2561/J XXV. GP

Eingelangt am 24.09.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Josef Schellhorn, Kollegin und Kollegen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Telekom Austria AG / Syndikatsvertrag ÖIAG & America Movil

In den letzten Monaten wurde die Serie von „Pleiten, Pech & Pannen“, von der die Telekom Austria AG seit ihrer (Teil-)Privatisierung in den späten 1990ern konsequent begleitet wird, um eine neue Facette bereichert: Der nunmehr vollzogene Einstieg der America Movil des Multimilliardärs Carlos Slim als neuer, bestimmender Hauptaktionär der Telekom Austria AG wird – nach gewohntem Muster – als der Beginn einer neuen Erfolgsgeschichte dargestellt.

Die medienbekannten Umstände und Details dieses „Deals“ (z. B. das höchstnotpeinliche Chaos der AR-Sitzung der ÖIAG vom 23. April 2014) lassen jedoch bereits jetzt befürchten, dass der Erfolg wieder einmal nicht eintreten wird, zumindest nicht für die ÖIAG (d.h. die österr. Bürger und Steuerzahler) und auch nicht für die Klein-Aktionäre der Telekom Austria AG. Hier kurz einige dieser typischen „Leider-dann-doch-nicht-Erfolgsgeschichten“ aus der bewegten Historie der Telekom Austria AG:

 

-       Der 1997 gefeierte „strategische Partner“ Telecom Italia steigt 2004 aus

-       Der Börsengang 2000 wird kein Erfolg (enttäuscht mit nur 9 EUR pro Aktie)

-       Die viele Mio EUR teure Marke „jet2web“ aus 2000 wird 2002 eingestampft

-       2011 wird die Telekom-Affäre publik („Bankomat der Politik“ von 2004 – 2006)

-       Delisting von der Börse in New York im Jahr 2007

-       Unzählige teure Umfirmierungen und Ein-/Ausgliederungen (Mobilkom/A1)

-       Das „erfolgreiche“ Ost-Geschäft wird zum Millionengrab (Bulgarien, etc.)

-       2011 taucht kurz der ägyptische Investor Naguib Sawiris auf, 2012 wieder ab

-       Eher als Notaktion denn strategisch: Ronny Pecik holt 2012 Carlos Slim

-       Der Einstieg von America Movil erfolgt zögerlich, ist erst 2014 abgeschlossen

 

Hinzu kommt, dass die Telekom Austria AG in den letzten Jahren u. A. durch eine verfehlte Dividendenpolitik (hohe Ausschüttungen um jeden Preis trotz magerer operativer Gewinne) finanziell komplett ausgezehrt wurde, und nun dringend neues Eigenkapital braucht, um überleben zu können.


Durch die Mehrheits-Übernahme seitens America Movil am 10.07.2014 mit 50,8% ist die 2000 beworbene „Volksaktie“, die nach dem Börsengang mit über 90.000 Kleinaktionären und in besten Zeiten bis zu 70% Streubesitz („Free Float“) der stärkste Publikumstitel an der Wiener Börse war, endgültig Geschichte: Die Ziele aus den damaligen Regierungsprogrammen und die ÖIAG-Vorgaben wurden klar verfehlt: "Oberstes Ziel war die Erschließung eines möglichst breiten, mittelfristig orientierten Aktionärskreises. Der Börsengang der Telekom Austria wird der Wiener Börse und der Aktienkultur in Österreich einen wichtigen Impuls geben" (Zitat aus einer Publikation der Telekom Austria AG vom 02.11.2000 zum bevorstehenden Börsengang).

Bleibt nur die Hoffnung, mit der Machtübernahme durch America Movil die Telekom Austria AG wenigstens finanziell zu stabilisieren. Der Preis dafür ist die Kontroll-Abgabe an den neuen Hauptaktionär, der praktisch alle wesentlichen operativen und strategischen Entscheidungen in Zukunft alleine treffen kann. Der am 14.08.2014 neu gewählte Aufsichtsrat ist mit 8 Vertretern der America Movil von dieser dominiert. Die ÖIAG ist mit 28,42% zwar zweitgrößter Aktionär, stellt jedoch nur 2 Aufsichtsräte, einer davon ist der Vorsitzende, die Position von nur mehr einem Stellvertreter geht an die America Movil.

Einen unabhängigen Kleinanleger-Vertreter als Aufsichtsrat (z. B. vom IVA gestellt), der die Interessen der noch verbleibenden rund 20 - 25% an Kleinanlegern vertritt, gibt es nicht. Es ist als Versagen der ÖIAG als Beteiligungsholding des Staates (d.h. der Bürger) zu werten, dass im Rahmen dieser Partnerschaft ÖIAG-America Movil kein Kleinanleger-Vertreter in den Aufsichtsrat der Telekom Austria AG reklamiert wurde, obwohl der „Free Float“ etwas gleich stark ist wie die ÖIAG, also rein rechnerisch sogar 2 Aufsichtsräte stellen sollte.

Auch die bei der Hauptversammlung beschlossene Kapitalerhöhung von 1 Mrd. Euro wirft Fragen auf. Laut Kemler will die ÖIAG mindestens die 25%+1 Anteil halten und bei der Kapitalerhöhung mitziehen „um die Sperrminorität nicht verwässern zu lassen.“

Kernstück der Partnerschaft ÖIAG mit America Movil ist der Syndikatsvertrag, der am 23. April 2014 abgeschlossen wurde und am 27. Juli 2014 Rechtskraft erlangte (Eintritt der aufschiebenden Bedingungen). Dieser Vertrag wurde bis dato nur auszugsweise offen gelegt.

Die aktuelle Lage rund um die Telekom Austria AG ist daher äußerst unklar und es gibt berechtigten Informationsbedarf im Hinblick auf die Zukunft dieser (ehemaligen) „Volksaktie" bzw. das nach wie vor teilstaatliche Unternehmen Telekom Austria AG.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass den Anfragesteller_innen die am 18.08.2018 eingelangte Beantwortung der parlamentarischen Anfrage der Frau Abgeordneten Gabriele Moser, Freundinnen und Freunde vom 18.06.2014 bekannt ist. Dazu ist festzuhalten, dass der damalige Herr Bundesminister für Finanzen die Fragen mit unzutreffenden Begründungen keinesfalls erschöpfend beantwortet hat.

Der damalige Finanzminister argumentiert in seiner Beantwortung der oben zitierten Anfrage der Grünen völlig unzutreffend, dass er sich nur „im Einverständnis mit der ÖIAG“ äußern kann“. Er bemüht dabei den § 9 des ÖIAG-Gesetzes 2000, der jedoch aus nachvollziehbaren Motiven keine Regelungen zu Auskunftsrechten trifft, weil diese bereits an anderer Stelle, nämlich im Aktiengesetz (AktG), umfassend geregelt sind und somit selbstverständlich auch für die Republik Österreich als Alleineigentümerin der ÖIAG gelten.


Das ÖIAG-Gesetzt definiert – im Einklang mit dem AktG – vielmehr den konkreten Auftrag der ÖIAG und sichert (z. B. durch die Selbsterneuerung des Aufsichtsrates) ungewünschte politische Einflussnahme durch den Alleineigentümer bzw. dessen Vertreter, dem Finanzminister. D.h. der Aufsichtsrat der ÖIAG ist großteils weisungsfrei gestellt, jedoch nicht von seinen im AktG geregelten Auskunftspflichten befreit.

Aus dem offenen Firmenbuch ist ersichtlich, dass am 26.06.2014 die 44. ordentliche Hauptversammlung der ÖIAG stattgefunden hat. Der Finanzminister als Vertreter des 100% Alleineigentümers Republik Österreich entsandte Herrn MR Dr. Johannes RANFTL zu dieser Hauptversammlung und es ist unverständlich, warum die Fragen der parlamentarischen Anfrage der Grünen vom 18.06.2014 dem Herrn MR Dr. Ranftl nicht mitgegeben wurden, mit dem klaren Auftrag, dem Parlament alle gestellten Fragen ordnungsgemäß zu beantworten. Dass dies nicht erfolgte, ist eine klare Missachtung des im § 90 NR-GOG 1975 determinierten Interpellationsrechtes, denn die ÖIAG ist KEINE Privatfirma, sondern immer noch 100% Eigentum dieser Republik und somit auch den dazu gesetzlich befugten Repräsentanten vollinhaltlich auskunftspflichtig. Das Fragerecht betrifft ausdrücklich auch Unternehmen im Mehrheitseigentum des Bundes.

Es darf dabei darauf hingewiesen werden, dass der Syndikatsverlag zum Zwecke der Prüfung auf Gesetzmäßigkeit bereits auch anderen staatlichen Einrichtungen wie z. B. der Telekommunikations-Regulierungsbehörde und der Bundeswettbewerbs-behörde und vermutlich auch der FMA vorgelegt werden musste. Dass dieser Vertrag eines Staatsbetriebes dem Parlament vorenthalten wird, ist nicht erklärlich.

Sollten daher die im Rahmen der vorliegenden Anfrage erbetenen Unterlagen und Informationen dem Finanzminister (noch) nicht oder nicht vollständig vorliegen, wird angeregt, diese bei der ÖIAG unter Verweis auf die Eigentümer-Rechte der Republik anzufordern. Bleibt dies erfolglos, wäre eine außerordentliche Hauptversammlung der ÖIAG einzuberufen, um dort im Rahmen des Fragerechts als Alleinaktionär die notwendigen Unterlagen und Informationen einzuholen, um diese im Rahmen der gegenständlichen Anfrage weiterzugeben.

Darüber hinaus rechtfertigen die zwischenzeitlichen Ereignisse rund um die Telekom Austria AG eine neuerliche Anfrage zum Thema „Syndikatsvertrag“. Hier ist z. B. der im Juni bzw. Anfang Juli 2014 erfolgte Rücktritt des gesamten Aufsichtsrates (konkret alle 9 Kapitalvertreter; die 5 Belegschaftsvertreter sind bekanntlich vom Betriebsrat entsandt) der Telekom Austria AG zu nennen. Ein solches singuläres Ereignis hat es in den letzten Jahren bei keiner anderen Aktiengesellschaft in Österreich gegeben.

Aus all diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehende

Anfrage:

 

1.    Liegt Ihnen der Syndikatsvertrages zwischen der ÖIAG und der America Movil bzw. deren Konzerntöchtern in ungekürzter Fassung (angeblich 33 Seiten) vor?

a)    Wenn ja, welchen Inhalt hat dieser? (der Vollständigkeit halber ersuchen wir um eine Kopie des Vertrages samt aller Anlagen, Zusätze, etc; sollte das Original in Englisch sein, wird auch um eine Übersetzung ins Deutsche ersucht)

b)    Wenn nein, weshalb nicht?


2.    Sollte Ihnen der Syndikatsvertrages zwischen der ÖIAG und der America Movil bzw. deren Konzerntöchtern in ungekürzter Fassung (angeblich 33 Seiten) nicht vorliegen, welche Möglichkeiten bestehen aus Ihrer Sicht, sich diesen als Vertreter der Eigentümerrechte der Republik gegenüber der ÖIAG vorlegen zu lassen?

3.    Liegen Ihnen Analysen, Stellungnahmen und Empfehlungen von etwaig beigezogenen Fach-, Steuer- und Rechts-Experten sowie die Beurteilung des Aufsichtsrates, die zur Entscheidung geführt haben, diesen Syndikatsvertrag abzuschließen, vor bzw. welche Möglichkeiten haben Sie diese anzufordern und welchen Inhalt haben diese (Bitte in Kopie dieser Anfragebeantwortung beilegen)?

4.    Liegen Ihnen alle Aufsichtsratsprotokolle der ÖIAG vor, die in Zusammenhang mit dem Syndikatsvertrag mit America Movil stehen, sowie alle Berichte oder Stellungnahmen des Vorstandes der Telekom Austria AG zu diesem Thema vor bzw. welche Möglichkeiten haben Sie diese anzufordern und welchen Inhalt haben diese (Bitte in Kopie dieser Anfragebeantwortung beilegen)?

5.    Was waren die Motive für die ÖIAG, einem einzigen dominierenden Hauptaktionär (America Movil) den Vorzug vor dem Streubesitz (Publikum/Volksaktie) von ca. 70% zu geben?

6.    Ist es aus Ihrer Sicht zutreffend, dass America Movil ohne Syndikatsvertrag mit der ÖIAG sicher nicht die Mehrheit an Aktien erworben hätte?

7.    Weshalb ist die Partnerschaft mit America Movil so attraktiv, zumal sich am Beispiel der Telecom Italia die strategische Wertlosigkeit einer solchen Partnerschaft ja bereits gezeigt hat?

8.    Warum ist der gesamte gewählte Aufsichtsrat (9 Kapitalvertreter, 1 AR war zu dem Zeitpunkt leider verstorben) der Telekom Austria AG unmittelbar nach der letzten ordentlichen Hauptversammlung geschlossen zurückgetreten, obwohl deren Mandate noch bis Mitte 2018 gültig waren?

9.    Warum wurde dieser Rücktritt nicht sofort und öffentlich bekannt gemacht? (Laut informeller Anfrage bei der FMA ist dieser Umstand zweifelsfrei ein Anlassfall für eine Ad-hoc-Mitteilung an alle Aktionäre und an die Öffentlichkeit)

10. Warum wurden auf Betreiben der ÖIAG und der America Movil (also des „Syndikats“) 4 der 9 zurückgetretenen Aufsichtsräte, darunter auch Herr Ing. Rudolf Kemler von der ÖIAG, unmittelbar wieder gewählt?

11. Standen die Rücktrittsgründe einer Wiederwahl nicht entgegen?

12. Warum hat die ÖIAG im Rahmen des Syndikatsvertrages mit America Movil nicht vereinbart, dass die rund 20-25% Kleinanleger im Aufsichtsrat einen Vertreter (z. B. gestellt vom IVA) erhalten?

13.  Ist Ihnen die Anfechtungsklage von Aktionär_innen gegen Beschlüsse der aoHV vom 14.08.2014 bekannt und welche Stellungnahme geben Sie bzw. die ÖIAG dazu ab?