3139/J XXV. GP
Eingelangt am 20.11.2014
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ANFRAGE
des Abgeordneten Mag. Harald Stefan
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Auswüchse eines Gutachter-Skandals innerhalb der Justizbehörden des OLG-Sprengels Linz.
Die Anfragebeantwortung zu 1625/AB XXV. GP vom 12. 8. 2014 erscheint teils ausweichend, teils sachlich unrichtig, wodurch dem parlamentarische Interpellationsrecht aus Sicht der Antragsteller nicht ausreichend entsprochen wurde.
Daher wird dem Bundesminister für Justiz nochmals die Gelegenheit gegeben, einige davon betroffenen Anfragepunkte und die daraus resultierenden ergänzenden Fragen einzeln, korrekt und vollständig zu beantworten.
Die im Folgenden wiedergegebenen Fragen haben sich auf eine Strafanzeige wegen Verdachts eines massiven Amtsmissbrauchs durch einen (nicht namentlich genannten) Staatsanwalt bezogen. Dessen inkriminierte Handlungen dürften im Rahmen eines justizinternen „Vertuscher-Kartells“ innerhalb des OLG-Sprengels Linz begangen worden sein, das im anhängigen Strafverfahren gegen den ehemaligen Gerichtssachverständigen Dr. Egon B. offensichtlich eine diversionelle Lösung anstrebt:
1. und 2. der bezogenen Anfrage haben gelautet:
„Wann haben Sie von der Strafanzeige zu 9 St 57/14x der Staatsanwaltschaft Linz (= als Berichtssache) Kenntnis erlangt?“
und
Welche Maßnahmen haben Sie und/oder Ihre Mitarbeiter hierauf wann ergriffen?“
Diese präzisen und eindeutigen Fragen wurden von Ihnen lediglich mit dem aliud beantwortet, dass nach einem am 9. 7. 2014 eingelangten Bericht der Staatsanwaltschaft Steyr derzeit keine aufsichtsbehördlichen Maßnahmen indiziert erscheinen.
3. hat gelautet:
Beurteilen Sie es als prozessual vertretbar, wenn ein in einer Strafanzeige (materiell) beschuldigter Staatsanwalt ein (auch gegen ihn selber) einzuleitendes Strafverfahren gleichsam „in Eigenregie abwürgt“?
4. hat gelautet:
Beurteilen Sie es als meritorisch vertretbar, wenn der betreffende Staatsanwalt ein Verbrechensdelikt durch die Verfolgung eines Vergehens auch das Verbrechen als konsumiert behandelt?
In der Anfragebeantwortung zu 3. und 4. unterstellen Sie einleitend den anfragestellenden Abgeordneten, von einer unzutreffenden Sachverhaltsdarstellung auszugehen, weil die Vorwürfe gegen diesen Staatsanwalt bereits von der StA Steyr geprüft und das Verfahren gegen diesen Staatsanwalt eingestellt wurde. Dabei wird jedoch übersehen, dass sich diese Anfrage nicht an eine Unterbehörde, sondern ausschließlich an den Bundesminister für Justiz gerichtet hat.
Daher ist es auch völlig unerheblich, ob Ermittlungsverfahren der StA öffentlich oder nicht öffentlich sind. Der Bundesminister für Justiz wurde zu einer Strafanzeige gegen einen Staatsanwalt befragt, ob dessen inkriminierte Handlungen und Unterlassungen rechtlich vertretbar (oder aber als amtsmissbräuchlich) zu qualifizieren sind.
Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass und warum die Beantwortung dieser rein rechtlichen Fragen „zum Schutz der Persönlichkeitsrechte“ von (namentlich gar nicht genannten!) Verfahrensbeteiligten erforderlich sein soll und daher unterbleiben durfte.
6. hat gelautet:
Beurteilen Sie es als meritorisch vertretbar, wenn dieser Staatsanwalt zugleich eine Untersuchung unterlässt, ob die Salzburger Justizbehörden nach Offenbarwerden des Gutachter-Skandals (trotz gegenteiliger Indizien) ihren gesetzlichen Pflichten nach §§ 352 bis 354 StPO nachgekommen sind?
8. hat gelautet:
Welche Maßnahmen gedenken Sie zu treffen, dass in allen von forensisch unbrauchbaren Gutachten von Dr. Egon B. betroffenen Strafsachen eine Neubegutachtung erfolgt oder (in Familiensachen) die betroffenen Parteien zumindest angeleitet werden, eine Neubegutachtung zu beantragen?
Diese beiden Fragen wurden auf dem Hintergrund gestellt, dass im Strafverfahren gegen Dr. Egon B. von der Staatsanwaltschaft Linz ein Gutachten des international renommierten Sachverständigen Univ.- Prof. Dr. Steller/Berlin eingeholt wurde. Herr Professor Steller kam dabei zum Ergebnis, dass alle 13 von ihm untersuchten Gutachten des Beschuldigten Dr. Egon B. (infolge schwerster methodischen Fehler) als Beweismittel vor Gericht als „völlig unbrauchbar“ zu beurteilen sind.
Sie verweisen in Ihrer Anfragebeantwortung lediglich darauf, dass das Landesgericht Linz zu 25 Bl 10/14w ausgeführt habe, dass eine analoge Anwendung der §§ 352 bis 354 StPO im Hinblick auf Pflegschaftsverfahren nicht in Frage komme. Außerdem hätten nicht einmal die Fortführungswerber behauptet, alle von Dr. Egon B. erstatteten Gutachten seien fachlich unbrauchbar, weshalb Maßnahmen Ihrerseits nicht angezeigt seien.
Diese Antwort übergeht allein schon das in der Anfrage aufgezeigte Faktum, dass Dr. Egon B. forensisch unbrauchbare Gutachten nicht nur in Pflegschaftsfällen, sondern vielfach auch bei Sexualdelikten an Kindern erstattet hat.
Es erscheint aus rechtsstaatlicher Sicht daher geradezu unverantwortlich, in solchen Fällen keine neue Begutachtung anzuordnen. Damit wird in Kauf genommen, dass infolge solcher Gutachten möglicherweise eines Sexualdelikts gegen Kinder falsch Bezichtigte zu Unrecht zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt bleiben – oder aber umgekehrt – tatsächlich schuldige Kindesmissbraucher zu Unrecht außer Verfolgung gesetzt wurden.
9. hat gelautet:
Welche Maßnahmen gedenken Sie zu treffen, damit das Dr. Egon B. anzulastende Delikt nach § 288 StGB in Tateinheit mit schwerem, gewerbsmäßigen Betrug nach §§ 146, 147 und 148 StGB nach nahezu sechs Jahren Verfahrensdauer endlich von einer unbefangenen Anklagebehörde außerhalb des OLG-Sprengels Linz untersucht und verfolgt wird?
Sie haben dazu lediglich auf den Beschluss des OGH vom 14. 11. zu 11 Ns 72/13x verwiesen, wonach das frühere Tätigwerden eines Sachverständigen im Gerichtssprengel allein noch keinen Grund zu einer Delegation einer Strafsache in einen anderen OLG-Sprengel bildet.
Dabei wird auch an dieser Stelle die Sachverhaltsdarstellung zu dieser Frage schlichtweg übergangen. In dieser wurde ausführlich dargelegt, dass dieser OGH-Beschluss die Folge einer verfehlten Begründung der Delegierungsanregung des LG Salzburg darstellt. Diese stützte sich darauf, dass ein Sachverständiger einem Richter oder Staatsanwalt gleichzuhalten sei (§ 39 Abs 1 zweiter Absatz StPO).
Hingegen hat der OGH nirgends ausgesprochen, dass er eine Delegierung auch für den Fall ablehnt, wenn diese Anregung – richtig – auf stichhaltige Befangenheitsgründe iS des § 39 StPO Abs 1 erster Satz) gestützt würde, die (in unterschiedlicher Ausprägung) alle Richter dieses Gerichtshofs betreffen.
Bezeichnend in diesem Zusammenhang ist, dass sich schon die ersten zwei befassten Richterinnen (noch) erfolgreich als befangen erklären konnten. – Erst die Befangenheitserklärung der dritten mit dem Strafantrag gegen Dr. Egon B. befassten Richterin wurde vom LG Salzburg unter Berufung auf den obzitierten OGH-Beschluss vom 14. 11. 2015 zurückgewiesen.
Seither „ruht“ dieses Strafverfahren, wobei nach wie vor davon auszugehen ist, dass durch den Zeitablauf eine diversionelle Lösung erleichtert werden soll.
Auf dem Hintergrund dieser Sachverhaltsdarstellung richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz folgende
Anfrage
3. a)Sind Sie dazu bereit, den anfragenden Abgeordneten eine Kopie des von Ihnen angezogenen Berichts der Staatsanwaltschaft Steyr vom 9. 7. 2014 zur Verfügung zu stellen?
b)Wenn nein, warum nicht?