2307/J XXV. GP

Eingelangt am 20.08.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Harald Walser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend Datenweitergabe an Neonazis

BEGRÜNDUNG

 

Am 3. August 2014, veröffentlichte die Website „Alpen-Donau.info“ einen Artikel mit der Überschrift „Pfundskerle“. Darin behaupten die BetreiberInnen, dass sie von Ihrer Behörde Daten – darunter Name, Adresse, Telefonnummer – von jenen Personen erhalten haben, welche die Website „Alpen-Donau.info“ bei der Meldestelle NS-Wiederbetätigung des Bundesministeriums für Inneres gemeldet haben. Zum Nachweis stellten die BetreiberInnen von „Alpen-Donau.info“ Auszüge aus einem Anfalls-Bericht des BM.I an die Staatsanwaltschaft online. Inhalt des Berichts sind Hinweise an die NS-Meldestelle des BM.I. Die Website „Alpen-Donau.info“ schreibt weiters: „Nach einem kurzen hin und her war man bereit uns die anderen Melder vorzulegen“ und: „Auf Anfrage bekommt ihr die Daten der Meldungsleger. Ansonsten freuen sich bestimmt auch die beiden Pfundskerle auf Fanpost…“[1] (Orthographiefehler im Original)

„Der Standard“ berichtete am 4. August 2014 in einem Artikel[2] über diesen Fall und zitierte mit Karl-Heinz Grundböck den Sprecher des BM.I. Demnach habe der Verfassungsschutz weder Daten veröffentlicht noch diese der Alpen-Donau bereitgestellt. Vielmehr habe man den Bericht an die Staatsanwaltschaft übermittelt.

Der Standard berichtet weiter, die Staatsanwaltschaft wolle zum konkreten Fall keine Angaben machen, spräche aber allgemein davon, dass „Beschuldigte und ihre Anwälte natürlich Akteneinsicht erlangen und eine Kopie des Akts erhalten. [...] Ob die Infos im konkreten Fall so zu Alpen-Donau gelangt sind, wollte man bei der Staatsanwaltschaft Wien nicht bekanntgeben.“ Aus dem Justizministerium heißt es laut „Standard“, „dass sogar die Veröffentlichung des Akts unter bestimmten Umständen rechtlich gedeckt sein könnte“.

Entgegen dieser Aussagen zeigt sich das BM.I-Sprecher Karl-Heinz Grundböck gegenüber dem „Standard“ kritisch: „Wenn tatsächlich im Weg der Akteneinsicht weitergegeben wurden, dann überrascht dies das BM.I. Sollte das stimmen, käme man an den Punkt, ‚wo wir überlegen müssen, ob das dem Gedanken der NS-Meldestelle entspricht’.“

 

Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW), das die rechtsextreme Szene beobachtet, zeigt sich auf Anfrage des WebStandard irritiert über die Vorgänge. „’Es geht hier um eine vertrauliche Meldung – wenn ich sehe, dass diese Informationen weitergegeben, überlege ich mir vielleicht dreimal, ob ich rechtsextreme Seiten melde’, so ein Mitarbeiter des DÖW. Eine konkrete physische Gefahr durch die Offenlegung der Daten sei laut DÖW schwierig abzuschätzen, aber: ‚Der psychische Druck ist nicht zu unterschätzen.’ Zumindest ein gewisses Unwohlsein bei den Meldern hätte Alpen-Donau sicher erreicht.“

Richard Pfingstl, der Betreiber der Website „Alpen-Donau.info“, ist fest in der neonazistischen Szene Österreichs verankert. Im Prozess gegen Gottfried Küssel & Co wegen „Alpen-Donau.info“ wurde mehrmals auf die Rolle von Franz Radl und Richard Pfingstl (der an einem Prozesstag auch als Zuhörer teilnahm) verwiesen. Richard Pfingstl (25) ist schon seit einigen Jahren in der Neonazi- Szene aktiv. 2007 war er beim Sommerfest des Bundes Freier Jugend (BFJ) in Steinbach/Ziehberg mit Küssel und Budin unterwegs. Ende Jänner 2010 stürmte Pfingstl gemeinsam mit andern Neonazis eine Geburtstagsfeier im Grazer Lokal „Zeppelin“. Die Anklage warf ihm und anderen nicht nur NS-Wiederbetätigung, sondern auch schwere Körperverletzung vor. Im Juni 2010 folgte dann ein Auftritt bei einer Public-Viewing-Veranstaltung zur Fußball-WM in Graz. Die Anklage warf Pfingstl und den anderen Beteiligten NS- Wiederbetätigung vor, weil sie Sprüche wie „SS-SA – wir sind wieder da“ skandiert hatten. Auch bei diesem Vorfall gab es eine schwere Körperverletzung, für die ein Nazi-Hooligan verurteilt wurde. Pfingstl wurde in beiden Verfahren 2012 in erster Instanz schuldig gesprochen – wegen NS-Wiederbetätigung und wegen schwerer gemeinschaftlich begangener Körperverletzung. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig. Seit Juli 2012 wird – wie Pfingstl auf „Alpen-Donau.info“ einräumt – gegen ihn auch wegen seiner Beteiligung am „alten“ alpen.donau- forum (alinfodo) ermittelt. Pfingstl steht im Verdacht, das Forum eingerichtet bzw. administriert zu haben.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende


ANFRAGE

 

1. Hat die Staatsanwaltschaft Wien das auf der Website „Alpen-Donau.info“ ersichtliche und in der Anfragebegründung erwähnte Dokument an Richard Pfingstl bzw. eine andere Person weitergegeben?

1a. Falls ja: Erfolgte die Weitergabe im Rahmen einer Akteneinsicht durch Richard Pfingstl bzw. einer anderen Person?

1b. Falls ja und falls die Weitergabe nicht im Rahmen einer Akteneinsicht erfolgte: Ist Ihnen bekannt, wie die auf der Website „Alpen-Donau.info“ ersichtlichen Dokumente dorthin gelangen konnten?

 

2. Wurden Daten jener im Anfalls-Bericht nicht namentlich genannten Personen bzw. abseits von jenem Anfalls-Bericht, Daten von Personen, welche die Website „Alpen-Donau.info“ der NS-Meldestelle des BM.I gemeldet haben, weitergegeben?

2a Falls ja, wie viele?

2b Falls ja, welche Daten wurden weitergegeben (vollständige Auflistung der Art der Daten: Z.B. Name, Adresse, Telefonnummer, Schriftverkehr...)?

 

3. Nach § 51 StPO „ist es zulässig, personenbezogene Daten und andere Umstände, die Rückschlüsse auf die Identität oder die höchstpersönlichen Lebensumstände der gefährdeten Person zulassen, von der Akteneinsicht auszunehmen und Kopien auszufolgen, in denen diese Umstände unkenntlich gemacht wurden“, soweit die in § 162 StPO aufgezählten Gefahren bestehen, eine „ernste Gefahr für Leben, Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit“.

Warum hat die Staatsanwaltschaft Wien von diesem Recht nicht Gebrauch gemacht?

 

4. Auf wessen Entscheidung hin wurden die Daten der Melder an Richard Pfingstl (und ev. an andere Personen) weitergegeben?

 

5. Richard Pfingstl ist ein Exponent der österreichischen Neonazi-Szene. 2012 wurde er in erster Instanz wegen NS-Wiederbetätigung und wegen schwerer gemeinschaftlich begangener Körperverletzung verurteilt.  Seit Juli 2012 wird - wie Pfingstl auf „Alpen-Donau.info“ einräumt – gegen ihn auch wegen seiner Beteiligung am „alten“ alpen.donau-forum (alinfodo) ermittelt. Pfingstl steht im Verdacht, das Forum eingerichtet bzw. administriert zu haben.


Waren diese Fakten der Staatsanwaltschaft Wien zum Zeitpunkt der Weiterleitung der Dokumente an Richard Pfingstl bekannt?

5a. Waren diese Fakten damals dem zuständigen Staatsanwalt Mag. Kronawetter bekannt?

5b. Waren damals diese Fakten dem Justizministerium bekannt?

 

6. Ist aus Ihrer Sicht eine Gefährdung Dritter gegeben, wenn persönliche Daten von GegnerInnen neonazistischer Aktivitäten an jemanden weitergegeben werden, der ein in Erster Instanz wegen schwerer gemeinschaftlich begangener Körperverletzung verurteilter Neonazi ist?

 

7. Wird Ihr Ministerium Maßnahmen ergreifen, um die durch die Weitergabe der Informationen eventuell gefährdeten Personen zu schützen bzw. werden Sie das BM.I um Amtshilfe bitten?

 

8. Wird es dienstrechtliche Konsequenzen für den zuständigen Staatsanwalt Mag. Kronawetter geben?

8a Falls nein, warum nicht?

 

9. Leiten Sie ein Strafverfahren gegen die Staatsanwaltschaft Wien bzw. Mag. Kronawetter wegen der Gefährdung von den betroffenen Personen ein bzw. erstatten Sie Anzeige?

9a. Falls nein, warum nicht?

 

10. Wurden von Ihrer Behörde in der Vergangenheit bereits Daten von Personen, die rechtsextreme und/oder neonazistische Ereignisse an die NS-Meldestelle des BM-I gemeldet haben, an Rechtsextreme bzw. Neonazis weitergegeben?

10a. Falls ja, wie oft und zu welchen Zeitpunkten (genaue Auflistung)?



[1] http://alpen-donau.info/?p=727#more-727 (6.8.2014)

[2] http://derstandard.at/2000003964146/Alpen-Donau-Betreiber-erhielten-Info-wer-sie-bei-NS-Meldestelle (6.8.2014)