2315/J XXV. GP

Eingelangt am 27.08.2014
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Hagen

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend „LYONESS - eine unendliche Geschichte?“

 

„Die Lyoness International AG ist eine 2003 von Hubert FREIDL gegründete Aktiengesellschaft, die sich selbst „länder- und branchenübergreifende Einkaufsgemeinschaft“ nennt“[1]. Dies ist über Lyoness auf der freien Internet-Enzyklopädie „Wikipedia“ nachzulesen.

Lyoness ist derzeit in 46 Ländern der Welt tätig und hat weltweit kolportierte 4 Millionen Mitglieder.

Seit Jahren mehren sich die Schlagzeilen in Bezug auf LYONESS: „Klage gegen „pyramidenartiges System“[2], Geldmaschine Lyoness[3], Klagewelle gegen Lyoness rollt an[4], Lyoness: Konsumenten wollen Geld zurück[5], Lyoness-Konsumenten feuern aus allen Rohren[6], Der Mann hinter Lyoness[7], Verbandsklage gegen Lyoness[8], WKStA ermittelt, Verdacht: Betrug und Pyramidenspiel[9].“

Im Jahr 2011 wurde gegen die Verantwortlichen der Firmengruppe Lyoness, Lyoness International AG, Lyoness Europa AG samt Tochterfirmen, CEO Hubert FREIDL-RÖSSLER, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Graz, wegen Vergehen gemäß der §§ 168a, 146, 147 und 297 StGB eingebracht. Gegen oben genannte Firmengruppe und Herrn FREIDL-RÖSSLER ist bei der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) ein Ermittlungsverfahren zu 14 ST 17/2012 m anhängig.

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet grundsätzlich den Abschluss von Verträgen nach dem Pyramiden- bzw. Schneeballsystem. Bei letzterem wird vereinbart, dass ein Kunde gegen ein unbedingt zu leistendes Entgelt einen Vorteil (zB eine Ware) unter der Bedingung erhält, dass der Kunde weitere Abnehmer gewinnt, die mit dem Unternehmer in ein gleiches Vertragsverhältnis treten[10]. In bereits vier Zivilprozessen stellten die berufenen unabhängigen Gerichte fest, dass es sich beim System-Lyoness um ein Schneeballsystem handelt. Die Urteile LG Krems zu 6 Cg 34/13 d [11], BG Krems zu 3 C 526/2013 a und BG Eferding zu 6 C 658/2013 b sind bereits rechtskräftig. Jüngst wurde ein Urteil der Vorsteherin des BG für Handelssachen Wien Mag. Martina Arneitz zugestellt, welches wiederum von Nichtigkeit aufgrund eines Schneeballsystems ausging (1 C 98/14i).

Der Verein für Konsumenteninformation brachte im April 2013 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumenten ein Klauselprüfungsverfahren beim HG Wien ein, die öffentlich mündliche Streitverhandlung wurde im November 2013 geschlossen. Das Urteil steht aus. Ein Musterverfahren des VKI wurde bereits im März 2014 zu Gunsten der klagenden Verbraucherin entschieden, aufgrund mündlicher Verkündung des Urteils und späterer schriftlicher Ausfertigung ist dieses Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen.

Es häufen sich Urteile wider die beklagte Partei – zuletzt BGHS Wien zu 1 C 98/14i –, wonach die beklagte Partei ein Schneeballsystem betreibt. Aufgrund der mangelnden Nachhaltigkeit derartiger Geschäftsmodelle, sind diese auch gesetzlich untersagt. Telos der Bestimmungen § 27 UWG Z 14 Anhang UWG und § 168a StGB ist, schneeballartige Kundenakquise zu unterbinden, zumal diese – ist der letzte Interessent gefunden – nicht mehr funktionieren, was auch eine Insolvenz mit sich bringen könnte (vgl. Fabrizy, StGB § 168a Rz 1, Kucsko in Wiebe/Kodek UWG § 27 Rz 2). Zahlreiche Zivilverfahren wurden zugunsten des Strafverfahrens und/oder des Klauselprüfungsverfahrens unterbrochen. Entgegen den Rekursentscheidungen des 35 R 64/13d und 35 R 63/13g LG Linz, 1 R 193/13g des LG Krems, 23 R 8/14 m des LG Wels und 2 R 15/13 k LG Innsbruck, welche eine Unterbrechung nicht für statthaft erachteten; wurden derartige Unterbrechungsbeschlüsse vom 1 R 185/13 tm LG Leoben und LG für ZRS Graz, 6 R 40/14t letztinstanzlich bestätigt. Den dortgerichtlichen Klägern drohen im Falle der aufgrund abstrakter Überlegungen nicht auszuschließenden Insolvenz von Lyoness und von Schuldsprüchen und/oder Klagsstattgaben möglicherweise berechtigte Ansprüche, denen kein Haftungsfond mehr gegenübersteht.

Gemäß § 2 Abs. 1 KMG darf ein öffentliches Angebot im Inland nur dann erfolgen, wenn spätestens einen Bankarbeitstag davor ein gebilligter Prospekt veröffentlicht wurde. Ausnahmen von der Prospektpflicht sind in § 3 KMG geregelt. Ein öffentliches Angebot ist eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Bedingungen des Angebotes enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere oder Veranlagungen zu entscheiden[12]. Im Zusammenhang mit von Lyoness aufgelegten sogenannten „Werbekampagnen“ erkannten bereits mehrere Gerichte, dass diese Produkte prospektpflichtig gewesen wären (eine Sammelklage im Sinne subjektiver Klagshäufung zu 13 C 1042/2011 x des BGHS Wien, weiters 6 C 75/2013 k des BG Leibnitz, 7 C 776/2013 p des BGHS Wien ua). Der renommierte Gutachter Mag. Karl Hengstberger (Hypo Vorzugsaktien) kam in seinem Gutachten im Ermittlungsverfahren zu 14 St 17/2012 der WKStA ebenso zum Schluss, dass es sich bei der Weberkampagne tatsächlich um eine prospektpflichtige Veranlagung handelte. Dem Gutachten war ein Amtshilfeersuchen der WKStA an die FMA vorausgegangen. Zumal gemäß § 15 KMG jedermann, der im Zusammenhang mit einem öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder Veranlagungen, das nach dem KMG prospektpflichtig ist, Veranlagungen anbietet, ohne dass zeitgerecht ein gebilligter Prospekt veröffentlicht wurde, sofern die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, vom Gericht mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen ist, verneinte die FMA aufgrund gerichtlicher Strafbarkeit ihre eigene Zuständigkeit. Allerdings ließ die FMA den Staatsanwalt schon im Oktober 2012 wissen, „dass man sich der Rechtsmeinung des BG für Handelssachen Wien (8 C 181/12v) anschließt“. Weiters wurde von der FMA festgehalten: „Die in Zeichnungsangeboten verwendete Formulierungen sind von kapitalmarktrechtlichem Charakter, weichen jedoch insgesamt in vielen Belangen von der österreichischen Marktpraxis seriöser Emittenten ab. Die FMA kann daher einen Verdacht auf die Begehung von Straftaten gemäß §§ 146ff StGB (Anm.: Betrug) nicht ausschließen und regt an, die Ermittlungen auszuweiten bzw. weiterzuführen.“[13]

 

Laut Auskunft befasster Anwaltskanzleien waren ca. 80 Zivilprozesse wegen des Systems Lyoness anhängig, wobei zahlreiche Prozesse bereits erfolgreich für die Kläger beendet werden konnten. Dem Strafverfahren WKStA zu 14 ST 17/2012 sind ca. 200 Privatbeteiligte beigetreten.

Laut dem „ORF-Report“ vom 27.11.2012 warnen die schweizerische Stiftung für Konsumentenschutz als auch die schweizerische Lotterie- und Wettbewerbskommission ausdrücklich vor dem System Lyoness. Insbesondere äußerte ein Vertreter der österreichischen Korruptionsstaatsanwaltschaft die beachtliche Einschätzung, dass konkrete Tatverdachtsmomente beständen, dass es sich bei Lyoness um ein Pyramidenspiel handle. Inzwischen ermitteln auch die Behörden in Schweden, Norwegen und Polen gegen Lyoness unter dem Verdacht, dass es sich um ein illegales, betrügerisches Schneeballsystem handelt[14]

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz nachstehende

 

ANFRAGE

(Bitte keine Verweisungen auf gestellte Anfragen und gegebene Anfragebeantwortungen der XXIV.GP)

1.         Haben Sie Kenntnis von oben genannter Firmengruppe LYONESS und den Vorwürfen gegen diese?

 

2.         Wenn ja, von wem haben Sie davon erfahren und wie beurteilen Sie als Justizminister oder hochrangige Mitarbeiter des BMJ die Vorwürfe gegen LYONESS rechtlich?

 

3.         Wird derzeit gegen LYONESS durch die Staatsanwaltschaft oder die WKStA ermittelt?

 

4.         Seit 2011 wurden mehrere Anzeigen gegen LYONESS eingebracht. Wie ist der derzeitige Ermittlungsstand? Welche Behörde oder Behörden sind derzeit mit Ermittlungen gegen LYONESS befasst?

 

5.         Wann kann mit einem konkreten Ergebnis in Bezug auf die Ermittlungen gerechnet werden, da dies auch das Vertrauen der Geschädigten in die Justiz stärken könnte?


6.         Wurde über Antrag der StA auch vom BMI Ermittlungen gegen LYONESS eingeleitet? 

 

7.         Wenn ja, welche Dienststelle wurde wann damit beauftragt?

 

8.         Wurden seitens des BMJ auch mit den zuständigen Justizstellen in Schweden, Norwegen und Polen der Kontakt aufgenommen?

 

9.         Wenn ja, wann und mit welchem Ergebnis?

 

10.      Wenn nein, warum nicht?

 

11.      Welche weiteren konkreten Schritte und in welchem Zeithorizont sind in Bezug auf LYONESS seitens des BMJ geplant?

 

12.      Sind auch kurzfristige Schritte im Sinne der betroffenen Konsumenten (Geschädigten) seitens des BMJ geplant?

 

13.      Wenn ja, welche konkreten Schritte sind hiebei geplant?

 

14.      Gibt es grundsätzlich eine behördliche Handhabe gegen unlauter agierende Marktteilnehmer, welche – wie im Falle Lyoness gerichtlich festgestellt -  ein Schneeballsystem im Sinne des Gesetzes gegen den Unlauteren Wettbewerb betreiben?

 

15.      Wenn ja, wurden diese Behörden bereits befasst?

 

16.      Wurde die Bundeswettbewerbsbehörde mit der gegenständlichen Causa befasst?

 

17.      Haben Sie Rücksprache mit dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz bezüglich der Causa LYONESS gehalten bzw. stehen Sie diesbezüglich in ständigem Kontakt?

 

18.      Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

 

19.      Haben Sie Rücksprache mit dem Bundesministerium für Finanzen bezüglich der Causa LYONESS gehalten bzw. stehen Sie diesbezüglich in ständigem Kontakt?

 

20.      Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

 

21.      Haben Sie Rücksprache mit dem Bundesministerium für Inneres in Bezug auf die Causa LYONESS gehalten bzw. stehen Sie diesbezügliche in ständigem Kontakt?

 

22.      Wenn ja, mit welchem Ergebnis?

 

23.      Gibt es in Hinblick auf rechtskräftig unterbrochene Verfahren einen „Plan B“ der Justiz, wie mit Geschädigten umgegangen werden kann, die einen möglicherweise berechtigten Anspruch haben, dem aber kein Haftungsfond mehr gegenübersteht?

 

24.      Gibt es Anzeichen einer Insolvenz von Unternehmen aus der Lyoness Gruppe?

 



[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Lyoness

[2] http://diepresse.com/home/wirtschaft/economist/686641/Lyoness_Klage-gegen-pyramidenartiges-System-

[3] ORF Report vom 29.11.2012

[4]http://derstandard.at/1363706464164/Klagswelle-gegen-Lyoness-rollt-an

[5] http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/3279006/causa-lyoness-konsumenten-wollen-geld-zurueck.story

[6] http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/oesterreich/1382434/LyonessKonsumenten-feuern-aus-allen-Rohren

[7] ORF Report: https://www.youtube.com/watch?v=lCciMfazAIg

[8] http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/oesterreich/1392617/Verbandsklage-gegen-Lyoness

[9]http://help.orf.at/stories/1722350/

[10] https://www.wko.at/Content.Node/branchen/ooe/Direktvertrieb/Gewerberelevante-Vorschriften/Multilevelmarketing.html

[11]http://www.nachrichten.at/nachrichten/wirtschaft/Ist-Lyoness-ein-Schneeballsystem-Juristen-uneins-Kunden-unzufrieden;art15,1300757

 

[12] vgl. http://www.fma.gv.at/de/verbraucher/prospekte.html

[13] Schreiben der FMA an Staatsanwalt vom 25.10.2012 (WKStA  zu 14 ST 17/2012, ON 75)

[14] http://www.lotteriinspektionen.se/sv/Press/Nyheter/Lyoness-polisanmals-for-misstankt-pyramidspel/; https://lottstift.no/blog/2013/12/09/lotteritilsynet-skal-vurdere-lyoness/; http://www.uokik.gov.pl/aktualnosci.php?news_id=10854;