2360/J XXV. GP

Eingelangt am 03.09.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

betreffend Gemeinschaftliche Baugruppen

BEGRÜNDUNG

 

Baugruppen oder Baugemeinschaften sind Zusammenschlüsse von Menschen, die gemeinsam und selbstbestimmt Wohnraum zur Selbstnutzung schaffen wollen. Die Mitglieder der Baugruppe können in hohem Maße über ihre zukünftige Wohnung bzw. das Gebäude und die Gemeinschaftseinrichtungen mitbestimmen. Die Selbstbestimmung hat nicht nur bei der Errichtung, sondern auch im laufenden Betrieb große Bedeutung.

Baugemeinschaften haben sowohl für BewohnerInnen als auch für deren unmittelbare Umgebung vielfältige Vorteile.

Der Zusammenschluss von Menschen, die ähnliche Wohnideen haben, macht es ihnen möglich, nach eigenen Vorstellungen und dennoch relativ kostengünstig zu bauen. Dadurch sind auch innovative Bau- und Wohnformen möglich, die am Wohnungsmarkt nur im Luxussektor oder gar nicht angeboten werden. Unter anderem entstehen so städtische Gegenmodelle zum Wegzug ins Einfamilienhaus im Speckgürtel, das für viele Jungfamilien mit mittlerem Einkommen nach wie vor attraktiv, aber für die Siedlungsentwicklung in Österreich massiv schädlich ist. So können auf besondere Bedürfnisse von Kindern oder älteren Menschen Rücksicht genommen und selbst gewählte ökologische Vorstellungen umgesetzt werden. Durch die Selbst- und Mitbestimmung der zukünftigen BewohnerInnen eröffnet sich die Möglichkeit von Innovationen im mehrgeschossigen Wohnbau, der bei Planung für die Bedürfnisse und den Geschmack der noch anonymen BewohnerInnen sonst nur schwer oder unter großem Risiko möglich ist. Darüber führt die gemeinsame Planung zusammen mit den zukünftigen BewohnerInnen zu einer perfekt an deren Bedürfnisse (welche vorher innerhalb der Gruppe diskutiert und entschieden wurden) angepasste Architektur. So wird beispielsweise in vielen Fällen bewusst auf den Bau von später leer stehenden und teuren Stellplätzen verzichtet und stattdessen gemeinschaftlich nutzbarer Raum geschaffen. Auch bei älteren BewohnerInnen kann schon in der Planung auf deren spezifische Situation eingegangen werden, was zu wesentlichen Erleichterungen im Alltag führt.

Baugemeinschaften können zudem auch in Bezug auf den Stadtteil positive Effekte haben, beispielsweise durch nachbarschaftliche Hilfe, Kinderbetreuungsangebote oder die Integration von Randgruppen durch spezifische Angebote. Gerade in Stadterweiterungs- und Stadterneuerungsgebieten wirken sich Baugruppen positiv auf die in vielen Fällen noch karge Stadtumgebung aus. Baugemeinschaften wirken der zunehmenden Individualisierung unserer Gesellschaft entgegen. Insbesondere bei Alleinerziehenden und älteren Menschen helfen sie, Einsamkeit und Isolation zu vermeiden. Durch lebendige Hausgemeinschaften kann der vor allem in Städten immer stärker werdende Trend zur Anonymität und Isolation umgekehrt werden. Gemeinsam geplante und genutzte Räume fördern die soziale Interaktion der BewohnerInnen noch zusätzlich.

In Bezug auf die formale Form des Zusammenschlusses sind Baugruppen unterschiedlich organisiert. Baugruppen schließen sich als Vereine zusammen und bauen selbst oder kaufen oder mieten ein Objekt von einem Bauträger (mit dem sie vorher gemeinsam die Planung gestaltet haben), es gibt aber auch die Möglichkeit von Wohnungseigentümergemeinschaften. Genossenschaften wären eigentlich eine geeignete Form des Zusammenschlusses, allerdings wurden in Österreich Wohnungsgenossenschaften schon seit Jahrzehnten nicht mehr gegründet; ein (kleinstrukturiertes) Wohnungsgenossenschaftswesen außerhalb der Wohnungsgemeinnützigkeit gibt es in Österreich nicht, ganz im Unterschied zu Deutschland und der Schweiz.

In Österreich gibt es zwar schon einige Beispiele für Baugemeinschaften, die allerdings alle als Pionierprojekte zu betrachten sind und von öffentlicher Seite noch wenig explizite Unterstützung erhalten. In Österreich fehlen sowohl das politische Bekenntnis zur Unterstützung gemeinschaftlicher Baugruppen als auch effektive Maßnahmen, um die Umsetzung konkreter Projekte zu erleichtern. Da es in den Wohnbauförderungen der Länder keine Förderkategorie für gemeinschaftliche Baugruppen gibt, müssen diese, in sowohl für Förderwerber als auch für Fördergeber aufwendigen und komplizierten Verfahren, über Umwege um Fördergelder ansuchen. Ob ein Projekt tatsächlich Anspruch auf Fördergelder hat, ist nicht abgesichert und somit ein wesentlicher Unsicherheitsfaktor bei der Umsetzung eines gemeinschaftlichen Bauprojekts. Eine eigene Förderschiene - inklusive bisher fehlender Beratungsleistungen - zur Unterstützung von gemeinschaftlichen Baugruppen in den Bundesländern wäre daher ein erster wichtiger Schritt. Eine wesentliche Hürde für die Realisierung von Projekten ist darüber hinaus die Verfügbarkeit von günstigem Baugrund. Ein zentrales Instrument wäre in diesem Fall die Reservierung von Grundstücken für gemeinschaftliche Baugruppen zu den Grundstückspreisen des herkömmlichen geförderten Wohnbaus.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Sind Ihnen die vielfältigen positiven Auswirkungen von gemeinschaftlichen Baugruppen für BewohnerInnen, unmittelbare Umgebung sowie Stadtplanung bekannt?

 

2)    Wie viele Projekte von gemeinschaftlichen Baugruppen gibt es derzeit in Österreich?

 

3)    In welchen Stadien der Umsetzung befinden sich diese Projekte

 

4)    Welche Probleme und Hindernisse bei der Umsetzung von Projekten solcher Baugruppen wurden von Ihrem Resorts identifiziert?

 

5)    Angesichts der vielfältigen Vorteile von Baugruppen und angesichts der immer weiter fortschreitenden Zersiedelung durch Einfamilienhäuser, welche konkreten Maßnahmen haben Sie gesetzt, um diese Form des Bauen und Wohnens zu unterstützen?

 

6)    Angesichts der vielfältigen Vorteile von Baugruppen und angesichts der immer weiter fortschreitenden Zersiedelung durch Einfamilienhäuser, welche konkreten Maßnahmen werden Sie in Zukunft setzen, um diese Form des Bauen und Wohnens zu unterstützen?

 

7)    Gibt es zu diesem Thema einen Dialog mit den Bundesländern?

 

8)    Wenn ja, wie ist dieser Dialog strukturiert, welchen Zeitplan verfolgt er und wie sind die Verantwortlichkeiten aufgeteilt?

 

9)    Wenn nein, werden Sie mit den Bundesländern in Kontakt treten, um an Maßnahmen zur Unterstützung gemeinschaftlicher Baugruppen zu arbeiten?