2990/J XXV. GP

Eingelangt am 05.11.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Steinbichler, Ing. Dietrich

Kolleginnen und Kollegen

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft

betreffend „Herkunftskennzeichnung für Verarbeitungsfleisch“

 

Die Agrarmarkt Austria Marketing GmbH (AMA) hat gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) ein Rindfleischkennzeichnungssystem etabliert, das System „bos“. Dieses Kennzeichnungssystem wurde aufgrund einer EU-Verordnung aus dem Jahr 2000 zur Kennzeichnung von Rindern und Rindfleisch etabliert. Anlassfall für die EU-Verordnung war der bekannte BSE-Skandal der 1990er Jahre mit der anschließenden schweren Vertrauenskrise der Konsumenten.

An diesem Rindfleischkennzeichnungssystem nehmen laut AMA österreichweit ca. 90% der Schlacht- und Zerlegebetriebe, ca.10% der gewerblichen Fleischer sowie rund 80% des Lebensmitteleinzelhandels teil. In Österreich gibt es derzeit 57 Markenprogramme, die sich nach der AMA-Richtlinie „bos“ ausrichten. Analog zur Rindfleischkennzeichnung wurde von der AMA das auf freiwilliger Teilnahme basierende Schweinefleischkennzeichnungssystem „sus“ entwickelt. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1337/2013 vom 13. Dezember 2013 wurden verbindliche Regelungen für die Herkunftskennzeichnung von Schweine-, Geflügel und Schaffleisch geschaffen. Trotzdem richten sich lediglich 15 Markenprogramme in Österreich an der AMA-Richtlinie „sus“ aus.

Rindfleisch, das als so genanntes Verarbeitungsfleisch angeboten wird, unterliegt ebenfalls der Kennzeichnungspflicht. Für Verarbeitungsfleisch aus Schweinefleisch besteht diese Kennzeichnungspflicht nicht. Verarbeitungsfleisch ist aufbereitetes Fleisch, das in der Herstellung von Fertigprodukten Verwendung findet.

2013 wurden laut Statistik Austria bundesweit insgesamt 623.000 Rinder und 69.100 Kälber geschlachtet. Dabei fielen 222.000 Tonnen Rindfleisch und 7.100 Tonnen Kalbfleisch an. Ebenso wurden 5.432.000 Schweine, 286.000 Schafe und Lämmer, 54.400 Ziegen und Kitze sowie rund 1.000 Pferde, Fohlen und andere Einhufer geschlachtet. Insgesamt fielen 529.000 t Schweine- sowie 7.200 t Schaf- und Lammfleisch an. Dazu kamen noch geringe Mengen an Ziegen- (710 t) und Pferdefleisch (198 t).

Bezugnehmend auf den Skandal um nicht gekennzeichnetes Pferdefleisch aus 2013 monierte damals die Landwirtschaftskammer Salzburg die fehlende verpflichtende Herkunftskennzeichnung von so genanntem Verarbeitungsfleisch.

(…) Der Skandal zeigt erstmals auf, welche Dimension der Handel mit billigem Verarbeitungsfleisch erreicht hat. Rumänien exportiert jährlich Pferdefleisch im Wert von mehr als 10 Millionen Euro. Den Weg zum Verarbeiter findet das Fleisch über teils dubiose Zwischenhändler, die oftmals nur ein Postfach als Firmensitz haben. Der Preis für das Verarbeitungsfleisch ist schockierend gering: Rund 35 Cent kostet einen Verarbeiter ein Kilogramm Pferdefleisch aus Rumänien, der Preis für Rindfleisch liegt ca. zehnmal höher. Die Hersteller der Fertiggerichte konnten dadurch ihre Marge deutlich erhöhen bzw. zu Billigstpreisen produzieren. Die ständig neuen Funde von nicht deklariertem Pferdefleisch haben unterdessen auch zu einer Diskussion über die Kennzeichnungspflicht von verarbeiteten Produkten geführt. (…) [1]

Verarbeitungsfleisch wird gekühlt oder gefrostet in Kühlhäusern gelagert, um bei Bedarf in Verkehr gebracht zu werden. Lediglich die Herkunftskennzeichnung von Verarbeitungsfleisch aus Rindfleisch ist gesetzlich obligatorisch geregelt. Bei der Weiterverarbeitung von Verarbeitungsfleisch zu Fertigprodukten muss die Herkunft des Ausgangsmaterials nicht mehr angegeben werden.

Darüber hinaus wird mit Aufbringung des so genannten AT-Stempels auf in Österreich geschlachtetes Fleisch eine Herkunftskennzeichnung suggeriert, die tatsächlich nicht besteht. Der AT-Stempel ist lediglich ein Genusstauglichkeitsstempel, mit dem der Veterinär seine Fleischbeschau bestätigt. Aufgrund der Vielzahl von Markenprogrammen, unterschiedlichen Bedingungen bei der Herkunftskennzeichnung und der Verwendung von Genusstauglichkeitsstempeln für in Österreich geschlachtetes Fleisch, ist es für die Konsumenten nahezu unmöglich, die Herkunft ihrer gekauften Nahrungsmittel lückenlos feststellen zu können.

 

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Herrn Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft nachstehende

Anfrage:

 

1)     Ist Ihnen bzw. Ihrem Ressort bekannt, wie viel Verbrauchsfleisch in Österreich jährlich in Verkehr gesetzt wird?

a.     Wenn ja, wie viel davon ist Rindfleisch, wie viel davon ist Schweinefleisch, wie viel davon ist Pferdefleisch, wieviel davon ist Hühner- bzw. Putenfleisch, wie viel davon ist Schaf- bzw. Lammfleisch und auf welche Fleischsorten verteilt sich der Restanteil der jährlich in Österreich in Verkehr gesetzten Mengen?

b.     Wenn nein, wie garantieren Sie bzw. Ihr Ressort in Österreich Lebensmittelsicherheit?

2)     Verbrauchsfleisch wird in gekühltem oder tiefgekühltem Zustand gelagert und bei Bedarf in Verkehr gesetzt. Sind Ihnen bzw. Ihrem Ressort die aktuellen Lagerbestände von tiefgekühltem Verarbeitungsfleisch in Österreich bekannt?

a.     Wenn ja, wie groß ist die Menge an tiefgekühltem Verarbeitungsfleisch aus Rindfleisch, Schweinefleisch, Pferdefleisch, Hühner- bzw. Putenfleisch, Schaf- bzw. Lammfleisch und aus anderen Fleischsorten, die bis dato in Österreich gelagert werden?

                                          i.    Wie lange ist die durchschnittliche Lagerdauer von tiefgekühltem Verarbeitungsfleisch, bevor es in Verkehr gesetzt wird?

                                         ii.    Wie lange ist die durchschnittliche Lagerdauer von gekühltem Verarbeitungsfleisch, bevor es in Verkehr gesetzt wird?

                                        iii.    Gibt es gesetzlich geregelte Höchstgrenzen für die Lagerfähigkeit von gefrostetem Verarbeitungsfleisch

b.     Wenn nein, wie garantieren Sie bzw. Ihr Ressort in Österreich Lebensmittelsicherheit?

3)     Halten Sie eine strengere Herkunftskennzeichnung für Verbrauchsfleisch bzw. verarbeitete Fleischprodukte in Österreich für notwendig?

a.     Wenn ja, wie sehen Ihre konkreten Pläne dazu aus, welchen Zeithorizont sehen sie für die Umsetzung Ihrer Vorstellungen und welche kurz- und mittelfristigen Ziele haben Sie sich gesetzt?

b.     Wenn nein, warum nicht?

4)     Mit dem Beschluss der EU-Verordnung 1337/2013 wurden verbindliche Regelungen für die Herkunftskennzeichnung von Schweine-, Geflügel und Schaffleisch verordnet. Trotzdem richten sich lediglich 15 Markenprogramme in Österreich an der AMA-Richtlinie „sus“ aus, obwohl die in Österreich angefallene Menge an Schweinefleisch sich 2013 auf rund 530.000 Tonnen belief und damit doppelt so hoch lag wie bei Rindfleisch. Worauf führen Sie diesen Umstand zurück?

5)     Welche Markenprogramme bzw. Gütesiegel zur Herkunftskennzeichnung - außer jener der von der AMA zugelassenen - bestehen in Österreich, die die gesetzlichen Bestimmungen erfüllen?

a.     Welche Fleischsorten werden von diesen Markenprogrammen abgedeckt?

b.     Wie hoch ist dabei der jeweilige Anteil an der spezifischen Fleischsorte?

c.     Wer lobt diese Markenprogramme bzw. Gütesiegel aus?

6)     Wie viel Schlachtfleischhälften bzw. Teilstücke wurde 2013 insgesamt nach Österreich importiert?

a.     Wie viel davon war Rindfleisch, wie viel davon Schweinefleisch, wie viel davon Pferdefleisch, wieviel davon Hühner- bzw. Putenfleisch, wie viel davon Schaf- bzw. Lammfleisch und auf welche Fleischsorten verteilte sich der Restanteil?

b.     Wie hoch war der Anteil an Verarbeitungsfleisch für die jeweilige Fleischsorte?

7)     Wie viel Schlachtfleisch wurde 2013 insgesamt aus Österreich exportiert?

a.     Wie viel davon war Rindfleisch, wie viel davon Schweinefleisch, wie viel davon Pferdefleisch, wieviel davon Hühner- bzw. Putenfleisch, wie viel davon Schaf- bzw. Lammfleisch und auf welche Fleischsorten verteilte sich der Restanteil?

b.     Wie hoch war der Anteil an Verarbeitungsfleisch für die jeweilige Fleischsorte?

c.     Wie viel davon fiel unter die Kategorie Verarbeitungsfleisch?

8)     Mit welchen Ressorts kooperieren Sie, um zu verhindern, dass so genanntes Separatorenfleisch in unverarbeiteten oder verarbeiteten Zustand in den österreichischen Handel gelangt?

9)     Können Sie ausschließen, dass Seperatorenfleisch als Bestandteil von Produkten eines in Österreich behördlich zugelassenen Markenprogramms verwendet wird?

a.     Wenn ja, welche Sicherungsmaßnahmen wenden Sie an, um dies zu garantieren?

b.     Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie setzen, um dies zu verhindern?



[1] Aussendung der LK Salzburg vom 27.02.2013 „Klare Kennzeichnung fehlt“