2983/J XXV. GP

Eingelangt am 05.11.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Alev Korun, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend unsachliches Sachverständigengutachten im Fall Bakary J.

BEGRÜNDUNG

 

Die Geschichte um die Folterung von Herrn J. nach einem gescheiterten Abschiebeversuch 2006 durch drei WEGA-Polizisten ging jahrelang durch die Medien und ist hinlänglich bekannt. Trotz eindeutiger Fotos, die die Verletzungen von Herrn J. zeigten dauerte es Jahre bis die Polizisten wegen Quälen eines Gefangenen zu bedingten Haftstrafen verurteilt wurden. Erst 2013 erfolgte eine offizielle Entschuldigung durch das Innenministerium für die Folter von Herr J.

Nun wird offensichtlich von den verurteilten Polizisten die Wiederaufnahme des Verfahrens angestrebt, wozu auch ein Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Herr Dr. Loimer herangezogen wird.

Dieses Gutachten scheint in hohem Maße unprofessionell. Es fällt auf, dass die nun darin angeführte Behauptung, Herr J. wäre gar nicht traumatisiert, ohne irgendwelche stichhaltigen Beweise postuliert wird. Als einziger Hinweis wird vage auf ein anderes Gutachten verwiesen, das jedoch ebenfalls aussagt, dass die Traumatisierung von 2006 eine wesentliche ist. Zahlreiche wertende Äußerungen des Sachverständigen zu Herr J.s früherem Privatleben („die Angaben, die Herr J. zu dieser Dame [seiner Ex-Ehefrau, Anmk. des Autors] macht, sind äußerst dubios“) und zur „kulturspezifischen Einstellung“ Herr J.s erwecken den Eindruck von grundsätzlicher Voreingenommenheit. Auch folgt eine halbseitige Abhandlung im Stile eines Asylrichters darüber, weshalb der Gutachter nicht nachvollziehen könne, dass Herr J. von Gambia geflohen sei, da es „sich um ein sehr sicheres Jahr gehandelt hat, als der Kläger nach Österreich gekommen ist“. Dass diese Inhalte nicht Gegenstand der Untersuchung sind, lässt der Gutachter unberücksichtigt. Dafür ist die psychiatrische Aussage dann umso spärlicher gefasst. Insgesamt erweckt das Gutachten den Eindruck von Kompetenzüberschreitung und unverhohlener Voreingenommenheit.

Dieses Gutachten soll nun anscheinend von den vier Polizisten verwendet werden, um eine Neuaufnahme des Strafverfahrens zu erwirken.


Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE

 

1)    Welche konkreten Anforderungen gibt es derzeit seitens des Justizministeriums an psychiatrische Sachverständige bei dem Verfassen eines gerichtlichen Gutachtens (Inhalte, Objektivität, Länge, Mindestdiagnosepunkte)?

 

2)    Wie oft kam es in den Jahren 2005 bis 2015 zu einem Ablehnungsantrag einer Partei bezüglich gerichtlich bestellter Sachverständiger in Strafverfahren (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren)?

 

3)    Wie oft kam es in den Jahren 2005 bis 2015 zu einer Entsprechung dieser Ablehnungsanträge durch den Richter/ die Richterin (bitte um Aufschlüsselung nach Jahren)?

 

4)    Wie oft wurde der oben genannte Sachverständige von den Strafgerichten bereits mit der Verfassung von Gutachten beauftragt? Gab es diesbezüglich bereits Ablehnungsanträge? Falls ja, wie wurden diese entschieden?

 

5)    Ist es in psychiatrischen Gutachten üblich, dass sachfremde Inhalte, wie zB die Rechtfertigung von politischen Fluchtgründen, vom Sachverständigen einer ausführlichen Kommentierung unterzogen werden?

 

6)    Ist es in psychiatrischen Gutachten üblich, dass die Fluchtgründe einer Person, die in keinem kausalen Zusammenhang mit einer Folterung danach stehen, vom Sachverständigen neu bewertet werden?

 

7)    Entsprechen generelle Pauschalverweise auf „kulturspezifische Einstellungen“, die angeblich zu einer „massiven Verbitterung“ infolge von Folterung führen (S.5 des Gutachtens, zwei letzte Sätze) tatsächlich dem Qualitätsstandard bzw. der Anforderung an fachliche Objektivität eines psychiatrischen Gutachters/Gutachtens?

 

8)    Inwiefern ist die nicht weiter ausgeführte Behauptung „Es liegen keinerlei objektive Behandlungsergebnisse bzw. Behandlungsberichte nach der Folterung im April 2006 vor, die die Annahme einer schweren Traumatisierung stützen würden“ (S. 4 des Gutachtens) schlüssig, wenn alle im selben Gutachten angeführten, voran gegangenen Befunde und Behandlungsberichte seit 2006 eben eine solche posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert haben?


9)    Wie schätzt das Justizministerium die Qualität des vorliegenden Gutachtens ein?

 

10) Was genau unternimmt das Justizministerium, um die Qualität von Sachverständigengutachten, vor allem in einem so heiklen Bereich wie der Psychiatrie, sicherzustellen? Gibt es diesbezüglich Evaluierungen? Falls ja, bitte um Beifügung.