, dass Bezirkshauptmannschaften mittels Weisung bzw. „unmissverständlicher Anregung“ der zuständigen Politiker aufgefordert werden, nach gewerberechtlichen Gründen zu „suchen“, wie man einem Unternehmen (hier: dem Betreiber ORS Service Gmbh) Schwierigkeiten bereiten kann?

 

19) Falls ja, was werden Sie dagegen in Ihrem Vollzugbereich unternehmen?

 

20) Falls nein, wie erklärt sich dann die – öffentlich von mehreren Seiten bestätigte – Weisung Prölls und nachfolgende Erlassung eines entsprechenden gewerberechtlichen Bescheids?

 

21) War nach Ihrer Auffassung die Vorgehensweise des Landeshauptmanns von Niederösterreich in dieser Angelegenheit gesetzlich zulässig und sachlich richtig?

 

22) Falls nein: Werden Sie als zuständiges oberstes Organ Landeshauptmann Pröll eine Weisung erteilen, diese Missstände abzustellen?

 

23) Werden Sie die Weisung erteilen, den gegenständlichen Bescheid aufzuheben? Falls ja, wann und mit welcher Begründung? Falls nein, weshalb nicht?