2305/J XXV. GP

Eingelangt am 18.08.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Bruno Rossmann, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Vermögensdaten

BEGRÜNDUNG

 

Für eine sachliche und empirisch gut fundierte Diskussion sowie für eine faktenbasierte Entscheidung über die Wiedereinführung von vermögensbezogenen Steuern (zB.: reformierte Erbschafts- und Schenkungssteuer) sind Daten und Informationen über die Vermögen und deren Verteilung eine unverzichtbare Grundlage.

In Österreich gab es nach der Abschaffung der Vermögensteuer (1994) bzw. der Erbschafts- und Schenkungssteuer (2008) praktisch keine Daten bzw. Datenerhebungen über die Höhe von Vermögen bzw. deren Verteilung. Zudem lieferten diese Daten nur ein sehr eingeschränktes Bild über die gesamte Vermögenssituation der privaten Haushalte, da Vermögensdaten nur dann vorhanden waren, wenn tatsächlich eine Steuer anfiel. Erst auf Initiative der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde der sogenannte Household Finance and Consumption Survey (HFCS) im Jahr 2010 in allen Ländern des Euroraums eingeführt. Die entsprechende Datenerhebung in Österreich wurde von der Österreichischen Nationalbank (OeNB) durchgeführt und von der EZB sowie von Top-VermögensforscherInnen aus den USA methodisch begleitet und überwacht.

Auf Basis dieser Daten über Sach- und Finanzvermögen sowie Verschuldung der privaten Haushalte in einem Datensatz wurde in einer Studie der Universität Linz[1] mit gängigen wissenschaftlichen Methoden errechnet, dass das reichste 1% der privaten Haushalte über 37% des gesamten Nettovermögens und die obersten 5% über 58% des gesamten Nettovermögens verfügen. Demgegenüber stehen die ärmsten 50% der gesamten Haushalte, die lediglich 2,2% des gesamten Vermögens haben. Diese Berechnungen wurden kürzlich von der EZB[2] bestätigt – die reichsten 5 % der Haushalte verfügen über 52 bis 59% des Gesamtvermögens.


Die Vermögenserhebung der OeNB entspricht in methodischer Hinsicht dem „state of the art“. Allerdings lassen sich dennoch bedeutsame Argumente anführen, die auf eine Unterschätzung der Vermögenskonzentration hinweisen.

 

Im Einzelnen:

 

 

 

 

Fazit: Die Studie der OeNB verharmlost geradezu die extreme Ungleichheit von Vermögen - insbesondere beim Erben - und stößt zu den Top-Vermögen daher gar nicht vor. Eine rationale Debatte zur ungleichen Verteilung von Vermögen ist daher auf der Grundlage weiterer Daten, die dringend erhoben oder aus bestehenden Quellen zusammengeführt bzw. geschätzt werden müssen, notwendig.

In einem Interview im Trend (Juli 2014) wird von Finanzminister Spindelegger die hohe Vermögenskonzentration bezweifelt:

„Als Finanzminister handle ich gern auf Basis solider Daten. Ich zweifle an Schätzungen Pi mal Daumen, die auf Umfragen basieren. Meine Empfindung ist, dass der Reichtum breiter aufgestellt ist. Es gibt keine soliden Daten, wie das Vermögen in Österreich verteilt ist. […]“

Wenn Finanzminister Spindelegger Zweifel an der Solidität der Vermögenserhebung der OeNB hat, dann muss die Antwort darauf lauten, ergänzende fundierte Datengrundlagen bereitzustellen, denn Daten zu Vermögen und deren Verteilung sind für Zwecke im Rahmen der Steuerprüfung, aber auch für die Finanzmarktstabilität von höchster Bedeutung.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Auf welcher Grundlage basiert Ihre Einschätzung, dass es sich beim HFCS und den damit durchgeführten Studien um „Schätzungen Pi mal Daumen“ handelt?

2)    Ist Ihnen bekannt, dass unzählige Datenerhebungen und fast alle wichtigen Statistiken auf Umfragen basieren?

3)    Halten Sie daher auch die EU-SILC Daten für „Schätzungen Pi mal Daumen“?

4)    Halten Sie die Mikrozensus Daten für „Schätzungen Pi mal Daumen“?

5)    Halten Sie die Konsumerhebung für „Schätzungen Pi mal Daumen“?

6)    Wenn Sie die in den Fragen 3 bis 5 genannten Erhebungen für „Schätzungen Pi mal Daumen“ halten, wann und in welcher Form werden Sie solide Datengrundlagen anstelle der bisherigen Datenerhebungen schaffen?

7)    Wenn Sie die in den Fragen 3 bis 5 genannten Erhebungen nicht für „Schätzungen Pi mal Daumen“ halten, worin besteht der Unterschied zu den Erhebungsdaten des HFCS?

 

8)    Wie müsste eine Vermögenserhebung gestaltet werden, damit Sie von Ihnen nicht als „Schätzungen Pi mal Daumen“ bezeichnet würde?

9)    Aufgrund welcher Fakten kommen Sie zu dem Schluss, dass die Vermögenskonzentration im HFCS überschätzt ist und „der Reichtum breiter aufgestellt ist“, obwohl man sich in der Vermögensforschung weitgehend darüber einig ist, dass Survey-Daten zu Vermögen zu einer Unterschätzung der Top-Vermögen führen?

10) Wenn Informationen über das Vermögen der privaten Haushalte sowie deren Verteilung sowohl für steuerliche Zwecke (Steuerprüfung) als auch für die Finanzmarktstabilität höchst relevant sind, und es „keine soliden Daten“ zu den Vermögen in Österreich gibt, warum lassen Sie dann keine Erhebung zur Höhe der Vermögen aller privaten Haushalte und deren Verteilung durchführen, um „solide Daten“ zu erhalten?

11) Welche Maßnahmen haben Sie bisher ergriffen, um die Empfehlung der EU-Kommission betreffend eine Verlagerung der Steuerlast vom Faktor Arbeit hin zu weniger wachstumsschädlichen Steuern (zB.:periodische Immobiliensteuer) umzusetzen?


 

12) Wenn laut HFCS der Median der Nettovermögen der österreichischen Haushalte bei 76.445 Euro liegt, wieso gehen Sie davon aus, dass vermögensbezogene Steuern mit einem Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro „den Mittelstand“ treffen würden? (Über 500.000 Euro verfügen nur die vermögensreichsten 11% der österreichischen Haushalte.)

13) Auf Basis welcher Daten und Berechnungen gelangten Sie zur Einschätzung, dass eine Vermögen- und Erbschaftssteuer insgesamt nur ein jährliches Aufkommen von 125 Millionen Euro erbringen würde?

 

14) Wann werden Sie diese in den Medien als „Schnellschätzung“ definierte Schätzung veröffentlichen?

 

15) Wie definieren Sie eine „Schnellschätzung“?

16) Welche Datenbasis aus welchem Jahr wurde für die Berechnungen herangezogen? (Bitte um getrennte Aufstellung von Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögensteuer)

17) Wie wurde der Wert von Immobilien für die Schnellschätzung berechnet?

18) Orientiert sich der Wert an den aus den 1970er-Jahren stammenden überholten - und daher verfassungswidrigen - Einheitswerten?

19) Wie hoch ist das Sach- und Finanzvermögen in den Schnellschätzungen? (Bitte um getrennte Aufstellung nach Immobilen-, Betriebs- und Finanzvermögen und landwirtschaftliches Vermögen)

20) Wie ist das Sach- und Finanzvermögen verteilt? (Bitte um getrennte Aufstellung nach Immobilen-, Betriebs- und Finanzvermögen, landwirtschaftliches Vermögen)

 

21) Welcher Steuertarif wurde den Schnellschätzungen zugrunde gelegt? (Bitte um getrennte Aufstellung von Vermögen- und Erbschaftssteuer.)

22) Welcher Freibetrag wurde für die Schnellschätzungen gewählt? (Bitte um getrennte Aufstellung von Vermögen- und Erbschaftssteuer.)

23) Von wie vielen Erbfällen pro Jahr wurde in den Schnellschätzungen ausgegangen?

24) Welche Höhe des Erbvolumens haben Sie den „Schnellschätzungen“ zugrunde gelegt?

 



[1] http://media.arbeiterkammer.at/PDF/Vermoegen_in_Oesterreich.pdf (zugegriffen am 3.7.2014)

[2] https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpwps/ecbwp1692.pdf (zugegriffen am 5.8.2014)