2300/J XXV. GP

Eingelangt am 12.08.2014
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Hagen

Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend „Fernbedienung von Fahrzeugen durch die Polizei: Ein Geheimplan der EU?“

 

Die EU-Polizei-Arbeitsgruppe "European Network of Law Enforcement Technologies" ("ENLETS")[1] schlägt vor, dass die Polizei Autos künftig per Fernbedienung stoppen können soll. Dafür sollen von außen die Zündung und die Benzinzufuhr unterbrochen werden. Demnach könnten Neuwagen so ausgerüstet werden, dass sie von der Polizei per Fernbedienung angehalten werden können. Die EU-Polizei-Arbeitsgruppe arbeitet bereits intensiv daran, direkt auf die Bord-Elektronik der Fahrzeuge zuzugreifen und diese per Knopfdruck zu stoppen. Der Einbau der Technik könnte in Zukunft bei Neuwagen aus Europa sogar verpflichtend sein und deren Bedienung über eine Überwachungszentrale der jeweiligen Polizei des Landes erfolgen. Damit sollen gefährliche Verfolgungsjagden überflüssig gemacht werden.

 

Die britische Bürgerrechte-Organisation "Statewatch", die das Vorhaben vehement kritisiert, hat die Unterlagen der EU-Gruppe "ENLETS" bereits veröffentlicht. Aus ihnen geht hervor, dass der Einsatz der Fernsteuerung sogar schon bei kleineren Vergehen vorgesehen ist. ENLETS wurde erst im September 2008 unter französischer Präsidentschaft gegründet. Zur zunächst damals noch informellen Struktur gehörten Belgien, Griechenland, Zypern, die Niederlande, Polen, Finnland und Großbritannien. Als deutsche „Nationale Kontaktstelle" fungiert die deutsche Hochschule der Polizei in Münster. Ab dem Jahr 2010 wurde die engere Einbeziehung der Europäischen Kommission begonnen, kurze Zeit später nahmen auch die EU-Agenturen Europol und Frontex teil. Mittlerweile sind 19 EU-Mitgliedstaaten bei den ENLETS-Treffen zugegen.

 

Neben der Sorge um die Freiheitsrechte der Bürger gibt es auch verkehrstechnische Bedenken gegen die Fernsteuerung. So würde ein Auto, das mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn unterwegs ist, ein ziemliches Sicherheitsrisiko darstellen, wenn es unvermutet stehen bleibt.


In der Regel ist es für die Besitzerinnen und Besitzer der Fahrzeuge nicht möglich, die vernetzten Funktionen abzustellen oder gar die benötigte Hardware auszubauen. Das Gleiche gilt für die ab dem Jahr 2015 obligatorische Ausstattung mit einer „eCall-Funktion".

 

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für  Inneres nachstehende

 

Anfrage:

 

1.      Ist Ihnen dieses Thema bekannt?

a)      Wenn ja, seit wann?

b)      Wenn ja, von wem haben Sie davon erfahren?

c)      Wurden diesbezüglich mit der EU Gespräche geführt?

d)      Haben Sie mit den Innenministern der hierbei involvierten Länder (Belgien, Deutschland, Griechenland, Zypern, Niederlande, Polen, Finnland und Großbritannien) Gespräche geführt?

e)      Gibt es konkrete Ergebnisse hierzu (zu Frage 1d)?

 

2.      Wurden diesbezüglich in Ihrem Ressort Gespräche geführt und Maßnahmen aufgestellt, um dieses Fernsteuerungssystem auch in Österreich einzusetzen?

a)      Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

b)      Wenn ja, auf welcher organisatorischen Ebene?

c)      Wenn nein, warum nicht?

 

3.      Sind österreichische Behörden in das Netzwerk ENLETS eingebunden, und inwiefern arbeiten diese dort mit Europol und Frontex zusammen?

 

4.      Inwiefern hat sich das Bundesministerium für Inneres bereits mit der im ENLETS-Arbeitsprogramm als „Signal Intelligence" beschriebenen Nutzung „einer ganzen Reihe von Sensoren" befasst, die an IT-Systemen der Strafverfolgungsbehörden angeschlossen sind, und inwiefern teilt das Bundesministerium für Inneres die Einschätzung, dass hierbei öfter Probleme auftreten könnten?

a)      Bestehen diesbezüglich datenschutzrechtliche Bedenken?

 

5.      Wie beurteilen Sie ENLETS im Zusammenhang mit europäischem Recht?

a)      Wurde dies über das Bundesministerium für Inneres juristisch geprüft?

b)      Wenn ja, mit welchen Erkenntnissen?

 

6.      Auf Vorschlag von ENLETS soll ein ferngesteuertes Anhalten von Fahrzeugen („Remote Stopping Vehicles“) serienmäßig bei allen in der EU zugelassenen  Fahrzeugen möglich sein.

a)      Sind diesbezüglich Maßnahmen zur Umsetzung geplant?

b)      Wurden diesbezüglich von Seiten des BMI Untersuchungen angestellt in Richtung Verfassungsmäßigkeit und technische Umsetzbarkeit?

c)      Wenn ja, mit welchen Erkenntnissen?


7.      Wie beurteilen Sie, wenn sämtliche GPS-, GSM-, oder UMTS-basierten Dienste in Fahrzeugen deaktiviert werden und keine Signale mehr senden und empfangen können?

a)      Wie beurteilen Sie datenschutzrechtlich den Datenempfang durch oben angeführte Dienste?

b)      Haben Sie datenschutzrechtlichen Bedenken hierzu?

c)      Können Sie ausschließen, dass Datenschutzrechte nicht verletzt werden?

 

8.      Ein „No-Spy“-Zertifikat für Neuwagen oder „No-Spy“-Regeln sollen in das Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr aufgenommen werden.

a)      Haben Sie davon gehört?

b)      Welche konkreten Informationen liegen Ihnen und Ihrem Ressort diesbezüglich vor?

c)      Ist zu diesem Thema etwas in Planung?

d)      Welche Gefahren sehen Sie in der ungehinderten Speicherung und Verarbeitung von Bewegungsprofilen oder Halteinformationen der Fahrzeuge?

 

9.      Unter dem Vorwand der Verkehrssicherheit wird das sogenannte eCall-System ab Herbst 2015 für alle Neuwagen in der EU verpflichtend. Das System erlaubt den Behörden nicht nur, präzise Bewegungsprofile jedes Autos zu erstellen, sondern auch die Fahrzeuge per Knopfdruck anzuhalten. Es ist dabei nicht vorgesehen, dass die Fahrzeughalter das Gerät ausschalten können. Halten Sie solch eine Fernsteuerung für eine ausgewogene Lösung zur Sicherstellung von Kontrolle und Sicherheit in Österreich?

 

10.   Ist geplant, dass dieses Fernsteuerungssystem in Österreich eingesetzt bzw umgesetzt wird?

a)      Wenn ja, wie hoch sind hierzu die Kosten?

b)      Ist eine politische Notwendigkeit vorhanden, dieses „ENLETS“-Programm umzusetzen?



[1] http://diepresse.com/home/motor/1556443/EU_Polizei-will-Autos-per-Fernbedienung-stoppen