3019/J XXV. GP

Eingelangt am 10.11.2014
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein  

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Auffälligkeiten in der Causa Bakary Jassey

 

Der Fall Bakary JASSEY, jenes Drogendealers aus Gambia, der im April 2006 von drei WEGA-Beamten nach einer abgebrochenen Abschiebung gefoltert worden sein soll, findet sich nun in neuem Lichte wieder. Denn nach existenzbedrohenden Geldforderungen durch den Anwalt von Bakary JASSEY haben die betroffenen Ex-WEGA-Beamten nun den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt und fordern eine Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens.

Die Falsch-Geständnisse wurden widerrufen und die Beamten bestreiten – wie schon im Zuge der polizeilichen und gerichtlichen Voruntersuchungen – vehement, dem damaligen Schubhäftling schwere Verletzungen zugefügt zu haben.

So konnte beispielsweise die Augenverletzung, die der mehrfach einschlägig wegen Verbrechen und Vergehen nach dem SMG vorbestrafte und rechtskräftig abgelehnte Asylwerber im Zuge von Schlägen erlitten haben will, weder im Zuge der Untersuchung im Wiener AKH noch bei der Einlieferung in das Polizeianhaltezentrum und den dort laufend stattfindenden Untersuchungen festgestellt werden.

Die Beamten haben aber nicht nur ihre in der gerichtlichen Hauptverhandlung abgegebenen Falsch-Geständnisse zurückgezogen, sondern darüber hinaus angegeben, dass ihnen nahegelegt wurde, sich "schuldig zu bekennen, denn dann würden sie nur zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt, was keinen Amtsverlust zur Folge gehabt hätte. Bei Ablehnung dieses „Angebotes“ wären unbedingte Haftstrafen fix gewesen."

Die Beamten befanden sich zum damaligen Zeitpunkt in einem körperlichen und psychischen Ausnahmezustand, waren massivem medialen Druck und einer „Vorverurteilung“ ausgesetzt. Um keinen Amtsverlust zu erleiden, ließen die Beamten Vorhalte unwidersprochen gelten, die aber nicht der Wahrheit entsprachen. Bereits im Vorfeld  berichteten Medien von einem „Folterskandal“! Die Exekutive, wie auch die Justiz waren einem derart hohen medialen Druck ausgesetzt, dass eine Verurteilung der Beamten erfolgen musste. In einem kurzen Prozess, bei dem nicht die Ermittlung der tatsächlichen Vorkommnisse in der Lagerhalle im Vordergrund stand, sollte der Gerichtsakt erledigt werden. Dies zeigte sich auch darin, dass der Staatsanwalt noch in der Verhandlung einen Rechtsmittelverzicht abgegeben hat, dass nicht alle Zeugen geladen waren, insbesondere mehrere Ärzte, die in Bezug auf die Verletzungen von Bakary JASSEY,  Auskunft hätten geben können, sowie, dass kein Lokalaugenschein durchgeführt wurde.

Nach dem Urteil wurden die Beamten wieder im Innendienst dienstverwendet. Offenbar auf Druck einschlägiger Medien hob der Verwaltungsgerichtshof nach 6 Jahren ein in diversen Medien als zu mild empfundenes Urteil der Disziplinaroberkommission  auf und „wünschte“ die Entlassung der Polizisten, dem 2012 das Innenministerium  schließlich auch nachgekommen war.

 

Bakary JASSEY selbst  flüchtete aus Afrika nach Deutschland und ersuchte dort um Asyl, da ihm in seiner Heimat nach dem Leben getrachtet werde. Schon in seiner Zeit als Asylwerber wurde er in Deutschland wegen mehrerer Delikte, vor allem Drogendelikte verurteilt und schließlich abgeschoben, um in Österreich wieder aufzutauchen und auch hier als Asylwerber mehrfach straffällig zu werden! (Dazu siehe OGH-Entscheid v. 04.11.2044 unter der GZ: 12Os 108/04). Im Jahre 2004 wird er wegen Drogendelikten zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt, nach Beendigung seiner Haftstrafe wird er in Schubhaft genommen und sollte, aufgrund der Ablehnung seines auch in Österreich gestellten Asylbegehrens, abgeschoben werden. Bakary JASSEY wurde auch Bigamie nachgewiesen. So war er zwischen 2000 und 2002 zeitgleich mit 2 Frauen verheiratet.

Am 7. April 2006 sollte er vom Flughafen Wien-Schwechat in seine Heimat rückgeführt werden. Nachdem er durch Drohungen gegen das Bordpersonal zum Risiko für den Flug wurde, weigert sich der Pilot ihn mitzunehmen. Aufgrund des Abbruches mussten die Beamten, die in Zivil und unbewaffnet waren mit dem Schubhäftling wieder nach Wien fahren. Aufgrund von Vorkommnissen (heftiger körperlicher Widerstand des Barkary JASSEY im Fahrzeug) während der Rückfahrt  fuhren sie zwecks Anlegen von Bandschlaufen in die Übungshalle (ein von der Polizei angemietetes Areal wo Übungen abgehalten wurden) in den zweiten Wiener Gemeindebezirk. Die weiteren Geschehnisse dort sollen nun in einem neuen Verfahren im Sinne der Beweiswürdigung ermittelt werden.

 

Tatsache ist, dass Bakary JASSEY im Jahre 2013 € 110.000.- von der Finanzprokuratur, ohne nachvollziehbaren Rechtstitel, überwiesen bekommen hat, seinem Anwalt aber scheint dies zu wenig, er fordert nochmal € 385.000.- Schadenersatz sowie eine monatliche Rente von € 1.000.- wegen Arbeitsunfähigkeit.

Da diese Forderungen auch den betrauten Behörden (Finanzprokuratur und Zivilgericht)  zu hoch erscheinen, wurde ein neuerliches Gutachten eingeholt; dieses ergab nun, dass die Traumatisierung nicht in der bisher behaupteten Dimension vorhanden ist. So erklärte Bakary JASSEY kürzlich in der ORF-Sendung "Report" dass er nächtelang am Fenster stehen würde, um Ausschau zu halten, ob jemand kommt von der Polizei, der ihn schlagen werde.

 

Durch die nun bekanntgegebenen Hintergründe, wie es zu den Geständnissen der ehemaligen Polizeibeamten gekommen war, sowie der neuen eingebrachten Beweismittel durch die Polizeibeamten, müsste die Beweiswürdigung im Rahmen eines neuen Prozesses einer neuerlichen gerichtlichen Betrachtung unterzogen werden.

 

So wurden die Angaben der beiden Gutachterinnen im Prozess nicht hinterfragt!?  Jene Gutachterin für die psychische Betrachtung, attestierte Bakary JASSEY eine posttraumatische Belastungsstörung, die ausschließlich vom Vorfall in der Lagerhalle stammen sollte; während die Gerichtsmedizinerin über ein komplexes Bruchsystem berichtete, welches vermutlich vom Vorfall herrühren könnte. Als Zeitfenster führte die Gutachterin aus, dass es sich um frische Frakturen, also älter als 2 bis 3 Wochen, jedoch auch nicht um eine komplett abgeheilte Fraktur, jünger als 6 – 8 Wochen handelt.

Auch die erstbehandelnden Mediziner, wie jene des  Wiener AKH oder der Amtsarzt wurden nicht in den Zeugenstand gerufen!? Weder Staatsanwalt, noch Verteidiger forderten deren Befragung!

Von der Verteidigung wurde ein Lokalaugenschein am Tatort in der Halle gefordert, der jedoch vom Richter abgelehnt wurde.

Bakary JASSEY beschuldigte die Polizisten, der Misshandlung und Folter und erzählte von einer Schein-Exekution, sowie dem vorsätzlichen Anfahren mit dem Dienstfahrzeug. In der Hauptverhandlung wurden diese schwerwiegenden Anschuldigungen weder hinterfragt noch auch nur ansatzweise nachgestellt.

Das betreffende Dienstfahrzeug wurde von der Kriminaltechnik  außen und innen auf Spuren untersucht, die Kleidung des Bakary JASSEY ebenso. Am Dienstfahrzeug wurden keine Spuren festgestellt, welche die Angaben des Bakary JASSEY untermauern würden. Ebenso nicht die Spurenlage in der Halle und die dementsprechenden Untersuchungen durch die Tatortgruppe. Es wurden seinerzeit auch keinerlei Verletzungen bei Bakary J. festgestellt, welche ein Anfahren mit dem Dienstkfz. indiziert hätten.

 

Sollten all diese Vorwürfe und Behauptungen gestimmt haben, dann wären die milden Urteile gegen die Polizisten, die nicht geahndete, unterlassene Hilfeleistung im AKH Wien und die Aussagen der Disziplinaroberkommission, die von einer "allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung" der Beamten gesprochen hat, ein großer Justizskandal!

 

Wenn aber die geschilderte Version der Beamten stimmt, dass sie mit den beiden Modellen, mildes Urteil bei Geständnis und Strafhaft bei zu viel Nachfragen und Leugnen, seitens der Justiz konfrontiert wurden, so ist dies ein noch größerer Skandal!

 

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende

 

Anfrage

 

 

1.      Aus welchem konkreten Grund sind weder die Beamten noch der Rechtsträger des AKH Wien (die Gemeinde Wien)  in diesen Vorgang eingebunden worden? Dies insofern, als nach Bezahlung gegen die Beamten ein Verfahren auf Rückersatz dieses bereits bezahlten Betrages vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien anhängig gemacht wurde.

2.      Aus welchem Grund wurden die erstversorgende Ärztin, Fr. Dr.  M.J. aus dem Wiener AKH nicht zur strafrechtlichen Hauptverhandlung geladen, um zu den Verletzungen und zum Gesundheitszustand des Herrn Bakary Jassey nach der Einlieferung ins AKH am 7.4.2006  zu befragen?

3.      Aus welchem Grund wurden die Polizeiamtsärzte Hr. Dr. W. P., Dr. W. G., HR Dr. R. F. und Dr. G. B., die alle im Zeitraum  vom 07.04.2006 bis zum 11.04.2006 Untersuchungen bei Herrn Bakary Jassey durchführten und lediglich eine leichte Körperverletzung feststellten, die mit den später veröffentlichen Fotos nicht in Einklang zu bringen sind, nicht zur Hauptverhandlung geladen?

4.      Warum wurden keine Feststellungen getroffen, wo  Herr Bakary Jassey am Körper vom Auto erfasst worden sein soll, dass ihn ja, seinen Aussagen zufolge angefahren haben soll?

5.      Welche Verletzungen genau wurden bei Bakary JASSEY zu welchem  Zeitpunkt  genau festgestellt?

6.      Wurde beim Strafprozess geprüft, ob die festgestellten Verletzungen des Herrn Bakary Jassey mit den behaupteten und geschilderten Tathergang in Einklang zu bringen sind, vor allem im Hinblick auf das „Anfahren mit dem Fahrzeug“?

7.      Wenn nein, warum nicht?

8.      Welche Spuren wurden bei der kriminaltechnischen Untersuchung  des am  7.6.2006 verwendeten Dienstfahrzeuges sichergestellt?

9.      Aus welchem Grund wurde im Rahmen der Hauptverhandlung kein Lokalaugenschein durchgeführt bzw. dieser vom Richter abgelehnt?

10.   Wurde die Bekleidung von Bakary Jassey auf Faserspuren untersucht?

11.   Wenn ja, wurden Faserspuren sichergestellt, bzw. deren Herkunft  festgestellt?

12.   Wenn nein warum nicht?

13.   Wurden Erhebungen zur Anprall-Geschwindigkeit getätigt?

14.   Wenn ja, wurden diese rechnerisch ermittelt oder geschätzt?

15.   Wenn nein, warum nicht?

16.   Wurde geklärt, mit welchen Waffen Bakary Jassey  bedroht worden sein will?

17.   Wenn nein, warum nicht?

18.   Wenn ja, woher stammten diese Waffen?

19.   Entspricht es den Tatsachen, dass Bakary Jassey behauptet, dass Handgranaten und Pistolen verwendet wurden?

20.   Wenn ja, wurden Feststellungen dahingehend getroffen, dass derartige Abschiebungen ohne Bewaffnung stattfinden?

21.   Aus welchem Grund hat der Staatsanwalt noch in der Verhandlung einen Rechtsmittelverzicht abgegeben?