2362/J XXV. GP

Eingelangt am 03.09.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Preistreiber Stellplatzverordnung

BEGRÜNDUNG

 

Der Zwang zur Errichtung eines Stellplatzes für jede Wohneinheit wurde durch die nationalsozialistische Reichsgaragenverordnung aus dem Jahr 1939 eingeführt. Das explizite Ziel dieser Verordnung war die Förderung der Motorisierung.

Durch den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel, Fahrrad und Car-Sharing verzichten immer mehr Menschen in Österreich vor allem im städtischen Bereich auf den Besitz eines eigenen Autos. Die Anzahl der PKWs im Verhältnis zur Bevölkerungszahl sinkt in größeren Städten wie Wien und Graz seit einigen Jahren. Für viele Menschen entfällt daher auch die Notwendigkeit eines eigenen Parkplatzes. Konträr zu dieser Entwicklung schreiben Stellplatzverordnungen in den meisten österreichischen Bundesländern die Errichtung zumindest eines PKW-Stellplatzes pro neu gebaute Wohnung vor. Darüber hinaus haben die Gemeinden zumeist die Möglichkeit, eine höhere Zahl an Stellplätzen pro Wohneinheit vorzuschreiben.

Eine nicht bedarfsorientierte und zwanghafte Errichtung von teuren unterirdischen Stellplätzen führt zu vermeidbaren Kosten im Wohnbau. Die durchschnittlichen Errichtungskosten für einen Stellplatz im Untergeschoss betragen in etwa 18.000 bis 25.000 Euro. Alleine in den Wiener Genossenschafts-Wohnanlagen stehen derzeit 9.000 PKW-Stellplätze leer (Quelle: http://derstandard.at/1363710562791/Der-Qualitaetswahnsinn-und-seine-neuen-Feinde?seite=2#forumstart). Das entspricht vermeidbaren Errichtungskosten von etwa 162 Millionen Euro. Zuzüglich mehrerer Millionen Euro Erhaltungskosten entstehen auf diese Weise gerade im geförderten Neubau erhebliche Mehrkosten durch überdimensionierte Tiefgaragen.

Durch Stellplatzverpflichtungen werden Mittel aus der Wohnbauförderung zur Errichtung von Verkehrsflächen verwendet. Während eine solche Zweckentfremdung dieser knappen Budgetmittel für sich genommen schon fragwürdig erscheint, ist eine Finanzierung von leerstehenden Parkplätzen durch Gelder, die eigentlich zur Schaffung von Wohnraum unter sozialen und ökologischen Gesichtspunkten vorgesehen sind, nicht mehr vertretbar.

Schon die Österreichische Energiestrategie (2010) kritisierte, dass „aufgrund der gesetzlichen Stellplatzpflicht…Abstellplätze unabhängig vom Bedarf errichtet (werden). Die Kosten für die Errichtung der Parkplätze im Wohnbau schlagen sich in den Wohnungskosten nieder und werden daher von allen Wohnungsinhabern getragen, auch von jenen, die ihren Abstellplatz nicht nutzen“. Bewohner ohne eigenem Auto werden durch Stellplatzverpflichtungen indirekt gezwungen, für die Errichtung von Garagenplätzen zu zahlen, die sie selbst nicht benutzen. Auf diese Weise kommt es indirekt zu einer Subventionierung des Autoverkehrs von Nutzern anderer Verkehrsmittel.

Die Energiestrategie schlug deshalb unter anderem eine „Reform und bundesweite Harmonisierung der Stellplatzverordnungen“ mit dem Ziel einer Verankerung des Verursacherprinzips vor. „Der Wegfall bzw. die Differenzierung der Verpflichtung zur Errichtung von Stellplätzen im Wohnbau“ sollte unter anderem von der Qualität des Öffentlichen Verkehrs abhängig gemacht werden.

Auch die Maßnahmenvorschläge im Rahmen der Umsetzung des Österreichischen Klimaschutzgesetzes (WIFO, Wegener Zentrum und UBA, 2012) beinhalteten neben dem Ausbau der Parkraumbewirtschaftung „die Harmonisierung und Reform der Stellplatzverordnung mit Maximalgrenzen statt Mindesterfordernissen“ sowie eine Einbeziehung der ÖV-Erschließung.

Zuletzt wird die Notwendigkeit zur Reform der Stellplatzverpflichtung auch im aktuellen Arbeitsprogram der österreichischen Bundesregierung erwähnt. Unter dem Punkt „Leistbares Wohnen“ soll als Maßnahme zur Senkung der Baukosten eine „pragmatische  Überprüfung  der  Auflagen  (z. B.  Stellplatzverpflichtung,  Notkamine) beim Neubau und insbesondere bei Umbauten im Bestand…“ durchgeführt werden.

In vielen österreichischen Gemeinden gibt es mittlerweile Bestrebungen, die Stellplatzverpflichtungen zu reformieren. Die grundsätzliche Möglichkeit von behördlichen Ausnahmen zur Unterschreitung der jeweiligen Stellplatzverpflichtungen gibt es zwar schon in einigen Fällen (z.B. Innsbruck), die Anwendung ist aber insbesondere aus Sicht des Bauträgers in Bezug auf die Planbarkeit von Projekten wenig praktikabel. In Wien wurde die Verpflichtung, einen Stellplatz pro neu gebauter Wohneinheit zu errichten, auf einen Stellplatz pro 100m2 neu gebauter Wohnfläche geändert. Für die Gemeinde Dornbirn wurden gemäß Vorarlberger Stellplatzverordnung in einer Kernzone zusätzlich zu den Mindestwerten auch Höchstwerte für die maximal zulässige Anzahl von Stellplätzen beschlossen.

In einigen deutschen Städten (die auch in der Tradition der Reichsgaragenverordnung stehen) wie zum Beispiel Hamburg, wurde die Stellplatzverordnung mittlerweile gänzlich gestrichen.

Eine Reform der Stellplatzverordnungen unter Berücksichtigung der regionalen Unterschiede, die sowohl dem Verursacherprinzip als auch den Anforderungen einer ökologischen und sozialen Wohnbau-, Raumordnung-, und Verkehrspolitik Rechnung trägt, erscheint angebracht.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie viele leerstehende KfZ-Stellplätze in Wohngebäuden gibt es insgesamt in Österreich?


2)    Wird im Rahmen der Meldeflicht der Bundesländer über die Verwendung der Wohnbaufördermittel auch über Ausgaben und/oder Einsparungsmöglichkeiten in Zusammenhang mit KfZ-Stellplätzen berichtet?

3)    Wie hoch ist der Leerstand bei den KfZ-Stellplätzen im geförderten Wohnbau?

4)    Wie hoch ist die Auslastung der KfZ-Stellplätze im geförderten Wohnbau?

5)    Wie groß wäre das Einsparungspotential bei den Wohnbaufördermitteln, wenn die Stellplatzverpflichtung an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden würde?

6)    Welche konkreten Maßnahmen zur Reform der Stellplatzverordnung, die in der Österreichischen Energiestrategie („Umsetzung: Bund und Länder“) angeführt sind, hat Ihr Resorts seit dem Jahr 2010 umgesetzt? Welche zusätzlichen Maßnahmen Ihres Resorts sind in diesem Zusammenhang geplant?

7)    Welche konkreten Maßnahmen der Maßnahmenvorschläge im Rahmen der Umsetzung des Österreichischen Klimaschutzgesetzes (WIFO, Wegener Zentrum und UBA, 2012), hat Ihr Resorts seit dem Jahr 2012 umgesetzt? Welche zusätzlichen Maßnahmen Ihres Resorts sind in diesem Zusammenhang geplant?

8)    Laut ihrem aktuellen Arbeitsprogram plant die österreichische Bundesregierung eine „pragmatische  Überprüfung  der  Auflagen  (z. B.  Stellplatzverpflichtung,…) zur Senkung der Baukosten.

a.    Wurde diese Überprüfung bereits durchgeführt?

b.    Wenn ja, zu welchen Ergebnissen hat diese Überprüfung geführt?

c.    Welche konkreten Maßnahmen wurden aufgrund dieser Ergebnisse umgesetzt bzw. welche konkreten Maßnahmen sind diesbezüglich geplant?

d.    Wenn nein, wann und auf welche Weise wird diese Überprüfung durchgeführt?

9)    Haben Sie zum Thema „leistbares Bauen und Wohnen“ im Allgemeinen und der Stellplatzverordnung im Speziellen Gespräche mit den Bundesländern geführt?

a.    Wenn ja, zu welchen Ergebnissen haben diese Gespräche geführt?

b.    Wenn nein, werden Sie mit den Bundesländern in Kontakt treten, um einen Dialog zu diesem zu führen?

10) Welche sonstigen konkreten Maßnahmen haben Sie in Bezug auf leistbares Bauen und Wohnen gesetzt?