2569/J XXV. GP

Eingelangt am 24.09.2014
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Nurten Yilmaz, Dr. Klaus Uwe Feichtinger

und Genossinnen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend die weitere Vorgangsweise beim umstrittenen § 274 StGB (Landfriedensbruch)

Von der Vorgängerin des derzeitigen Justizministers wurde im Februar 2013 eine Arbeitsgruppe eingesetzt mit dem Ziel, einen Bericht darüber zu verfassen, welche Änderungen im StGB für erforderlich erachtet werden, um die seit dem Inkrafttreten des StGB 1975 eingetretenen Veränderungen der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, insbesondere der Werte und Haltungen, aber auch des technischen Fortschritts im gerichtlichen Strafrecht so abzubilden, dass es auf gesellschaftliche Akzeptanz und Verständnis stößt und auf diese Weise in vollem Umfang die erforderliche Präventionswirkung entfalten kann („StGB 2015“)

Vor wenigen Tagen wurde dem Nationalrat der Bericht des Bundesministers für Justiz über die Fortschritte der Reformgruppe zum Strafgesetzbuch aufgrund der Entschließung des Nationalrates vom 29. April 2014 E17-NR/XXV.GP übermittelt.

In diesem 46 Seiten umfassenden Bericht werden zahlreiche wichtige Themen und Paragraphen des StGB behandelt, nicht aber der in jüngerer Zeit in der Öffentlichkeit heftig diskutierte § 274 StGB (Landfriedensbruch).

Dies scheint insofern verwunderlich, als die in der Einleitung des Berichtes und auch dieser Anfrage zitierte „gesellschaftliche Akzeptanz“ für diese Strafbestimmung in der geltenden Fassung in erheblichem Maße nicht mehr vorhanden sein dürfte.

Von nahezu allen Parteien und auch vom Bundesminister für Justiz wurde in jüngerer Zeit bekundet, dass die Bestimmungen betreffend „Landfriedensbruch“ überarbeitet bzw. geändert werden sollen, zum Teil wurde auch die ersatzlose Abschaffung gefordert.

Von wissenschaftlicher Seite wurde vorgebracht, dass sich diese Bestimmung in einem Spannungsverhältnis mit der Versammlungsfreiheit und der Demonstrationsfreiheit befinde.

Als besonders bedenklich wird gesehen, dass man unter diese Strafbestimmung dadurch fallen kann, dass man „wissentlich an einer Zusammenrottung einer Menschenmenge teilnimmt, die darauf abzielt“, dass unter ihrem Einfluss gewisse Straftaten begangen werden, auch wenn man sich selbst überhaupt nicht an den Gewalttaten oder der schweren Sachbeschädigung beteiligt. Zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein, kann demnach bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bringen.

In den letzten Monaten wurde die Diskussion zu dieser Strafbestimmung insofern noch verschärft, als sie nahezu ausschließlich auf Fußballfans und Demonstrantlnnen angewendet wurde - was nicht der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers entspricht.

Vor wenigen Tagen wurden etwa wieder 22 Fußballfans in erster Instanz wegen des Tatbestandes des Landfriedensbruches verurteilt.

Von Rechtsanwälten wurde im Zuge der gegenständlichen Debatte auch der Vorwurf erhoben, dass der Eindruck entstanden sei, dass nicht das Gericht den Betroffenen die Schuld nachweisen müsse - was Grundsatz unserer Strafrechtsordnung ist - sondern dass anscheinend die Angeklagten und Beschuldigten sich „frei beweisen“ müssten. Diese Umkehr der Beweislast ist mit unseren Strafrechtsprinzipien nicht vereinbar.

Vom Herrn Bundesminister für Justiz wurde in jüngerer Zeit eine Reform dieser Strafbestimmung im nächsten Jahr angekündigt. Aufgrund der gesellschafts­politischen Brisanz und aufgrund der Tatsache, dass es nicht im Interesse des Rechtsstaates liegen kann, dass Menschen aufgrund einer Bestimmung, deren gesellschaftliche Akzeptanz zu Recht nicht mehr gegeben ist, verurteilt werden,

richten die Unterzeichneten Abgeordneten daher an den Herrn Bundesminister für

Justiz nachstehende

Anfrage:

1.      Warum wurde von der Arbeitsgruppe § 274 StGB (Landfriedensbruch) überhaupt nicht behandelt?

2.      Teilen Sie die Auffassung, dass aus den in der Begründung der Anfrage dargelegten Gründen eine von nahezu allen Seiten erforderlich erachtete Änderung von § 274 StGB (Landfriedensbruch) rasch erfolgen und man nicht auf die große Reform „StGB 2015“ warten sollte?

3.      Teilen Sie die Auffassung, die von wissenschaftlicher Seite vorgebracht wurde, dass die Bestimmung des § 274 StGB (Landfriedensbruch) in einem Spannungsverhältnis mit der Versammlungsfreiheit und der Demonstrations­freiheit steht?

4.      Gegenüber wie vielen Personen wurde in Ihrer Amtszeit Anklage wegen § 274 StGB (Landfriedensbruch) erhoben?

5.      In wie vielen Fällen wurde von Ihnen bei diesen Fällen eine Weisung erteilt?

6.      Falls Weisungen im gegebenen Zusammenhang erteilt wurden: Welchen Inhalts waren diese Weisungen?

7.      Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die Bestimmung des § 274 StGB (Landfriedensbruch) nahezu ausschließlich auf Fußballfans und Demonstrantlnnen angewendet wird?